Als langjähriger Rennkommentator in München und St. Moritz und bei verschiedenen TV-Sendern ist Michael Luxenburgers Stimme vielen Turffreunden bestens bekannt. Doch wie kam der Münchener, der den Rennsport und das Wetten so liebt, überhaupt zu den Pferden und seinen Jobs?
Exklusiv im Galopp+Insider auf dem RaceBets-Blog gibt Michael Luxenburger einen detaillierten Einblick in sein Leben.
„Meine Beziehung zum Rennsport verdanke ich einem Kolbenfresser. Der hatte den Motor meines VW gekillt – das war dieser potthässliche Nachbau des Buckel-Volvo, auch Neckermann-Ferrari genannt. Ich brauchte aber dringend ein Auto, deshalb besorgte ich mir einen Kredit bei der Bank über 3.000 Mark – für einen Studenten in den 70er Jahren eine Menge Geld. Schon am nächsten Tag machte ich mir Sorgen wegen der Schulden, und erinnerte mich daran, dass mir mein Schulfreund Peter Mayer – leider so früh verstorbener Mann der Münchner Trainerin Jutta Mayer – mal gesagt hatte, dass er in München-Riem am Block-Stall Rennpferde trainieren würde und dass ich doch mal dort vorbeikommen und ein bisschen Geld mitnehmen sollte. Auf der Rennbahn könnte man wetten und mit etwas Glück ordentlich gewinnen. Es war der Tag des Bayerischen Zuchtrennens. Nach ein paar verlorenen Sieg-Wetten hatte ich noch 2,50 DM, und die investierte ich in eine blanke Dreierwette im Hauptrennen: Aprilius – Whip It Quick – Robby. Und genau so liefen sie ein. Die Bahn war tief, die Abstände groß, 200 Meter vor dem Ziel konnte nichts mehr passieren. 3.200 Mark lautete mein Gewinn. Fünf Tage nach dem ersten Besuch in der Bank war ich wieder da und zahlte den Kredit zurück. Da hängst du natürlich am Haken, und es blieb in den folgenden 45 Jahren nicht bei dieser einen Wette.
Beruflich schlug ich aber dann einen seriösen Weg ein und brachte es zügig bis zum Leitenden Redakteur bei der Zeitungsgruppe Münchner Merkur – schließlich hatte ich eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Meine drei Töchter haben mir mittlerweile vier Enkelkinder beschert. Die waren alle schon auf der Rennbahn – logisch.
Da ich Wassermann bin und als solcher ziemlich umtriebig, ging ich abends nach der Redaktion dreimal die Woche noch auf Konzerte und schrieb Kritiken für die Boulevardzeitung tz, die in unserem Verlag erscheint. Das hört sich jetzt toll an, und jeder denkt sicher an die Rolling Stones, U2 oder AC/DC. Mit denen hatte ich glücklicherweise mehrfach das Vergnügen, aber ich musste auch insgesamt achtmal in ein Konzert von Chris DeBurgh – da hört der Spaß dann auf, zumindest für mich.
Neben regelmäßigen Besuchen zuhause auf der Riemer Bahn bin ich auch viele Jahre lang immer zu den Meetings nach Iffezheim gefahren. Das vor allem auch, weil ich ein großer Fan von Manfred Chapman war und bin. Auch wenn er mal ein Pferd verwechselte – sein Vortrag und seine Stimme waren einzigartig. Der bekam das Publikum immer sofort in den Griff. Genauso gerne höre ich heute den englischen Rennkommentator Ian Bartlett – aus dem selben Grund. Ich finde es eh eine unglaubliche Leistung, bei Royal Ascot ein 1000-Meter-Rennen mit 26 Startern zu kommentieren. Die Jungs in England können das perfekt, egal ob Richard Hoiles oder Mark Johnson, um nur einige zu nennen. Damals wollte ich nur eines – auch Rennen kommentieren.
Die Anfänge waren ziemlich abenteuerlich: Mit einem selbst gebastelten Übertragungsgerät kommentierte ich vom Dach der damaligen Clubtribüne (das waren noch Zeiten, als an den Tischen vorne am Geläuf bei guter Küche und toller Stimmung das große Get Together stattfand) für den Münchner Privatsender Radio Gong via Telefon die Rennen, in denen Münchner Pferde liefen. Das gefiel nicht allen, es war ja schließlich unkonventionell. Doch ich hatte im Iffezheimer Hausherren einen großen Fürsprecher: „Der bleibt da oben“, verfügte Carl-Friedrich Fürst zu Öettingen-Wallerstein.
