Als Besitzer und Züchter von Galopprennpferden erlebt er die schönen Momente im Rennsport gleich doppelt: Dr. Thomas Bretzger, Bankvorstand aus Rastede. Mythico ist das aktuelle Aushängeschild des seit 30 Jahren im Rennsport aktiven Eigners, dessen Pferde unter den Namen Stall tmb ihre Rennen bestreiten. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet er über seine Passion.
Ihre Heimat ist Rastede. Hier gibt es zwar eine kleine Rennbahn, aber wie ist Ihr Funke für den Rennsport übergesprungen?
Dr. Thomas Bretzger: Ich komme ursprünglich aus Süddeutschland, in Rastede mit seiner Rennbahn wohnen wir erst seit weniger als 10 Jahren und sind aus München hierher gezogen, München ist daher eher meine „Heimatbahn“, eine der schönsten Bahnen Deutschlands, finde ich. Familiär bin ich nicht vorgeprägt, der Funke zündete in den achtziger Jahren in Iffezheim. Ich habe in Karlsruhe studiert und war in der Zeit regelmäßig auf den süddeutschen Rennbahnen wie beispielsweise Iffezheim, München, Frankfurt, Hassloch, Mannheim und Saarbrücken. Schnell konnte ich auch einige Freunde für den Rennsport begeistern, so dass man sich das Fahrgeld teilen konnte und gemeinsam Spaß auf der Rennbahn hatte.
„Mythico kennt praktisch keinen Tierarzt“
Mythico bescherte Ihnen bereits drei Gruppesiege, darunter auch in einem Klassiker (Mehl-Mülhens-Rennen 2021). Wann haben Sie sein Potenzial erkannt? Was sind seine Markenzeichen?
Dr. Thomas Bretzger: Das eigentliche Markenzeichen von Mythico ist, dass er ein völlig unkompliziertes Rennpferd ist. Er kennt praktisch keinen Tierarzt, macht seine Trainingsarbeiten problemlos und hat einen entspannten Charakter, auch vor und nach den Rennen. Er braucht im Rennen Tempo, ist nicht bodenabhängig, aber etwas weicherer Boden kommt ihm zugute, da er kein ausgesprochenes Speedpferd ist. Außergewöhnlich ist, dass er für einen Adlerflug-Sohn aus einer Monsun-Mutter frühreif war und schon zweijährig ein Grupperennen gewann. Ebenso, dass er sich auf der Meile wohlfühlt.
Was das Potential angeht, vielleicht schon beim Kauf seiner Mutter Madhyana, die von ihm tragend war, als ich sie bei der Arqana gekauft habe. Ich habe lange, bis es leider zur Schließung kam, auf Gestüt Isarland gezüchtet, damals bekanntermaßen eines der führenden Gestüte in Deutschland und daher eine Vorliebe für die Monsun-Linien, insbesondere Mutterstuten. Ich war zusammen mit Axel Donnerstag, der mich in Zuchtfragen berät, schon länger wieder auf der Suche nach einer Monsun-Stute. Auf der Arqana-Auktion war uns dann seine Mutter aufgefallen, aus Schlenderhaner Besitz aus einer Aga Khan-Mutterlinie, tragend von Adlerflug. Unser Limit war damals 24.000
Euro, leider wurden wir dann zweimal überboten. der Höchstbieter war allerdings nicht mehr auffindbar, der Unterbieter „wollte es sich nochmal überlegen“, so dass wir zum Glück zum Zug kamen. Kurioserweise waren es dann auch wieder 24.000 Euro, für die ich Mythico auf der BBAG-Auktion zurückgekauft habe, der schon als Fohlen wie auch als Jährling sehr gut aussah. Man kann also sagen, die „24“ ist die „Mythico-Glückszahl“. Pünktlich zum 30-jährigen Rennjubiläum wird übrigens voraussichtlich Mythico in der Badener Meile laufen.
Debüt als Pferdebesitzer vor 30 Jahren
Können Sie sich noch an Ihr erstes Rennpferd erinnern? Was waren neben Mythico Ihre bislang besten Pferde und schönsten Erlebnisse?
