Nicht nur die großen Namen sind es, die den Galopprennsport in Deutschland ausmachen, sondern gerade auch die Besitzertrainer, die mit großer Passion ihrem Hobby nachgehen. Dr. Christine Paraknewitz-Kalla bereitet in Brüggen ihre drei eigenen Pferde vor. Der bekannteste Galopper ist Saga Altais, ein früherer Seriensieger auf der Sandbahn. Hier ein Insider-Talk mit ihr.
Die Sandbahnsaison in Dortmund ist in Gange, und Ihr Saga Altais war vor einigen Jahren einer der Protagonisten. Was macht er aktuell? Und sehen wir ihn nochmals auf seinem Lieblingskurs?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Saga Altais geht es gut. Wir haben ihn über den Sommer in leichter Arbeit gehalten. Er sieht super aus und ist bei den Galopps immer hoch motiviert, ein echtes Rennpferd halt. Mit jetzt fast 10 Jahren steht er auf seiner Sand Höchstmarke. Ziemlich frustriert hat uns die deutlich verkürzte Sandbahnsaison. Es sollte Saga´s letzte Wintersaison werden. Er muss sich auf Sand erst wieder runter laufen. Die ersten 2 Renntage hat Saga wegen einer Kleinigkeit verpasst, wir haben uns daher entschlossen, ihn nicht mehr an den Start zu bringen.
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„Wir denken positiv“
Wie fällt Ihre Saisonbilanz mit ihren Pferden aus? Und was erwarten Sie 2024 speziell von Wakey Wakey und Manhattan Queen?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Saga Altais hat neunjährig sein letztes Sandbahnrennen noch gewonnen und auch sonst meist Geld verdient. Wakey Wakey hatte 2023 eine Reihe schöner Platzierungen. Wir hoffen, dass er mit etwas Rennglück auch für uns bald gewinnt. Manhattan Queen hatte einen unglücklichen Saisonverlauf. Bis ins Frühjahr hatte sie mit Wachstum und insbesondere mit Zahnproblemen zu tun. In den Rennen hatte sie dann häufig einfach Pech. Ich reite und trainiere sie sehr gerne, auch von den Reitern gab es trotz eher bescheidener Ergebnisse meist positives Feedback. Sie steht jetzt auf einer Marke, die sie eigentlich können sollte. Mit der neuen Skala ab Januar wird es für sie nicht leichter. Lassen wir uns mal überraschen, wir denken positiv.
Sie sind promovierte Bauingenieurin, betreiben aber seit über 20 Jahren eine Tierheilpraxis. Was bedeutet die Arbeit mit Tieren für Sie im allgemeinen und ganz besonders mit Pferden?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Ich arbeite immer daran, dass Tier und Besitzer eine möglichst lange, gesunde, im Renn- und Reitsportsport natürlich auch erfolgreiche, gemeinsame Zeit haben. In meinem Praxisalltag behandele und betreue ich nicht nur die Tiere. Ein Ohr für die Besitzer und eine ganzheitliche Beratung sind mir wichtig. Vorsorgen ist immer besser als heilen. Ich freue mich, dass viele langjährige Besitzer diesen Ansatz teilen und mich nicht erst rufen, wenn es deutlich zu spät ist.
„Mehr Transparenz herstellen“
An Sie als Expertin: Wie gehen Sie mit Kritik um, die am Rennsport gerade von Organisationen wie PETA geübt wird?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Der Rennsport will und braucht das öffentliche Interesse. Kritik, auch die der PETA, muss man sich zumindest anhören. Bei Leistungsprüfungen, insbesondere denen mit Tieren, ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, die Eignung für diese Prüfung sicherzustellen. Hier gibt es noch Möglichkeiten, mehr Transparenz herzustellen. Auch der Wille und die Regeln, Pferde auch kurzfristig vor dem Rennen noch auszuscheiden, weil sie körperlich oder mental die Voraussetzung nicht erfüllen, müssen neu gedacht werden. Die nachvollziehbaren wirtschaftlichen Interessen der Rennvereine müssen sich aus meiner Sicht klarer dem Tierwohl unterordnen. Transparente und gut kommunizierte Entscheidungen versteht jeder, auch die Wetter. Schlechte Bilder auf unseren Rennbahnen, z.B. auf dem Führring, an der Maschine oder gar mit verletzten Pferden braucht niemand.