Als der damalige Rennkommentator in München-Riem, Ernst Epner, aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, erinnerte man sich beim Rennverein an den Radio-Reporter und gab mir den Job, den ich mir ein paar Jahre später mit Nicolaus von Miltitz teilte, der ihn dann schließlich ganz übernahm. Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Einsätze hoch oben im Kabäuschen auf der Tribüne. Es war schrecklich. Ich hatte Todesangst. Normalerweise schrecke ich vor keiner Herausforderung zurück, aber da dachte ich – nein, das gibst du gleich wieder auf. Ich hatte ein grottenschlechtes Fernglas, durch das ich auch wegen der zitternden Hände kaum etwas erkannte. Ich weiß noch, dass ich am ersten Tag ein im Schlussbogen angehaltenes Pferd noch Mitte der Zielgeraden sang. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Nächste Station waren dann Engagements als Moderator der Telewette auf ntv, die mir der damalige Direktoriums-Pressesprecher Peter Brauer verschafft hatte. Auf meinen Einwand, ich hätte sowas noch nie gemacht, meinte er nur: „Luxi, du kannst das.“ Beim ersten Mal, es war in Frankfurt, war ich so aufgeregt, dass ich nach zwei Jahren nikotinfrei zum Zigarettenautomaten geschlichen bin, um mir eine Packung Marlboro zu ziehen. Aber es ging alles gut. Und da ich wiederkommen durfte, scheint es so übel nicht gewesen zu sein.
Es folgten tolle Jahre als Rennkommentator und Eventmoderator beim White Turf in St. Moritz, wofür ich mir wieder etwas Schwieriges vorgenommen hatte: simultan in deutsch, englisch und italienisch zu kommentieren. Schließlich war das Publikum ja sehr international. Da oben manchmal im Schneetreiben bei minus 15 Grad bei katastrophalen Sichtverhältnissen dreisprachig Rennen zu kommentieren – das hatte schon was. Manchmal etwas holprig, aber es war etwas Besonderes, und das passte ins auf Internationalität ausgerichtete Konzept des damaligen CEO Ruedi Fopp, dem ich den Job zu verdanken hatte. Ein Mann mit Mut zum Unkonventionellen und mit Visionen, die er auch umsetzte und damals dem Event zu Weltgeltung verhalf.
Dank White Turf kam ich auch zu einem Einsatz, auf den ich heute noch stolz bin: Ein Rennen in Newmarket kommentieren – in drei Sprachen. Doch fast hätte es nicht geklappt. Am Renntag eröffnete mir der Chef von Racing UK, dass der Auftritt gestrichen sei: Man könne es den Leuten in Englands Wettbuden nicht zumuten, dass da ein Rennkommentar teilweise auf Deutsch gemacht würde. OK. Ich ging dann gleich in den Rous Room des Jockey Club zum Feiern, der Champagner floss in Strömen. 15 Minuten vor besagtem Rennen kam der Mann von Racing UK freudestrahlend zu mir: „Michael, we found a way! Get yourself ready!“ Ian Bartlett kommentierte für die Wettbuden, ich auf der Bahn. Dass mein Auftritt in Ordnung war und danach mit einer Standing Ovation der Rennbahnbesucher am Führring gefeiert wurde, lag sicher am Champagner.
Es folgten tolle Jahre beim Rennsport-TV-Sender Premiere Win und später bei Equi 8, wo mir besonders die Sendung „Luxi’s British Afternoon“ mit Rennen aus Großbritannien viel Spaß machte. Leider waren die Wettumsätze nicht wirklich prickelnd, so dass Equi 8 eingestellt wurde. Aber gerade das Format von Premiere Win zeigte, dass man sehr wohl Rennsport gut präsentieren kann – wenn man denn nur will. Wichtig ist auch hier der Unterhaltungsfaktor – und dass man Moderatoren hat, die polarisieren. Bestes Beispiel dafür ist der krasse Niedergang in Sachen Zuschauerzahlen der Rennsportsendungen des englischen Senders Channel 4. Als man die populären und für jeden Unsinn zu habenden Köpfe wie „Big Mac“ John McCririck, Mike „The Cat“ Cattermole oder Derek „Tommo“ Thompson rausgeschmissen und durch eher farbloses jüngeres Personal ersetzt hatte, ging es rapide bergab. Mittlerweile hat aber das Internet ja sowieso dem Fernsehen den Rang abgelaufen. Man muss es halt nur richtig und nach den Regeln der Unterhaltungsindustrie nutzen. Mit Kreativität, Mut und Phantasie.
Meine Lieblingsrennbahnen sind in England Cheltenham und Newbury. Das Cheltenham Festival sieht mich seit 25 Jahren regelmäßig. Für mich ist das weltweit die bestorganisierte Veranstaltung im Rennsport. Dort treffe ich auch immer Christian von der Recke, der ein ebenso begeisterter Fan dieses Events ist. Von der Atmosphäre her großartig ist auch Happy Valley in Hong Kong. Dort macht CEO Winfried Engelbrecht-Bresges mit viel Weitblick und Tatkraft einen tollen Job. Er hatte frühzeitig die Bedeutung des Internet erkannt. Mittlerweile gehen 60 Prozent des Umsatzes über die Wett-App des Hong Kong Jockey Club. „Wenn man die jungen Leute bekommen will, muss man ihre Sprache sprechen und verstehen, wie sie kommunizieren“, sagt Engelbrecht-Bresges. Die Apps des HKJC bieten deshalb dermaßen viele auf den jungen Internet-User zugeschnittene Informationen und Funktionen, die könnten sogar als Computerspiel durchgehen. Diese Denke hat sicher auch dazu beigetragen, dass der Tagesumsatz an großen Renntagen in Happy Valley oder Sha Tin das Fünffache des Jahresumsatzes aller deutschen Galopprennbahnen im Jahr 2017 beträgt. Das gibt einem schon zu denken, auch dass die Besitzer auf englischen Bahnen oder in Hong Kong deutlich mehr Gastfreundschaft erfahren als andernorts.
