Insider-Talk mit Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: „Müssen Marktanteile zurückgewinnen“

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Beim großen Renntag um den Junioren-Preis in Düsseldorf waren er und seine Familie einmal mehr als Sponsor eines Rennens aktiv, selbst ist Dr. Alexander Bethke-Jaenicke erfolgreicher Unternehmer, Besitzer und Züchter von Rennpferden und im Vorstand des Reiter- und Rennvereins der NRW-Landeshauptstadt. Gründe genug für ein Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog.

Wie wurde bei Ihnen die Leidenschaft für den Galopprennsport geweckt? Gab es familiäre Hintergründe? Was begeistert Sie an diesem Metier?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Der Ausgangspunkt für mein Interesse am Galoppsport hat einen Namen: Dr. Thomas Bretzger – im Turf auch gut bekannt als Stall TMB. Wir haben uns vor Jahren rein beruflich über diverse gemeinsame Projekte in Banken kennengelernt, in denen Thomas im Management-Board aktiv war. Er hat meine Familie und mich eines Tages auf die Rennbahn eingeladen. Und wir waren von der ersten Sekunde an fasziniert: Vom Englischen Vollblut an sich und der ausgeprägten Dynamik des gesamten Sports. Von da an war primär meine Frau Kerstin die treibende Kraft – und dann ging es ganz schnell: Unser erstes Pferd war eine dunkelbraune Stute, hieß POOLPARTY, wurde von Ralf Rohne in Düsseldorf trainiert und war direkt bei ihrem zweiten Start in einem Listenrennen in Mailand platziert. Noch viel wichtiger ist aber: Thomas, seine Frau Karin, meine Frau und ich sind durch den Galoppsport heute eng befreundet und hatten schon viele tolle Erlebnisse – auf Rennbahnen, aber auch davon unabhängig.

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Die Besitzer von Poolparty nach dem Sieg
Die Besitzer von Poolparty nach dem Sieg am 23.04.2016 in Mülheim

„Gerade die Sparkassen sind verlässliche Sponsoren“

Wie lässt sich der Rennsport mit ihrem Hauptberuf als Unternehmensberater im Finanzsektor verbinden?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Gut würde ich sagen. Wir unterhalten auf der Rennbahn in Düsseldorf eine kleine Loge, in die ich regelmäßig Freunde auch aus meinem beruflichen Umfeld einladen darf, um mit ihnen die Faszination Galoppsport live zu erleben. Auch konnte ich meine beruflichen Kontakte zu Banken durchaus schon nutzen, um Unterstützer für den Galoppsport zu gewinnen. Gerade die Sparkassen sind verlässliche Sponsoren und für viele Rennbahnen wichtige Partner, wenn ich z.B. hier in unserer Region an die Institute in Düsseldorf, Köln, Dortmund oder Krefeld denke. Hier kenne ich die Vorstandsvorsitzenden gut, schätze sie sehr und stehe mit ihnen auch regelmäßig im Austausch zu verschiedenen Themen – auch zum Galoppsport. Auch beim Kontakt zum Bankhaus Donner & Reuschel, das in diesem Jahr als Sponsor von „200 Jahre Deutscher Galopp“ ein großartiges Programm auf die Beine gestellt hat, konnte ich sicher etwas mithelfen.

Wie ist das Interesse bei Kollegen oder Freunden aus der Geschäftswelt, wenn Sie vom Turf berichten?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Ich erlebe ausschließlich positive Resonanz. Man muss den Sport natürlich erklären. Also den gesamten Prozess: Von der systematischen Anpaarung, über die Aufzucht der Fohlen im Gestüt, die Zeit in der Herde auf der Koppel als Jährling, den Verkaufsprozess bei der Auktion, den jahrelangen und behutsamen Lern- und Trainingsprozess bis hin zum ersten sorgfältig ausgewählten Start auf der Rennbahn. Das beeindruckt. Vor allem die Liebe, Geduld und Fürsorge, mit der alle Beteiligten zu Werke gehen. Und Sie wissen ja: Das Ganze hat für Besitzerinnen und Besitzer ja letztlich keine kommerzielle Seite. Ganz im Gegenteil: Es ist purer Enthusiasmus, pure Tierliebe. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Aber das, genau das ist für mich gelebter Tierschutz. Und wenn man es so erklärt, wird es akzeptiert und löst Respekt aus.

