Gesund und fit im Sattel: Ein Ziel, das Hobby- und Berufsreiter teilen. Ich sprach mit Vielseitigkeitsreiter und Sportmediziner Dr. med Wolf-Dieter Eckl sowie Marcel Andrä, dem Sportwissenschaftler und Fitness Coach von DressurFit, über ReitSPORT, sinnvolle Trainingspläne für eingerostete Büro-Hengste, sinnvollen Ausgleichsport, gezieltes Ausdauertraining und klassische Problemzonen der Profis.
Welche Muskelgruppen werden beim Reiten vor allem gebraucht?
Dr. med Wolf-Dieter Eckl: Es werden beim Reiten fast alle Muskelgruppen beansprucht, vor allem Bauch- und Rücken-Muskulatur. Viele Orthopäden oder auch Neurologen empfehlen Reiten sogar als Sport bei Schäden im Bereich des Rückens, Bandscheibenvorfällen usw. Wobei diese Empfehlung etwas problematisch ist bzw. nur für Pferde gilt, die vor allem im Trab wenig Schwung haben und gut zu sitzen sind.
Welche Schritte empfehlen Sie Reitern, die nach einer Pause zurück in den Sattel möchten?
Marcel Andrä: Generell ist es sinnvoll mit einem Test anzufangen, um zu Beginn des Aufbautrainings den Ist-Zustand zu ermitteln und dann ganz gezielt trainieren zu können und die Trainingsmaßnahmen auch überprüfen zu können. Wie bei einem Zahnrad-Getriebe, funktioniert auch unser Körper am besten, wenn wir gezielt unsere Schwachstellen verbessern.
Unfit in den Sattel steigen: Wie stehen Sie zu dem Thema?
Marcel Andrä: Die Erkenntnis “unfit” zu sein, ist schon einmal ein erster wichtiger Schritt. Ich rate jedem sehr verantwortungsvoll mit sich, seinem Körper und seinem Pferd umzugehen. Die Reitzeiten und Herausforderungen sollten den körperlichen Anforderungen entsprechend angepasst werden. Und dann gilt es natürlich, Schritt für Schritt auch am Boden seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, die Beweglichkeit und Stabilität zu verbessern, nicht zuletzt auch um die eigene Verletzungsgefahr und die des Pferdes zu minimieren.
Können Sie grob skizzieren, wie Sie das Aufbautraining in den ersten Wochen gestalten würden? Ausdauer? Beweglichkeit? Krafttraining?
Marcel Andrä: Allgemein lässt sich dazu keine sehr gute Aussage treffen. Nach einem Test lassen sich leistungslimitierende Faktoren herausarbeiten. Diese können dann kategorisiert und in eine für Reiter spezifische Hierarchie gebracht werden. Sprich, es kommt wirklich auf den Einzelfall an und darauf, wo der größte Verbesserungsbedarf besteht. Ist jemand von Natur aus sehr beweglich, aber eher instabil, muss diese Person nicht auch noch den Schwerpunkt auf Mobilitätstraining legen. Natürlich gibt es bestimmte Themen und Bereiche, die für Reiter besonders wichtig sind, z.B. genügend Rumpfstabilität, Beweglichkeit in den Hüftgelenken und möglichst geringe Seitenunterschiede.
Je schneller wir Dysbalancen und Defizite abbauen, desto schneller werden Verbesserung beim Reiten sichtbar und eine präventive Auswirkung erzielen wir ebenfalls, so dass der Reitsport möglichst lange auf hohem Niveau durchgeführt werden kann. Beim DressurFit® Programm starten wir deshalb mit einem Test, der individuelle Stärken und Schwächen analysiert, um dann mit entsprechenden Korrekturübungen eine optimalen Trainingseinstige zu bieten.
Wie oft und welchen Ausgleichsport empfehlen Sie neben der Reiterei?
Dr. med Wolf-Dieter Eckl: Idealerweise sollte man Reiten kombinieren mit Schwimmen, vor allem Rückenschwimmen und Kraulen. Zur Stärkung des Rückens eignen sich auch die sogenannten Rücken-Straßen im Fitnessstudio. Wichtig ist auch das Thema Dehnung. Wer im Gleichgewicht und im Pferd sitzen möchte, braucht ein gutes Bewegungsausmaß der Gliedmaßen und Gelenke: vor allem Hüfte, Knie, Sprunggelenke und Schultergelenke. Auch die Muskulatur muss gedehnt und beweglich sein: Wer zum Klemmsitz neigt, muss beispielsweise die Adduktoren besser dehnen. Regelmäßig Yoga oder Dehnübungen halte ich für sehr sinnvoll.
“Wenn du schief und krumm auf dem Pferd sitzt, wird dein Pferd irgendwann auch schief werden.”
Marcel Andrä: Das Dranbleiben stellt oft die größte Hürde dar, deshalb kann es sinnvoll sein, die Trainingseinheiten zu “portionieren” und lieber kürzere Einheiten mehrmals in der Woche zu machen. Der Vorteil hiervon ist außerdem, dass man eine Sport-Routine entwickelt, die Intensität nicht zu hoch ist und die Regenerationszeit nicht ganz so lange ist. Mit anderen Worten, der gemeine Muskelkater fällt aus oder hält sich zumindest in Grenzen. Sport soll schließlich auch Spaß machen. Funktionelles Training und gezielte Übungen, die die Bereiche verbessern, die wir beim Reiten brauchen und außerdem Ausgleich schaffen sind optimal. Ansonsten sind Sportarten, die den ganzen Körper trainieren, zur Gesunderhaltung beitragen und nicht eine Seite stärker belasten als die andere sinnvoll.
Welchen Ausdauersport empfehlen Sie sportlich ambitionierten Reitern?
Dr. med Wolf-Dieter Eckl: Wer Ausdauersport machen will um Gewicht zu verlieren, muss über 40 Minuten je Einheit trainieren. Die Herzfrequenz sollte dabei nicht über 130 gehen. Wichtig ist, dass
der Sport nicht weh tut. Wenn man beim Laufen noch mit dem Partner reden kann, dürfte der Puls in einem guten Bereich liegen.
Mit steigendem Alter ist Laufen dann nicht mehr gut, weil es Knie, Sprunggelenke und Rücken belastet. Dann ist Schwimmen oder ein Spinning Bike sinnvoller. Wobei Radfahren für Reiter wieder einen Nachteil hat: Die Waden werden dicker und man “wächst” leicht aus seinen Reitstiefeln.
Welche Strukturen des Körpers werden beim Reitsport stark belastet und ggf. auch verschlissen? Kann man dem irgendwie vorbeugen?
Dr. Wolfgang Eckel: Klassische Problemzonen bei Berufsreitern sind Schulter, Nacken, Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule, vor allem nach traumatischen Verletzungen (= Stürzen). Diese Verletzungen sind gefährlich und langwierig. Als Stabsarzt an der Sporthochschule der Bundeswehr habe ich 90er Jahren angefangen, beim Training der Spitzen-Sportler Krankengymnasten einzusetzen. Bis dahin war das übliche Training: Wir gehen jetzt 15 Kilometer laufen! Wir schwimmen jetzt 1 Stunde! Ich habe dann Spezialisten für Muskeln und Gelenke, also Krankengymnasten, an Bord geholt, die die individuellen Baustellen der Spitzen-Sportler erkennen und gezielte Trainingspläne dafür bzw. dagegen entwickeln.
Ihre Meinung zu: Helm? Weste? Airbag?
Dr. med Wolf-Dieter Eckl: Ich bin der Meinung, dass Helm, Weste und auch Airbag in unserem Sport unverzichtbar ist!