Eine Bedienungsanleitung für Ex-Galopper

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Eine kleine “Bedienungsanleitung” für Ex-Galopper

Natürlich gibt es im Umgang mit (Ex-)Galoppern kein Pauschalrezept: jeder Rennstall und auch jeder Arbeitsreiter geht anders vor. Wer ein Pferd von der Bahn kauft, sollte den zukünftigen Partner am besten mal im Training beobachten und mit dem/n zuständigen Pflegern und Reitern sprechen.
Doch gibt es einige Grundregeln und Tipps, die sich auf viele Pferde anwenden lassen:

Anbinden: mit Vorsicht!

Im Rennstall wird ein Pferd meist in der Box angebunden und gesattelt; im Reitstall werden Pferde auf der Stallgasse oder auch einem mehr oder weniger belebten Putzplatz angebunden. Nun braucht es wenig Fantasie, sich die Szenen mancher Rennpferde vorzustellen, die aus dem Rennstall kommen und unbedacht auf einer belebten Stallgasse angebunden werden. Heißt: Das Thema anbinden sollte, wie mit einem Jungpferd, ruhig und langsam geübt werden. Ein kleiner Sicherheits-Tipp: Ein Stück Kordel von Stroh- oder Heuballen kann als Schlaufe unten in den Halfter-Rung gebunden werden. Wenn man den Führstrick in diese Schlaufe einhakt, kommt das Pferd im Fall der Fälle schneller frei.

Balancetraining an der Longe
Balancetraining an der Longe

Persönliches Learning: Gelenkige Pferde sollte man am Putzplatz nie aus den Augen lassen! Ich hatte mich nur wenige Sekunden von meinem Vollblüter Lord weggedreht, als ihm die Stallkollegin (ohne zu Fragen) eine Mohrrübe zuschob. Die Rübe fiel zu Boden und mein Yoga-taugliches Vollblut krabbelte sofort hinterher. Auf dem Weg nach oben zog er sich den Führstrick (den ich eigentlich straff gebunden hatte) über den Kopf. Lord stieg, überschlug sich und brach sich dabei am Anbindebalken die Nase. Danach putzte ich wieder in der Box.

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Eine neue, kurvige Welt

Einige Rennpferde kennen und können keine engen Wendungen. Ich persönlich bin ein Fan davon, den Pferden Wendungen an der Longe, ohne Reitergewicht und nur mit Kappzaum beizubringen. So können sie ganz in Ruhe ihre Balance finden. Heißt aber nicht, dass ich ein durchschnittliches Pferd von der Bahn erstmal wochenlang longieren würde. Lockere Ausritte in der Gruppe sind normalerweise problemlos möglich und bieten Ex-Rennpferden eine angenehme und vertraute Abwechslung zu der anstrengenden und faden Arbeit an der Longe.

Die ersten Ausritte nur in verlässlicher Gesellschaft
Die ersten Ausritte nur in verlässlicher Gesellschaft

Das passende Equipment

Ehe man Sattel und Trense auswählt, lohnt sich ein Blick auf die Ausrüstung, die ein Pferd im Rennstall getragen hat. Die wenigsten Vollblüter kennen einen großen und schweren Reitsattel: Selbst ein
Springsattel bringt 5 Kilo und mehr mit, während ein Rennsattel nur wenige 100 Gramm wiegen kann. VS- und vor allem Dressursättel bringen das Reitergewicht gänzlich anders auf den Pferderücken und sind in meinen Augen für die anfängliche Umschulung ungeeignet. Mehr Reitergewicht (nicht jeder normale Reiter hat eine Jockey-Figur) + mehr punktueller Druck = unzufriedenes Pferd.