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke
Dr. Alexander Bethke-Jaenicke

Wie erleben Sie die allgegenwärtige Diskussion zum Tierschutz?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Der Tierschutz ist Schlüsselaufgabe im Galoppsport. Es gibt dazu keine Alternative. Aber aus meiner Sicht sprechen die Protagonisten hier zu sehr aneinander vorbei, anstatt gemeinsam ein Ziel zu verfolgen. Ich mache ein Beispiel: Wer den Rennsport in Deutschland verbieten will, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit die Existenz der Pferderasse „Englisches Vollblut“ bewusst aufs Spiel setzt. Denn die Zucht von Vollblütern, die sich laut Gesetz in Zuchtprüfungen beweisen sollen, macht ohne diese Zuchtprüfungen nur wenig Sinn. Ich denke aber nicht, dass die Ausrottung des Vollblutes im Interesse des Tierschutzes liegen kann. Gleiches gilt für die gegen den Sport geführten Image-Kampagnen. Deren Resultat ist offenkundig: Man entzieht dem Sport unter dem Strich wichtige Einnahmequellen, wenn z.B. Sponsoren oder Publikum sich abwenden. Auch hier fehlt mir jedes Verständnis, wie man damit einen Beitrag zum Tierwohl leistet? Das Gegenteil ist der Fall, denn es sind genau diese finanziellen Mittel, die den Rennvereinen am Ende für die Instandhaltung von Anlagen, Geläuf, Ställen, Paddocks oder Boxen fehlen. Die Wahrheit ist: Man verschlechtert die Lebensumstände der Pferde – nachweislich.

Was kann man tun, um zu einem konstruktiven Dialog zum Tierschutz zu führen?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Nur Aufklärung kann helfen. Wir als Rennvereine müssen das Thema Tierschutz selbst besetzen und sollten uns der Diskussion proaktiv stellen. Aber bitte mit den Fakten. In den meisten Fällen, die ich erlebe, geht die gesamte Argumentation gegen den Galoppsport von vollkommen fehlerhaften Informationen aus und argumentiert z.B. über die geradezu irrwitzige Vorstellung, dass man Vollblüter besitzt, um damit Geld zu verdienen. Sie wissen selbst, wie unsinnig das ist. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin offen für jede gerechtfertigte Kritik und dankbar, für jeden qualifizierten Hinweis, wie wir den Gesundheitsschutz der Pferde und ihre Lebensumstände weiter verbessern können. Und ich reiche jedem die Hand, der mit uns konstruktiv an einem Strang zieht, um echten Tierschutz zu betreiben. Aber ich bin Lichtjahre davon entfernt mir einreden zu lassen, dass ich als Besitzer und Züchter von Vollblütern gegen das Tierwohl handle.

„Jeder eigene Starter ist ein großartiges Erlebnis“

Was waren bislang Ihre schönen Momente und beste Pferde?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Natürlich erinnere ich mich an verschiedene Siege, z.B. von unserer LOVELETT in St. Moritz, oder an besondere Renntage, z.B. den Start von PRINCE OLIVER im Derby 2020. Er hat dem Rennen ja durchaus seinen Stempel aufgedrückt – bis ca. 500 Meter vor dem Zielpfosten. Aber im Prinzip ist jeder eigene Starter für mich ein großartiges Ereignis. Ich weiß ja, wie viel Arbeit und Planung in jedem Start steckt. Deshalb genieße ich die Renntage sehr: Die Anspannung vor der Start, das oft emotionsgeladene Mitfiebern im Rennen und die Freunde nach dem Rennen, wenn unsere Pferde uns eine gute Leistung geschenkt haben und gesund aus dem Rennen gekommen sind. Ich liebe es. In der Regel erleben wir die Renntage zudem als Familienevent. Auch das ist für mich großartig, weil ich beruflich viel unterwegs bin und die Zeit mit der Familie dann umso mehr genieße. Es ist für mich real quality time mit der Familie.

