Insider-Talk mit Ralph Siegert: „Varicon hat die Herzen in der Tasche“

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Ralph Siegert ist Besitzertrainer in Dresden.

Exklusiv im Insider-Talk auf dem Blog berichtet er über seine Turf-Leidenschaft.

Sie haben in diesem Jahr mit Varicon ihre ersten beiden Rennen als Besitzertrainer gewonnen. Wie sind Sie an das Pferd gekommen, und was zeichnet den Wallach aus?

Ralph Siegert: Die Familie des Züchters und ich kennen uns schon ein paar Jahre, Wolfgang Kragen hat für seinen „Spätentwickler“ Varicon einen Platz im Training gesucht, um es doch noch als Rennpferd zu versuchen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt unseren Touch of Gold in Rennpferd-Rente geschickt und waren auf der Suche nach einem neuen Pferd, das in den grün-weiß-karierten Farben an den Start gehen kann. Also waren wir uns schnell einig, dass ich Varicon pachte und es mit ihm probiere. Ein startfertiges Pferd zu pachten oder zu kaufen wäre sicher einfacher gewesen, aber die wirklich sympathische Art hat auf der ganzen Linie überzeugt, und nach kurzer Zeit hatte er die Herzen der Familie in der Tasche.

Bewundernswerte Vorbereitung

Wie kam es zu der Verpflichtung von Bauyrzhan Murzabayev, der beide Male im Sattel saß? Was schätzen Sie besonders an dem Champion?

Ralph Siegert: Beim ersten Ritt von Murzabayev waren alle von mir bisher favorisierten Reiter schon verbucht oder nicht vor Ort, also habe ich mir ein Herz gefasst und habe den Champion einfach angesprochen. Er war frei und hat zugesagt, das war letztendlich leichter, als ich dachte. Wir haben uns vorher nicht persönlich gekannt, aber es ist bewundernswert, wie er sich auf jeden Ritt vorbereitet. Er hatte sich alle vorhergehenden Rennen angeschaut, und man hat wirklich das Gefühl, er ist nur wegen dem einen Ritt angereist (obwohl er eine volle Reitkarte hatte!). Da ist man wirklich erleichtert, und es nimmt einem einiges der üblichen Aufregung vor dem Rennen.

Varicon siegt unter Bauyrzhan Murzabayev
Varicon siegt unter Bauyrzhan Murzabayev am 30.05.2020 in Dresden.

Aber ich muss hier der Gerechtigkeit wegen auch sagen, dass ich eigentlich immer viel Glück mit meinen Reitern und Reiterinnen hatte. Jeder hat sein Bestes gegeben, und ich war jedes Mal mit den Ritten zufrieden. Wer mich kennt, weiß, dass es nicht nur einer gehörigen Portion Sattelkunst bedarf, sondern man muss auch noch mich und meine Aufregung vor dem Rennen ertragen können. Am liebsten würde man ja die gesamte Runde mitrennen und Tipps zurufen (was aber schon wegen unzureichender Grundgeschwindigkeit und fehlender Kondition unmöglich ist).

Zehn Jahre Wartezeit

Wie lange mussten Sie auf Ihren ersten Erfolg warten? Was hat Sie bewogen, in den Rennsport einzusteigen?

Ralph Siegert: Die Frage mit dem ersten Erfolg ist schwierig zu beantworten. Wenn man damit den ersten Sieg als Trainer meint, dann sind es zehn Jahre. Aber wir haben es auch schon als Erfolg gesehen, wenn wir einen Debütanten soweit vorbereitet hatten, dass er an den Start gehen konnte, nicht Letzter war und dem Reiter keinen Ärger bereitet hat. Oder dann auch die „kleinen“ Erfolge, wenn die Pferde (für die anderen überraschend) in die Platzierung laufen.

Ich möchte mich auch für die überraschend vielen Glückwünsche zum ersten Sieg bedanken. Es kam von Freunden und Bekannten aus allen Regionen Deutschlands! Es war erstaunlich, wer alles davon mitbekommen hatte! Ich habe mich über jeden einzelnen sehr gefreut!

Ralph Siegert: Viele Jahre im Rennstall bei Trainer Wolfgang Streubel, erst als Amateur, später auch als Angestellter. Nach der Wende dann bei Trainer Peter Pietsch und die vielen Jahre beim ambitionierten Großbesitzer Wolfgang Müller. Zuletzt, bis zum Jahr 2000, bei Trainer Lutz Pyritz.