„Ein persönliches Anliegen ist mir die reiterliche Ausbildung“
Was sind dringende Aufgaben, die der Sport in Sachen Tierschutz auf den Weg bringen muss? Und wie sehen Sie die aktuelle Situation?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Ich glaube, Deutscher Galopp ist auf dem richtigen Weg, an den Rennställen auch Bewegungsflächen oder Paddocks einzufordern. Natürlich ist es nicht einfach, die regelmäßige Beschickung der Paddocks in den Trainings- und Arbeitsalltag zu integrieren. Die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter ist teilweise jetzt schon sehr hoch. Freie Bewegung bringt immer Risiken mit sich, und auch nicht jedes Pferd ist gleichermaßen vernünftig. Das funktioniert bei unseren Pferden am besten mit Regelmäßigkeit und Routine. Wenn man es mit dem Tierwohl ernst meint, muss man halt mal anfangen.
Ein persönliches Anliegen ist mir die reiterliche Ausbildung und auch Weiterbildung. Gutes und physiologisch gesunderhaltendes Reiten in der Arbeit ist das A&O einer nachhaltigen Ausbildung und des Trainings unserer Pferde. Hier braucht es (lukrative) Anreize/Angebote für Reiter und Jockeys an sich zu arbeiten, gerne auch im Wettbewerb individuell oder unter den Ställen. Das sogenannte „Plumpsen“ im Endkampf ist für mich eine „Unart“, die in den sozialen Medien vielfach aufgegriffen wird. Was mich persönlich viel mehr entsetzt, ist wie manche Reiter den Pferden im Rennen und insbesondere nach dem Zieldurchritt den „Kopf wegreißen“! Hier würde ich mir ein energisches Eingreifen der Rennleitung wünschen. Solche Bilder schaden dem Ansehen des Sports ungemein und sind insbesondere für unsere Pferde mit einem hohen und unnötigen Verletzungsrisiko verbunden.
Für sinnvoll halte ich auch die Idee eines individuellen Medikamentenpasses, der dem Equidenpass beizufügen und zum Rennen mit vorzulegen ist. Hierdurch schafft man, in Verbindung mit einer Musterung durch den Tierarzt vor dem Rennen, die notwendige Transparenz über den Gesundheitszustand des Pferdes. Für mich sollte jedes Rennpferd gesattelt in der mentalen und körperlichen Verfassung sein, sechs bis acht Tritte Takt rein zu traben. Pferde, die diese Voraussetzungen nicht genügen, sind konsequent vom Rennen auszuschließen.
Wie lässt sich die Tätigkeit im Rennsport mit dem Beruf kombinieren, und wie stark ist Ihre Familie in den Turf involviert?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Die Vereinbarkeit meines Berufes mit dem Rennsport funktioniert gut. Vormittags mache ich meinen Stall, nachmittags und abends bin ich zu meinen Patienten unterwegs beziehungsweise kommen sie auch zu mir auf den Hof. Im Stall hilft mir mein Mann morgens und abends, soweit es seine Termine zulassen. Plätze, Bahn, Wiesen und Zäune sind sein Hobby, insbesondere wenn Maschinen zum Einsatz kommen können. Er begleitet mich meist zu den Renntagen und auch zu den Trainings.
Haben Sie Pläne, Ihren Rennstall zu vergrößern? Wie oft steigen Sie noch selbst morgens in den Sattel? Sie waren früher ja auch selbst aktiv?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Eigentlich wollten wir den Pferdebestand verkleinern, aber manche Vorsätze haben, wenn man die Pferde liebt, nur eine begrenzte Halbwertszeit. Ich habe auf der BBAG Online-Auktion ganz kurz entschlossen noch einen dreijährigen Wallach erworben. So viel bezüglich meiner Pläne und Plankorrekturen.
Ich selbst reite in der Regel täglich drei Lots. Für die schnellen Arbeiten suchen wir uns Unterstützung. Vier Pferde im Training, wie im Moment, sind mir eigentlich zu viel. Wir entscheiden in den nächsten Wochen, mit welchen Pferden wir in die neue Saison gehen.