Prince Oliver
Prince Oliver

Bestimmt gab es aber auch schon Enttäuschungen als Besitzer?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Ja klar, die letzten 500 Meter beim Derby 2020 zum Beispiel. Aber im Ernst: Enttäuscht bin ich eigentlich nur, wenn wir im Management der Pferde suboptimale Entscheidungen treffen, den Pferden ein nicht passendes Rennen aussuchen oder eine falsche Order mit ins Rennen geben. Das Pferd bringt immer die beste Leistung, die es unter den von uns vorgegebenen Rahmenbedingungen zu leisten imstande ist. Deswegen sollte man in Bezug auf die Leistung der Pferde eigentlich nie enttäuscht sein. 

Wie sieht Ihr Engagement im Düsseldorfer Reiter- und Rennverein aus?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke:

Ich habe das Glück, in einem hervorragend aufgestellten Rennverein mitarbeiten zu dürfen. Unser Präsidium mit Peter Endres und Klaus Allofs ist nicht nur weltbekannt, sondern unbestritten auch hoch kompetent. Dazu im Vorstand des Rennvereins z.B. mit Norbert Böhm ein erfahrener Real-Estate- und Vollblut-Profi oder mit Dr. Gregor Bender ein renommierter und international tätiger Rechtsanwalt. Im Aufsichtsrat sitzt mit Albrecht Woeste eine echte Unternehmerpersönlichkeit und gleichzeitig ein maximal großzügiger Förderer des Galoppsports, den man für sein Engagement nur danken kann. Und nicht zuletzt haben wir in der Geschäftsführung mit Andrea Höngesberg eine erfahrene Vermarktungs-Expertin mit bemerkenswertem Netzwerk in Medien, Wirtschaft und Pferdesport, die mit viel Eigenantrieb aktiv ist. Selbst das Team hinter Frau Höngesberg, das wir aktuell im Übrigen noch weiter ausbauen, ist mit hoher Leistungsbereitschaft dabei. Long story short: Die Mitarbeit im Reiter- und Rennverein ist ein großes Vergnügen, sich dort zu engagieren eine ehrenvolle Aufgabe und es macht zudem richtig Spaß. Mit diesem Team würde ich auch jede andere Management-Aufgabe dieser Welt angehen. Aber für die nächsten Jahre haben wir im Rennverein noch viel vor – deshalb konzentrieren wir uns besser erstmal darauf.  

„Eine Premium-Rennbahn sein und bleiben“

Was genau sind die Pläne? Welche Ziele strebt der Rennverein an?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke
Dr. Alexander Bethke-Jaenicke

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke:

Das würde sicher den Rahmen sprengen, aber das Grundprinzip ist m.E. einfach: Ein Rennverein hat verschiedene Geschäftsfelder – also z.B. den Rennbetrieb, den Trainingsbetrieb oder den Eventbetrieb. Im Ergebnis muss es doch unser Mindestanspruch sein, dass alle Geschäftsfelder für sich genommen ein positives Ergebnis zu erwirtschaften imstande sind. Und das alles erfolgt unter der strategischen Nebenbedingung, eine „Premium-Rennbahn“ zu sein und zu bleiben. Wir befassen uns derzeit also mit verschiedenen Ansätzen, wie uns das auf der Zeitachse gelingt bzw. wie wir die guten Entwicklungen der letzten Jahre weiter stabilisiert und vor allem skaliert bekommen. Die Ausgangslage in Düsseldorf ist ja grundsätzlich positiv. Trotzdem müssen auch wir als Rennverein einen umfassenden Transformationsprozess aktiv gestalten, um den Rennverein fit für die Zukunft zu machen. Und diese Zukunft ist vor allem nachhaltig, ökologisch, vernetzt und digital.

Welcher Umsetzungsstatus ist diesbezüglich bereits erreicht?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Sie werden mir vermutlich Recht geben, wenn ich die These wage, dass wir in all diesen Punkten als „Institution Galoppsport“ in Deutschland noch nicht am Ziel sind. In den nächsten fünf Jahren wollen wir die Transformationsaufgabe in Düsseldorf aber annehmen und gemeinsam stemmen. Wir haben einen klaren Plan. Wir wissen, wo wir hin wollen. Und genau dafür setzen sich Aufsichtsrat, Präsidium, Geschäftsführung, Vorstand und alle MitarbeiterInnen des Düsseldorfer Reiter- und Rennvereins geschlossen ein. Und ich freue mich einfach, dass ich hierbei mitwirken darf.