Der Einstieg in den Rennsport erfolgte in frühester Jugend als Amateur im Rennstall Bergland bei Trainer Wolfgang Streubel. Anfangs nachmittags nach der Schule im Stall helfen, bin später dann jedes Wochenende mit den Pferden auf den Rennbahnen des Ostens unterwegs gewesen. Ich habe dann auch viele Jahre im Rennstall gearbeitet, bin täglich in der Morgenarbeit geritten, habe die Pferde im Training auf die Rennen vorbereitet und natürlich gehört es zur Stallarbeit auch dazu, die Pferde zu trösten und zu umsorgen, wenn sie mal irgendwelche Wehwehchen haben. Der Rennsport ist ein Virus, einmal infiziert, kommt man nicht mehr davon los. 

Varicon
Varicon siegt unter Bauyrzhan Murzabayev am 30.05.2020 in Dresden.

Unvergessene Erlebnisse

Was waren Ihre bisherigen Stationen und Pferde? Was waren die schönsten Erlebnisse vor Varicon?

Meine schönsten Erlebnisse vor Varicon kann man hier nicht alle aufzählen, wie bei allen im Rennsport bleibt das erste Mal ein Pferd zum Rennen zu führen in Erinnerung, oder der erste Canter auf der Bahn! Unvergessen! Stellvertretend für alle Pferdekinder, die mir im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen sind, sollten hier unbedingt Wildspitze (Freefoot-Wildau) genannt sein, oder Palma Sola, Daughter, Royal Mahone oder Mc Rex, alles keine eigenen Pferde, aber Pflegepferde, die bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Spätestens hier kann ein Insider grob überschlagen, wie lange ich schon dabei bin und wie alt ich bin!

Bei den eigenen Pferden war ein schönes Erlebnis der erste Start von Nebelkönig (der ist in der Zwischenzeit 20 Jahre alt und lebt immer noch bei mir). Ein wirkliches Highlight war auch der erste Sieg von Evening Moonrise mit Ina Kaufmann in Dresden! Das fiel aber in meine Zeit als Besitzer. Danach dann der Besitzertrainerlehrgang.

Mein erstes Rennpferd als Trainer habe ich mit Ischtar an den Start gebracht, das war vielleicht eine Aufregung vor ihrem Debüt! Sie wirkte immer etwas zu pummelig, aber süß und wollte eigentlich lieber Reitpferd sein, sie lebt heute glücklich in der Nähe von Gotha. Dann hatte ich den Spaolini, ein absoluter Typ, der für jeden Spaß zu haben war, immer gut gelaunt und fröhlich, leider Lungenbluter, also habe ich ihm dann, schweren Herzens, den Hochleistungssport erspart, und er lebt heute bei einer befreundeten, ehemaligen Rennreiterin. Und so trat dann Touch of Gold in unser Leben, ein ganz Lieber, der uns auch viele Platzierungen eingebracht hat, leider fehlte immer das kleine bisschen Glück zum vollen Erfolg, aber er hat uns viel Freude bereitet und immer sein Bestes gegeben. Er ist heute ein ganz liebes (und beliebtes) Reitpferd für kleine Kinder, die ihre ersten Erfahrungen im Sattel machen. Und jetzt eben Varicon! Ein Pferd mit großem Kuschelfaktor, der sich immer Mühe gibt, alles richtig zu machen.

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Nie ans Aufhören gedacht

Hatten Sie zwischendurch mal überlegt, mit dem Turf aufzuhören? Wie motiviert man sich selbst, weiterzumachen, wenn einmal wenig läuft?

Ralph Siegert: Nein, nie! Die Frage nach einem Aufhören hat sich nie gestellt. Man hofft ja mit jedem Start auf den langersehnten Sieg, aber auch ein gutes Abschneiden, eine gute Platzierung wird schon als Erfolg gesehen. Die Pferde gehören ja zur Familie, man kennt sie in- und auswendig und weiß, dass sie sich wirklich angestrengt haben, und man sucht den Fehler zuerst bei sich. Hat man ein zu schweres Rennen herausgesucht, ihn über die falsche Distanz laufen lassen, dem Reiter vielleicht nicht die richtige Order mitgegeben. Also analysiert man, blickt nach vorn, versucht an der Kondition zu arbeiten und hofft auf das nächste Rennen.