Dr. Thomas Bretzger: Natürlich – insbesondere weil mein Debüt als Pferdebesitzer vor genau 30 Jahren am 26.Mai stattfand. Ich war schon als Student Mitglied im Galoppclub Deutschland und praktisch „Kleinaktionär“ an einem Rennpferd gewesen. Ich hatte mir damals, als der „Pferdevirus“ schon ziemlich zugeschlagen hatte, vorgenommen, dass ich mir, wenn ich „mal Geld verdiene“
ein eigenes Rennpferd leisten wollte. So kam es dann auch, ausgelöst durch eine Kleinanzeige in der Sport-Welt „Rennpferd zu verkaufen“. Nachdem ich meine damalige Partnerin überzeugen konnte (war nicht einfach), dass das ein interessanteres Investment war als Küchenmöbel, rief ich an und landete bei Trainer Manfred Prinzinger, der mir dann nur kurz sagte „das Pferd kann nichts, aber ich suche ihnen was Besseres“.
Einige Wochen später kam dann sein Anruf, ich möge morgen auf der Rennbahn Iffezheim sein, er hätte ein interessantes Pferd für mich, das auch gleich dann laufen würde. Man war sich schnell handelseinig am nächsten Tag, nachdem der Trainer meine Kreditwürdigkeit bestätigt hatte und ich stand kurz darauf im Führring. Mein erster Starter, Defoe, lief dann noch in den Farben des Stalles
Steigenberger unter Trainer Bruno Schütz und Jockey Andre Best im Preis der Hornisgrinde. Obwohl als Mitfavorit gestartet war er dann Drittletzter. Das ließ sich dann im negativen Sinne noch steigern, nachdem er danach erstmals in meinen Rennfarben in München unter dem Nachwuchsreiter Lennart
Hammer-Hansen einfach in der Kurve geradeaus lief und disqualifiziert wurde. Nach einer tierarztintensiven Pause über den Sommer war er dann aber im Jahr darauf auch mein erster Sieger, als er Ende März bei starkem Schneeregen in München den „Veilchen-Preis“ gewann.
Sicherlich ein anderes, selbstgezüchtetes Pferd mit sehr guter Rennleistung war Gambissara, die, von Trainer Lennart Hammer-Hansen trainiert, Zweite in den Italian Oaks wurde. Übrigens auch ein Adlerflug-Nachkomme aus einer Monsun-Mutterstute. Sie steht, wie meine gesamte Zucht inzwischen im Haras Du Long Champ von Barbara Moser und wird demnächst ihr erstes Produkt auf
der Rennbahn haben.
Bei Jean-Pierre Carvalho und Michael Figge stehen weitere Pferde in ihrem Besitz. Was ist von Ihnen zu erwarten? Welches Rennen würden Sie gerne einmal gewinnen?
Dr. Thomas Bretzger: Bei Jean-Pierre Carvalho sind es neben Mythico drei weitere Pferde, bei Michael Figge, der auch schon seit fast 10 Jahren Pferde von mir trainiert, zwei weitere. Mythicara ist die dreijährige „kleine Schwester“ von Mythico, stammt von Holy Roman Emperor. Mit dem bisherigen Laufen sind wir sehr zufrieden, bei einem der nächsten Starts sollte der erste Sieg fällig sein, dann sieht man weiter. Mythiconor ist der zweijährige Highland Reel-Halbbruder, ein anderer Typ, sehr großrahmig und kräftig, so dass er wohl eher später debütieren wird, vielleicht erst dreijährig. Die zweite dreijährige Stute Green Dream stammt aus der Gambissara von Mastercraftsman, sie wird wohl auf der Steherdistanz aufgehoben sein, debütiert demnächst und hat
noch eine Nennung für die Diana.