Meines Erachtens muss man sich in Deutschland von der Vorstellung verabschieden, den Rennbetrieb durch den Totoumsatz aufrecht erhalten zu können. Der Zug ist längst abgefahren. Stattdessen sollte man sich besser um Sponsoren bemühen. Die bekommt man, wenn die Bahnen voll sind. Die Zuschauer muss man mit gutem und preiswertem Essen, anständigen sanitären Anlagen und unterhaltsamen Events anlocken. Das sind die Basics, ohne die es nicht geht. Denn wenn ein neuer Besucher zum Einstand gleich enttäuscht wird, kommt er nie wieder und erzählt seine schlechten Erfahrungen auch in seinem Freundeskreis.
Ein paar hübsche Giveaways sind auch nicht verkehrt. Als in Riem der Großbäcker Müller-Brot sich von der Sponsorship zurückziehen musste und es keine Brezen und harte Eier mehr umsonst gab, ging die Besucherzahl dieses Renntags schlagartig zurück. Kommen die Leute, wird das auch in den Medien abgebildet. Das wiederum gefällt den Sponsoren. Dem Neubesucher einer Rennbahn ist es doch erst mal egal, ob da ein Gruppe 1-Rennen oder ein Ausgleich IV stattfindet. Er will Pferde laufen sehen, Spaß haben, sehen und gesehen werden. Das Interesse für den Rennsport kommt dann ganz von alleine. Warum war der Match Race Cup in Hoppegarten so ein großer Erfolg, auch medial? Weil er gut verkauft wurde, weil er etwas Besonders und auch für den Nicht-Rennsportfan greifbar war, weil das Drumherum gepasst hat. Mit solchen Aktionen bringt man Leute auf die Bahn. Auch junge. In Berlin macht man da sowieso gute Arbeit, auch in Hannover. Der Rennsport muss aus seiner Komfortzone herausgeführt werden, die längst keine mehr ist.
Als Wetterfolge wären zu erwähnen: als Teil einer Vierergruppe zweimal eine Monatswertung bei der englischen Ten To Follow mit je 10.000 Pfund und ein sehr fetter Placepot in Haydock. Da ich ein Fan des Jockeys Alan Munro bin, packte ich damals alle seine Ritte rein, und er war jedes Mal mit großen Außenseitern platziert. Ich muss gestehen, dass ich mittlerweile vorwiegend in England wette – viel in den Toto, der an großen Renntagen Topquoten liefert.
Neben eher überschaubaren Erfolgen als Mitglied eines Züchtertrios (mit Andrea und Harald Schneider) – bestes Pferd ist der in den Farben unseres Stalls Englischer Garten gelaufene Marcelli – verdanke ich meine schönsten Momente als Mitbesitzer der großartigen Shaqira, die eine Erfolgsserie vom Sieglosenrennen bis zum Listen-Erfolg im Nereide Rennen hinlegte. Peter Brauer hatte die von Hamdan Al Maktoum gezüchtete Redoutes Choice-Tochter aus einer Darshaan-Mutter für uns für wenig Geld in Newmarket ersteigert. In den Farben des achtköpfigen Munich Syndicate wurde sie zum Star der Rennbahn Riem. Ein Star war dort auch unser braver Handicapper San Siro.
Sowas braucht der Rennsport: Stars. Zwei- und vierbeinige. Die Leute wollen sich mit etwas identifizieren, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Jippi Carvalho war so ein Sympathieträger (und ist es auch heute als Trainer), auch Filip Minarik weiß die Leute zu begeistern.
Mein anderes großes Hobby ist das Rennrad-Fahren, besonders gerne in den italienischen Abruzzen. Nicht nur in meinem vorgerückten Alter ist es nicht verkehrt, wenn man regelmäßig Ausdauersport treibt. Und das Gefühl, mit einer guten Rennmaschine durch die Natur zu fahren, speziell in den Bergen, ist unvergleichlich gut. Vielleicht sogar so schön wie Rennen reiten.
Derzeit bin ich journalistisch als Freelancer unter anderem für Münchner Merkur, Sport-Welt und Vollblut tätig. Und dann arbeite ich noch an einem Herzensprojekt: Ein Buch über die Erlebnisse auf meinen Reisen zu internationalen Rennen, von Cheltenham bis Hong Kong. Die habe ich fast alle mit dem Fotografen Lajos Balogh (Turfstock.com) gemacht, der die Bilder dazu liefert. Wer uns kennt, der weiß, dass das bestimmt nicht langweilig wird.“
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