Sie haben einmal gesagt: „Es ist wichtig, dass sich der unser Rennverein nicht nur mit dem Galopp-Sport an sich befasst, sondern sich auch seiner gesellschaftlichen Aufgabe und Verantwortung bewusst ist.“ Was meinten Sie damit, und wie lässt sich das umsetzen?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Mit der Aussage habe ich auf das Sozialprojekt unseres Rennvereins hingewiesen, das mich sehr stolz macht. Hier fördern wir in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ganz bewusst Kinder und Jugendliche, bringen ihnen die Natur und die Tierwelt näher und stärken sie z.B. in Bezug auf ihre kommunikativen Skills und ihren Gemeinschaftssinn – übrigens alles nur über Spenden finanziert. Ganz bewusst stellen wir hierbei Menschen in das Zentrum unserer Anstrengungen, die vielleicht etwas weniger Glück in ihrem Leben hatten als die Mehrheit derer, die im Galoppsport aktiv ist. Ich bin dankbar, dass unser Rennverein und unsere Geschäftsführung sich auch solchen Aufgaben stellt und – auch bzw. gerade auch in schwierigen Zeiten – nicht eindimensional denkt.

Also geht es bei gesellschaftlicher Verantwortung primär um soziales Engagement?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Auch, aber nicht ausschließlich. Man darf oder muss als Rennverein das Thema gesellschaftliche Verantwortung größer denken und darf ruhig selbstbewusst sein: Der Galoppsport an sich hat eine wichtige Funktion in der Gesellschaft, die es zu erhalten gilt: Damit meine ich sowohl die Funktion des Sports als relevanter Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber als auch die Tatsache, dass wir hier ja kein Hobby betreiben, sondern ein Jahrhunderte altes Kulturgut bewahren. Unser aller Engagement für den Galoppsport ist allein schon deshalb sinnstiftend und richtig.

Ihre Pferde sind inzwischen in Düsseldorf bei Sascha Smrczek beheimatet. Was waren die Gründe für den Ortswechsel aus München?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Wir hatten eine tolle Zeit mit Michael Figge und seinem Team in München und haben ja über diverse Besitzergemeinschaften auch weiterhin Pferde in München. Michael hat für uns immer einen großartigen Job gemacht und ich kann jeder Besitzerin und jedem Besitzer mit reinem Gewissen nur empfehlen, Pferde zu Michael Figge zu stellen. Durch meine Funktion im Düsseldorfer Reiter- und Rennverein möchte ich aber natürlich dazu beitragen, die Trainingszentrale vor Ort zu stärken. Die Trainingsbedingungen in Düsseldorf sind schon heute überdurchschnittlich gut. Und wir werden zukünftig auch weiter investieren, um stetig noch besser zu werden. Also ganz klar: Premium-Rennbahn mit Premium-Trainingszentrale.

Wie regelmäßig schauen Sie beim Training vorbei?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Wir sind jetzt wieder viel häufiger im Stall. Tendenz steigend. Genau das war der wichtigste Aspekt für unseren kleinen Pferde-Umzug: Meine Frau, unsere Kinder und ich wollten einfach wieder viel näher bei den Pferden sein. Wir wohnen in Düsseldorf gerade mal fünf Minuten von der Rennbahn am Grafenberg entfernt. Zudem haben wir die solide Arbeit von Sascha Smrczek über Jahre vor Ort eng beobachten können. Er hat sich ein starkes Team aufgebaut, gute Trainingsreiter und Reiterinnen, die auch mit viel Liebe zum Pferd agieren. Das bedeutet uns viel. Und Sascha hat Jahr für Jahr großartige Erfolge. Aus unserer Sicht ist er in vielen Kennzahlen unseres Sports – und Unternehmensberater bilden bekanntlich ganz gern Kennzahlen – ein wahrer Champion. Mit ihm an unserer Seite werden wir also weiter angreifen.