Die Pferde bei Michael Figge sind die ebenfalls selbstgezogene Gambia Star, die letztes Jahr drei Rennen gewonnen hat, sie wird in Baden-Baden laufen, und das Ziel dieses Jahr ist „Black Type“, um
sie für die Zucht zu qualifizieren. Ebenfalls eine Halbschwester zu Gambissara ist die zweijährige Gambia Sun von Dariyan. Eine große, elegante Stute, durchaus ein Hoffnungsträger für das nächste Jahr.
„Traditionelle deutsche Mutterlinien mit internationalen Deckhengstlinien kombinieren“
Auf welche Prinzipien legen Sie in der Zucht besonderen Wert? Auf welche Produkte freuen Sie sich am meisten?
Dr. Thomas Bretzger: Ich werde in der Zucht schon seit langem von Axel Donnerstag beraten, sowohl bei den Auktionen wie auch bei der Auswahl geeigneter Deckhengste. Ich versuche traditionelle deutsche Mutterlinien, wie beispielsweise „Monsun“, mit passenden internationalen Deckhengstlinien zu kombinieren. Zuchtziel sind eher „Steher“, weniger frühreife Pferde, da sich das
traditionell als eine der Stärken der deutschen Zucht erwiesen hat. Die Stuten und Nachzucht ist im Haras Du Long Champ angesiedelt, wo Barbara Moser eine hervorragende Arbeit macht. Natürlich ist auch ein Grund neben der guten Lage der Normandie das Züchter- und Besitzerprämiensystem in
Frankreich neben den Aufzuchtbedingungen in der Normandie. Ich war neben Isarland auch schon im Ohlerweiherhof und in Etzean züchterisch aktiv, wie ich finde, auch zwei sehr empfehlenswerte Gestüte in Süddeutschland.
Praktisch freut man sich über jedes Fohlen, das gesund zur Welt kommt und sich dann gut entwickelt. Derzeit sind zwei Jährlinge aus der Mythicara und Gambissara auf dem Gestüt und auch zwei frische Fohlen von Wooded und Almanzor. Ich züchte derzeit mit drei Stuten, neben den beiden erwähnten noch mit Pietra della Luna, einer Lope de Vega-Stute, die dieses Jahr nochmal zu Wooded ging, Gambissara ist von Persian King tragend und etwas Besonderes ist sicherlich Mythicos Mutter Madhyana, die von Sea the Stars tragend ist.
Sie haben für verschiedene Bank- und Kreditinstitute gearbeitet. Wie lässt sich das Hobby mit dem Beruf verknüpfen, und wo sind Sie derzeit tätig?
Dr. Thomas Bretzger: Der Beruf hat mit dem Hobby recht wenig zu tun, allerdings freut man sich natürlich auch über Kunden, die dem Pferdesport verbunden sind. Ich arbeite derzeit im Saarland, unsere Bank ist eine deutsch-französische Regionalbank, die in beiden Ländern aktiv ist. Also auch sehr passend zur Ausrichtung meiner Rennsport- und Zuchtaktivitäten. Geographisch sind viele
Rennbahnen in der Nähe des Saarlands, mit der Bahn lässt sich beispielsweise Paris in weniger als zwei Stunden erreichen.
„Iffezheim ist immer fest eingeplant“
Wie stark ist Ihre Familie in den Turf involviert? Gibt es auch andere Hobbys?
Dr. Thomas Bretzger: Meine Frau begleitet mich gerne auf die Rennbahnen, wir haben natürlich
auch über den Rennsport im Laufe der Jahre viele Freunde gefunden. Ich versuche daher möglichst auch beim Start meiner Pferde auf der Bahn zu sein, oft lässt sich das mit einem längerem Wochenende verbinden, egal ob in Frankreich oder Deutschland. Iffezheim ist eigentlich immer schon fest eingeplant, Saarbrücken natürlich als „neue Heimatbahn“ auch. Ein Besuch
lohnt sich hier übrigens immer, beispielsweise jetzt an Pfingsten, gerade die kleineren Bahnen haben ein besonderes Fair an ihren Renntagen.