Ein echter Familienbetrieb

Wie sehr steht Ihre Familie hinter Ihrem Engagement? Was machen Sie im Hauptberuf? Wieviel Zeit investieren Sie in den Rennsport?

Ralph Siegert: Ohne die Familie wäre das alles nicht möglich, alles läuft wie in einem kleinen Familienbetrieb. Alle helfen mit, jeder hat seinen Anteil am Funktionieren und am Erfolg! Meine Schwester und meine Nichte helfen direkt im Stall bei den drei Pferdekindern, reiten, misten, putzen, zu den Rennen begleiten! Wir gehen ja alle Vollzeit arbeiten, aber teilen uns in die Arbeit und das Training. Das klappt seit Jahren ganz gut. Wer arbeiten geht und Kinder hat, kann das sicher verstehen, alles eine Frage der Organisation, und die drei Pferde sind ja wie unsere Kinder, da sieht man die Arbeit nicht als Pflicht.

Und wenn mal wirklich Not am Mann ist, dann haben wir noch das eine oder andere Helferlein, das gerne in die Bresche springt und sich mal um die Pferde kümmert. Meine Eltern haben es nicht so direkt mit Pferden, höchstens mal streicheln, aber  sie unterstützen uns an allen Ecken und Enden, geben auch finanziell mal was dazu, wenn wieder einmal größere Rechnungen anstehen, kommen zu allen Starts in Dresden, backen Kuchen für den Renntag und niemand anderes als meine Mutter darf das Renndress waschen.

Varicon siegt unter Bauyrzhan Murzabayev
Varicon siegt unter Bauyrzhan Murzabayev am 30.05.2020 in Dresden.

Ich selbst arbeite als Kassenleiter in einem großen Designer-Outlet, arbeite fast immer Spätschicht, so dass ich in der Woche früh immer bei den Pferden bin.  Jeder in der Familie hat sich den Job so eingerichtet, dass noch genügend Zeit für die Pferde bleibt und diese genießen die Rundumbetreuung.

Dresden ist der Favorit

Welche Rennbahnen möchten Sie in naher Zukunft besuchen? Wo gefällt es Ihnen am besten und warum?

Ralph Siegert: Am besten gefällt es mir natürlich in Dresden, das ist meine Heimatbahn. Aber ich finde auch Hoppegarten schön, eine optimale Streckenführung mit langgezogenen Kurven und einer langen Geraden. Eigentlich alle Bahnen im Osten, weil man die seit Jahrzehnten mit Pferden bereist hat und immer viele alte Bekannte trifft.

Was bedeutet für Sie das Thema Wetten? Haben Sie den ein oder anderen großen Gewinn landen können?

Ralph Siegert: Ich wette nicht besonders viel. Ich gebe mal hier und da aus Sympathie einen Euro mit, mehr als seelische Unterstützung, demzufolge gibt es auch keinen großen Gewinne zu verzeichnen.

Gesundheit von Mensch und Tier im Vordergrund

Welche Ziele haben Sie sich für dieses Jahr und die weitere Zukunft gesetzt? Was sind Ihre Erfolgsprinzipien?

Ralph Siegert: Oberstes Ziel ist Gesundheit von Mensch und Tier, dem Wohlbefinden der Kinder wird alles andere untergeordnet. Natürlich würde ich auch gerne noch das eine oder andere Rennen gewinnen, mal sehen, was die Zukunft bringt, wir werden unser Bestes geben, mit genügend Kondition und Siegeswillen an den Start zu gehen. Zum Erfolg tragen letztendlich viele bei, jeder ist ein kleiner Teil des großen Ganzen. Ob der Schmied, der Futterlieferant, der Tierarzt, wir als Stallpersonal oder Freunde, die mit Leckereien für die Pferde vorbeikommen und am Renntag die Daumen drücken. Es liegt mir am Herzen, an dieser Stelle auch einmal einen Dank an meine Dresdner Trainerkollegen zu richten, wir konnten uns in der Morgenarbeit so oft wie nötig auch mal an deren Lot hängen oder die eine oder andere schnelle Arbeit gemeinsam machen. Vielen Dank!

Womit gestalten Sie Ihre Freizeit abseits vom Rennsport?

Ralph Siegert: Motorrad fahren. Wenn ich Zeit habe, presse ich mich in meine Kombi und drehe eine schnelle Runde.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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