Trainer Sascha Smrczek freut sich Ÿber den Sieg mit Prince Flori  im 36. Grosser Mercedes-Benz-Preis
Trainer Sascha Smrczek freut sich über den Sieg mit Prince Flori im 36. Grosser Mercedes-Benz-Preis Gruppe II am 20.05.2007 in Baden-Baden

Nach welchen Kriterien wählen Sie Pferde vor dem Kauf aus?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Wir kaufen in aller Regel bei Auktionen – zumeist bei der BBAG, aber auch in Irland oder Frankreich. Die Auswahl der Pferde ist bei uns in ersten Linie Familienangelegenheit. Jeder hat seine Methoden bei der Erstellung einer Long List, die wir dann konsolidieren. Sobald die neuen Kataloge online sind bzw. per Post bei uns eingehen, werden diese bei uns also gleich fünffach analysiert – allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Insbesondere meine Frau ist stets sehr engagiert und nutzt verschiedene Verfahren und Algorithmen, die ich hier aber sicher nicht im Detail verraten darf. Nur so viel: Auch IT-Tools wie zum Beispiel G1-Goldmine kommen mittlerweile zum Einsatz, um Pedigrees schneller zu analysieren und zu bewerten. Ganz entscheidend sind für uns aber – um ehrlich zu sein – auch Bilder und Videos von den Tieren und natürlich der Besuch in der Box vor der Auktion. Meine Töchter und ich kommen bei der Auswahl eher lapidar über den Look. Ich mag einfach lieber ein schönes Pferd im Stall.

Aber die Entscheidung über einen Zukauf treffen Sie im Familienrat dann ganz allein?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Ich bin berufsbedingt ja eher affin für Beratung. Deshalb binden wir vor einem Kauf in aller Regel auch immer ein Team von Ärzten, Agenten und Trainern ein, denen wir vertrauen. Ganz allein bestimmen darf ich aber das Limit, also den Betrag, bis zu dem wir mitbieten. Ich habe also doch was zu sagen. Im Übrigen verfolgen wir auch bei uns interessierenden Pferden, die wir am Ende nicht kaufen konnten, regelmäßig deren Karriere als Rennpferd. In dieser „Not-bought“-Statistik liegt ganz klar meine Frau vorne, d.h. die von ihr ausgewählten Pferde wären oftmals eine gute Wahl gewesen. Ehre wem Ehre gebührt.

Ist es richtig, dass Sie mittlerweile auch selbst Pferde züchten?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Ja, das stimmt. Wir haben mit Hilfe unsers Agenten Axel Donnerstag eine Zuchtstute mit dem wundervollen Namen RÉSISTANCE auf einer Auktion in Frankreich gekauft und sie hat uns schon zwei tolle Nachkommen geschenkt: Einen Hengst, jetzt Jährling, von CITY LIGHT und eine Stute, jetzt Fohlen, von PERSIAN KING, an dem wir auch minimal beteiligt sind. Sie sehen: Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Karriere als Züchter und lernen täglich dazu. Die Pferde sind alle in Frankreich beheimatet und werden im Haras du Long Champ bei Barbara Moser professionell betreut und aufgezogen. Sie macht einen tollen Job.

Welche Rolle spielen Pferde und Galopp in Ihrer Familie inzwischen? Gibt es auch Personen, die reiten können?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Nein, niemand in unserer Familie reitet. Meine Frau und ich werden es wohl nicht mehr lernen. Dafür fehlt uns auch ein wenig die Zeit. Mein Sohn Oliver war zwar ziemlich talentiert beim Reiten, aber er hat eine ausgeprägte Pferdehaar-Allergie entwickelt. Er saß dann im Training nach kurzer Zeit mit tränenden Augen auf dem Pferd. Dagegen konnte man nicht ankommen. Meinen Töchtern hat das Reiten ebenso Spaß gemacht, aber am Ende haben sie sich auf dem Tennisplatz deutlich wohler gefühlt. Tennis ist bei uns Familiensport. Ich komme gebürtig aus Heidelberg. Damit bin ich – rein regional bedingt – irgendwo auf Tennisplätzen zwischen Boris Becker und Steffi Graf groß geworden. Das prägt.