„Der Hindernissport ist eigentlich der spannendere Sport“
Sie gelten auch als begeisterte Anhängerin des Hindernissports, doch in Deutschland spielt diese Sparte inzwischen leider kaum eine Rolle mehr. Was fasziniert Sie an diesem Metier?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Ich finde nach wie vor, es ist eigentlich der spannendere Sport. Ich mag die englischen und irischen Chaser vom Typ und der Art sich zu bewegen. Das sind schon besondere Pferde. Das vielseitige und physiologische Training kam den erfahrenen Pferden, die wir meist gekauft haben, sehr entgegen. Wir konnten viele schöne Erfolge erzielen und unvergessliche Momente erleben.
Jeder Sport hat eine kritische Größe nach unten, die ist im Hindernissport zwischenzeitlich unterschritten. Saga Altais und Wakey Wakey sind gute Springer, und auch Manhattan Queen zeigt viel Talent über Stangen. Starts in diesem Metier planen wir absehbar nicht mehr.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie gerne zu Auktionen nach England fahren. Was steht in dieser Hinsicht auf Ihrer Agenda?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Das Reisen zu Auktionen nach England, unser gemeinsames Hobby, hat mit dem Brexit sein jähes Ende gefunden. Viele persönliche Kontakte bestehen aktuell noch. Wir finden sicher bald eine Alternative an Anlässen und Zielen.
Ihre Wünsche für den Rennsport in Deutschland für 2024 und für sich persönlich?
Dr. Christine Paraknewitz-Kalla: Ich würde dem deutschen Rennsport wünschen, dass er in seinen Strukturen und Besetzung der Gremien eine neue Balance findet. Starke Rennvereine und große Gestüte sind wichtig, sie allein werden den Rückgang nicht aufhalten können. Die Belange aller am Sport Beteiligten sind mehr in den Fokus zu holen, denn der „Motor Rennsport“ braucht sehr viele funktionierende Zahnräder. Insbesondere einen respektvolleren Umgang miteinander würde ich dem Rennsport wünschen. Die Kommunikation manchen Funktionärs ist mehr als unglücklich. Nur mit „großen Rennen“ wird es dauerhaft keinen Rennsport geben.
Dem deutschen Rennsport wünsche ich, dass wir möglichst viele Besitzer und Pferde im Sport halten. Für jedes Pferd findet sich in seiner „Klasse“ ein für Zuschauer spannender Wettbewerb. Für einen Irrweg halte ich – Pferde möglichst im Sport halten als gemeinsames Ziel vorausgesetzt – die Anpassung der Handicap-Skala. Pferde werden bei höherer Einschätzung nicht „schneller“. Die Anpassung bedeutet eine Verdichtung der Pferde, insbesondere in den unteren Klassen. Gleichzeitig gehen Startmöglichkeiten für diese Pferde zurück. Dies führt nicht nur in unserem Rennstall absehbar dazu, dass viele eigentlich startfähige Pferde durchs Raster fallen und mangels Chancen dem Sport verloren gehen. Dies hat wieder eine Wirkung auf Gebühren und Abgaben und beschleunigt die Kostenspirale für die Besitzer. Das Ziel, mit der Anpassung der Skala eine international bessere Vergleichbarkeit herzustellen, sollte auch auf einem anderen Weg hergestellt werden können. Hier sind einzig die Handicapper gefordert, und das kann man ihnen zutrauen/zumuten.
Ich würde dem Rennsport in Deutschland wünschen, dass er im Oktober 2024 auf einer neuen Sandbahn ins Winterhalbjahr startet. Eine gut gemanagte Sandbahn mit einem praktikablen Belag ist für den deutschen Rennsport systemrelevant. Hier fehlt mir ein klares Commitment von Deutscher Galopp und ein verbindlicher Plan zum wie und wer dieses bis wann umsetzt. Für die ganze Familie und die Pferde wünsche ich mir vor allem Gesundheit und dass kein ungeahnter Schicksalsschlag uns aus dem täglichen Wahnsinn heraus reißt, den Rest müssen wir uns dann verdienen.