Erinnert ihr euch nach an diesen unwirklichen Moment? Als ihr zum ersten Mal gehört habt: Corona kommt und Deutschland macht dicht. Öhm … Als Großstadt-Bewohnerin hatte mich meine kleine Wohnung bis dato nie gestört: Wohnungs-Suche in München ist gelinde gesagt ein Alptraum und wo ich tagsüber eh nie zuhause war …
Die Aussicht, mit einem jungen, hoch motivierten Hund Oskar ggf. Wochen (oder Monate?) in meiner Winz-Wohnung eingesperrt zu sein, fand ich alles andere als lustig. Wirklich Stress bekam ich jedoch, als sich mein Reitstall für den Lockdown rüstete. Denn mein Pubertier hatte trotz dezidiertem Trainingsplan nichts als Unsinn im Kopf, arbeitete sich in der Rangordnung nach oben, turnte auf dem einen Herdenkollegen, biss den nächsten und fing regelmäßig Schlägereien an … aus denen der empfindliche Vollblut-Fuchs Duke natürlich als einziger lädiert hervorging. Und diesen Bruchpiloten sollte ich jetzt auf unbestimmte Zeit alleine lassen?
Duke zur Springstunde bei Bodo Battenberg
Ein Rennpferd steht im Wald
Nachdem die ersten Corona-Schutzmaßnahmen ohne lange Vorwarnung angelaufen waren, graute mir vor der Rede der Kanzlerin. Macht sie Deutschland dicht? Hausarrest? Stallverbot? In dieser Situation war ich unendlich dankbar, einen Plan B in der Tasche zu haben: denn meinen Eltern gehört ein hübsches Jagdhaus, ziemlich abgelegen in den westfälischen Wäldern. Und so packte ich Pferd und Hund ein und fuhr von München aus Richtung NRW: Zum Jägerhof.
Der Standortwechsel brachte Duke so gar nicht aus der Fassung: So lange es genug zu essen gibt, ist er diesbezüglich ja ziemlich pflegeleicht. Wie man ein Pferd in den ersten Corona-Wochen arbeiten kann/darf/soll, wurde ja heiß diskutiert (s. Auch den Artikel “Sportpferde in Zeiten zu Corona”): Ich für meinen Teil wollte (auch nach Rücksprache mit dem Tierazt) ein auftrainiertes und startfertiges Buschpferd nicht über Nacht auf null runterfahren.
In München wurde man bei jedem Schritt argwöhnig beobachtet und immer wieder kam ungefragt der Kommentar, ein bisschen longieren würde einem Pferd ja reichen (alleine logistisch eine ziemlich dusselige Aussage: Wie sollen in einem großen Reitstall 50 Pferde und mehr pro Tag longiert werden?). Selbst eine Hundebesitzerin wies mich während ihres Spaziergangs sehr aggressiv darauf hin, dass ein Pferd in diesen Tagen doch gefälligst in der Halle bleiben könne.
Am Jägerhof konnte ich hingegen unbemerkt im nächsten Wald verschwinden und mein Pferd unbeobachtet und unkommentiert ein bisschen bewegen. Das mit dem “Abtrainieren” lief nicht ganz so gut, wie geplant. Denn bei den lockeren Ausritten im Bergischen Land und dem stetigen hoch und runter hat Duke fröhlich aufgebaut.
Von Moral-Aposteln und Corona-Ferien
Ich weiß, dass unser Gang ins Exil – den ich damals nicht groß kommunizierte – manch einen schrägen Blick nach sich zog. Doch rückblickend bin ich unendlich froh, dass ich diesen Schritt machen konnte und ihn auch gewagt habe. Raus aus der angespannten Enge der Großstadt. Entspannt mein Pferd versorgen. Entspannt mit meinem Hund Gassi gehen. Daheim am Rechner ranklotzen und das stockende Geschäft wieder in Gang bringen. Und den Corona-Irrsinn nur in den Nachrichten, statt live aus nächster Nähe zu verfolgen.
Erst als sich die Lage entspannte, fuhren Oskar, Duke und ich zurück in die wirkliche Welt: Heim nach München. Es folgten noch einige höchst unlustige Wochen, ehe sich die Lage plötzlich unwirklich schnell wieder normalisierte. Oder bin ich die einzige, der es so ging?
Die Lockerung kam gerade (noch?) rechtzeitig: Denn die Nerven lagen ziemlich blank und die Stimmen wurden von Tag zu Tag schriller. Hut ab vor den Nachbarländern, die den Zustand des Lock Down deutlich härter und deutlich länger ertragen mussten.
Neustart: Auch im Busch geht’s wieder los
Leider hatte ich die 2 Tage verpasst, in denen Bayern vorweg geprescht war und Amateur Reitern wieder professionellen Reitunterricht erlaubte: Ein durchaus sinnvoller Schritt im Sinne von Mensch und Tier. Leider hatten sich die Golfer benachteiligt gesehen und weil man ein Pferd ja so gut mit einem Golfschläger vergleich kann, ruderte der Verband brav wieder zurück.
Einige Wochen später ging es dann aber wieder los: Umstellung von Notversorgung auf Training. Reitunterricht wurde wieder erlaubt und kurz nach den ersten Galopprennen zeichneten sich auch die ersten Reitturniere ab. Fürs erste Geländetraining fuhr ich mit Duke aufs Gestüt Irschenberg und nutzte einen der wenigen Lichtblicke von Corona: Der Deutsche Top-Buschreiter Andreas Ostholt – u.a. Leiter der Sporthochschule der Bundeswehr – hatte in Ermangelung von Turnieren auch im Sommer mal Zeit für ein Training.
In der Folgewoche besuchte ich die bayerische Amazone Sophie Grieger auf der Geländestrecke in Mertingen. Duke ist inzwischen ein ziemlicher Brocken geworden und braucht sicherlich noch Zeit und Training, bis er seinen Körper optimal im Griff hat. Aber ich habe ja keinen Stress. Auf der Geländestrecke begeistert er schon jetzt mit seinem Kampfgeist und einer grundehrlichen Einstellung: offene Gräben werden genauso wenig angeschaut, wie ein bunter Ententeich aus Plastik.
Duke beim Geländetraining in Mertingen
Unsere weitere Planung für dieses Jahr? Das hängt vor allem vom Pferd und auch von Corona ab. Als nächsten Halt habe ich diesen Sonntag eine kleine Spingpferdeprüfung für Youngster (da darf man vorher reinreiten und dem Pferd die Sprünge zeigen) auf der Agenda und nächste Woche wahlweise Geländepferde oder wir gehen die Dressurreiter erschrecken😛. Danach gibt’s wieder eine Koppel-Gassi-Wellness-Pause, in der wir weiterschauen.