Renntrensen sind meist schnörkellos: Eine einfache Wasser- oder Olivenkopftrense und ein lockerer oder ggf. auch gar kein Nasenriemen. Ein mexikanischer Nasenriemen kann bei Galoppern ein Zeichen sein, dass das Pferd sehr stark pullt. Ein australischer Nasenriemen/ Gebissheber wird oft auf Pferden verwendet, die ansonsten die Zunge übers Gebiss nehmen. (!!!) Bei diesen Fällen ist anfangs extreme Vorsicht geboten: Ich kenne einige sehr unschöne Fälle, wo ein unbedarfter Freizeitreiter mit so einem Pferd und locker verschnallter Trense losritt, das Pferd zog im Galopp die Zunge weg, der Reiter konnte nicht mehr einwirken und am Ende kam es zu schlimmen Stürzen. Das Thema bekommt man grundsätzlich gut in den Griff, doch vor allem in der Anfangszeit sollten diese Pferde ruhig und vor allem mit sehr weicher Hand gearbeitet werden. Freizeitreiter können den Australischen Nasenriemen auch beibehalten. Auf Reitturnieren ist der maulschonende, günstige Gummi-Helfer leider nicht zugelassen.

Ruhig stehen in der Stallgasse will gelernt sein
Ruhig stehen in der Stallgasse will gelernt sein

Der erste Ritt

Man reitet ein Reitpferd zwischen dem inneren Schenkel und der äußeren Hand. Gerade bei jungen und schlecht ausbalancierten Pferden spielt der innere Zügel (für Stellung und Biegung) in der Wendung keine Rolle. Erst einmal muss die Balance her. Sehr schlecht ausbalancierte Pferd und enge Wendungen reite ich teils sogar mit leichter Außenstellung.

Rennpferde kennen in allen Lebenslagen den Entlastungssitz; nur im Finish sitz der Jockey ein und dann heißt es “Angriff!”. Entsprechend sind weder Kopf noch Körper anfangs dafür gerüstet, eine ganze Reit-Einheit lang einzusitzen. Das sollte, wie beim Jungpferd, ganz langsam geübt und gesteigert werden.

Viele Rennpferde haben ein butterweiches Maul, denn sie kennen kein permanentes Rumgefummel und Rumgeziehe am Zügel. Viele Arbeitsreiter haben in den ruhigen Gangarten wenig Verbindung zum Pferdemaul. Beim Galoppieren schnallen sie die Bügel kurz, denn die Pferde stützen sich auf die Zügel, um daraus noch mehr Schub zu entwickeln. Im “Rennsitz” lässt sich das bequem über das Körpergewicht ausbalancieren (= Hebelwirkung), im klassischen englischen Sitz kann man diese Kilos kaum halten. Heißt, dieses “Abstützen” sollte bei angehenden Reitpferden unbedingt vermieden werden (= keine wilden Ausritte und Galopps); langfristig hilft jedwede Arbeit an der Rittigkeit (= Pferd lässt Reiterhilfen durch den Pferdekörper, statt sich darauf zu stützen).

Putzen und Satteln am Hänger ist für Fortgeschrittene. Heu machts erträglich
Wiesentau am 18.10.2020 in Baden-Baden

Sehr hilfreich: International ist es im Rennsport üblich, beim Durchparieren zu pfeifen.

Und noch ein persönlicher Tipp: Nehmen Sie für die ersten Ausritte ein braves Führpferd mit (sofern Ihr Rennpferd im Lot gut händelbar war, nicht bei allen Pferden der Fall) und briefen Sie den Reiter sehr gründlich, was Sie von ihn/r erwarten. Ein Pferd von der Bahn ist in der Regel einfach deutlich elektrischer und deutlich schneller als ein normales Reitpferd. Normalerweise kommen diese Pferde aus jahrelangem Profi-Beritt und sind tadellos erzogen, doch ein unbedachter Mit- Reiter kann Sie und Ihr Pferd in wirkliche Gefahr bringen. Ich habe über die Jahre viele unangenehme Situationen im Gelände erlebt. Den Vogel schoss meine Begleitung ab, als ich auf einem Headshaker und Zunge
Wegzieger ruhig canterte und sie kam unangekündigt im gestreckten Galopp von hinten und schrie: “Komm, lassen wir die Jungs mal gehen!” Na, gute Nacht!!!

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Janina Beckmann
Janina Beckmannhttps://www.expertenmarketing-muenchen.de/
Unsere Autorin Janina Beckmann war lange Jahre als Sportjournalistin und später als PR Beraterin tätig, ehe sie eine eigene PR Agentur in München gründete. Ihre Leidenschaft für Vollblutpferde führte sie über die englischen und irischen Rennbahnen auf die Galopprennbahn Riem. Heute ist sie in der Vielseitigkeit aktiv.

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