Pferderennen in St. Moritz
Pferderennen in St. Moritz

Verbinden Sie gerne Urlaube mit Rennbahnbesuchen? Welche Bahnen würden Sie gerne bald besuchen?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Erstmal haben wir Berlin ganz vorne auf unserer Liste, denn in Berlin sind wir in anderem Kontext regelmäßig, haben es aber noch nie nach Hoppegarten geschafft. Ansonsten haben wir schon viel gesehen: Saint Moritz war toll, aber ziemlich kalt. Da machen meine Töchter nicht nochmal mit. In Schweden war ich nur mit meinem Sohn – unser Trip nach Jägersro bleibt unvergessen. Aber leider hatte unsere Stute absolut keine Chance und war hoffnungslos überfordert. Sehr gut gefallen hat mir persönlich der Curragh in Irland. Die Stimmung und die Party dort auch nach den Rennen sollte Vorbild für uns sein. Dorthin werde ich sicherlich nochmals mit meiner Frau reisen. Und auf jeden Fall werden wir noch Rennbahnen in England besuchen. Vor allem natürlich – ganz klassisch – Ascot

„Wünsche mir zunehmend eine Offensiv-Strategie“

Was würden Sie im deutschen Turf ändern, wenn es Ihnen möglich wäre?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Ich würde mir wünschen, dass wir von der Defensiv-Strategie, die prägend für die letzten Jahre war, wieder zunehmend in eine Offensiv-Strategie kommen. Unser Produkt „Galoppsport“ ist – objektiv betrachtet – deutlich wertiger, als es heute im Markt positioniert ist. Wir können Menschen und Massen begeistern, wenn wir Premium abliefern. Jeder kann das z.B. bei der Diana in Düsseldorf erleben. Es ist phantastisch, was Henkel und der Rennverein hier auf die Beine stellen. Aber in der Breite verkaufen wir unseren Sport noch unter Wert. Jeder Unternehmer weiß zudem, dass er sein Unternehmen nicht gesund aufstellen kann, wenn er es stetig nur in einer Abbauspirale steuert: Im langfristigen Trend immer weniger Pferde, geringere Rennpreise, weniger Besitzerinnen und Besitzer usw. Das ist keine Strategie. Man scheitert allein schon an der immer schlechter werdenden Relation zwischen fixen und variablen Kostenanteilen. Deshalb müssen wir bereit sein, wieder in Wachstum zu investieren.

Klingt alles theoretisch richtig. Aber was genau muss man dafür tun?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke: Umdenken und wieder auf Angriff setzen – oder ganz klassisch: Wir müssen uns anstrengenund Kunden und Marktanteile zurückgewinnen. Es wird keine Geschenke geben. Wir befinden uns mit dem Galoppsport in einem Wettbewerb. Er wird mit anderen Instrumenten geführt, als noch vor 20 oder 30 Jahren. Und diesen Wettbewerb müssen wir annehmen. Dafür sollten wir uns einmal die unbequemen Fragen stellen. Also nicht länger der schönen Vergangenheit nachtrauern und kein „früher war alles besser“ mehr. Keine Ausreden sondern Lösungen finden. Es gibt objektiv keinen für mich akzeptablen Grund, warum der Galoppsport nicht wieder einen höheren Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung haben kann. Und wenn es doch einen geben sollte, dann stellen wir ihn ab. Ein Turn-Around ist nötig und möglich. Wir müssen spürbar daran arbeiten, die Attraktivität für unsere Zielgruppen, unsere Stakeholder – also vor allem Medien, Sponsoren, Städte und Gemeinden, Zuschauende, Besitzerinnen und Besitzer – wieder zu steigern. Dafür müssen wir Prioritäten setzen, übergreifend Fokus entwickeln und die Kräfte bündeln.

Wie meinen Sie das: „Kräfte bündeln“?

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke:

Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob alle Entscheidungsprozesse in den diversen Gremien unseres Sports im Status-Quo ideal aufgegleist sind, um als „Institution Galoppsport“ wirklich nach vorne zu kommen. Gibt es hier das eine klare Zielbild? Die eine klare Strategie? Oder leisten wir uns doch noch zu viele Einzelinteressen? Ich habe die Ausgangslage noch nicht abschließend nachvollzogen und hier fehlen mir auch sicherlich noch Erfahrung und Einblick. Ich arbeite aber daran, die Zusammenhänge noch besser zu verstehen. Aber egal, das wären in Summe doch trotzdem drei gute Wünsche für den Galoppsport: Selbstbewusste Offensiv-Strategie, mutige Investitionsbereitschaft und in den Gremienstrukturen hochgradig professionell und produktiv. Jetzt muss nur noch eine gute Fee kommen. Also, wegen der drei Wünsche, meine ich.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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