Nachdem die Rennaktivitäten doch viele Wochenenden füllen, bleibt für andere Hobbys wenig Zeit. Was allerdings durch meinen beruflichen Standort Saarbrücken an Wichtigkeit angenehmerweise zugenommen hat (leider auch an Gewichtigkeit), ist „gut Essen und Trinken“, was im
Saarland einfach dazugehört.
Was würden Sie Neueinsteigern empfehlen bei der Investition Rennpferd?
Dr. Thomas Bretzger: Der einfachste und auch günstigste Einstieg ist, wie es auch bei mir war, die Mitgliedschaft in einem Galoppclub. Man lernt dort Gleichgesinnte kennen und dadurch auch viel grundsätzlich über unseren schönen Sport. Will man „größer“ einsteigen, also alleine oder mit Freunden ein Rennpferd besitzen, würde ich immer raten, erst den Trainer und dann das Pferd zu suchen. Wir haben viele sehr gute Trainer überall hier in Deutschland, das zeigen immer wieder die internationalen Erfolge. Als Kriterium für die Auswahl eines Trainers würde ich empfehlen, erstmal zu sehen, ob es auch persönlich passt, beispielsweise auf der Rennbahn die Kandidaten beobachten, wenn möglich auch andere Besitzer zu befragen, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Dann wäre für mich ein weiteres Kriterium, dass der Trainingsstall nicht zu weit weg vom Wohnort ist, so dass man regelmäßig bei seinem Pferd im Stall vorbeischauen kann.
Gerade für Neueinsteiger empfiehlt sich häufig ein kleinerer oder mittelgroßer Rennstall, weil da der persönliche Kontakt mit dem Trainer intensiver ist. Hat man dann „seinen“ Kandidaten gefunden, spricht man ihn am einfachsten auf der Rennbahn an. Um alles weitere kümmert sich dann weitgehend der Trainer, wie es auch in meinem Beispiel angefangen hat. Der zweite Tipp, den ich geben würde, ist mit einem laufenden Pferd zu beginnen, damit man möglichst bald das Rennerlebnis hat, also zumindest mit einem zweijährigen Pferd, auch hier kann der Trainer für das Budget normalerweise etwas Passendes finden, ab und zu geht es auch am Anfang über die Pacht eines Pferdes, weil gerade große Züchter die Rennlaufbahn eines Pferdes nicht als primäres Ziel haben sondern die Qualifikation zur Zucht.
„Der Sport muss attraktiver für Besitzer und Sponsoren werden“
Was würden Sie im deutschen Rennsport verändert, wenn Sie die Macht dazu hätten?
Dr. Thomas Bretzger: Vorab muss man sagen, das ses in den deutschen Rennvereinen und Rennsportorganisationen sehr viele sehr engagierte Menschen gibt, die mit viel Herzblut sich für den Sport einsetzen und auch kreativ sind. Leider hat sich unser Sport über die Jahrzehnte eher rückwärts entwickelt, Corona hat da auch geschadet, ich denke, die Ursachen sind bekannt, beispielsweise dass wir hier eben kein Wettmonopol haben wie in Frankreich. Die einfache Antwort ist, es muss wieder mehr Geld in den deutschen Rennsport, für höhere Rennpreise, die Besitzer und Aktiven die wirtschaftliche Seite verbessern und man nicht quasi gezwungen ist, die Pferde in Frankreich starten zu lassen. Wenn man sich die Auslandsstarter jede Woche ansieht, könnte man da fast einen vollen Renntag mit veranstalten.
Die Frage ist natürlich dann genau die, wie man wieder mehr Geld in den Rennsport bekommt. Ich bin selbst im Aufsichtsrat des Rennclubs Saarbrücken, ein Besuch dort lohnt sich wie gesagt immer, und sehe, wie mühsam es ist, selbst kleine Renntage zu finanzieren. Wenn man sich außerhalb Deutschlands umschaut, beispielsweise in England, dann ist vielleicht eine Botschaft, die man übertragen kann, dass unser Sport und die Rennveranstaltungen attraktiver für Besucher wie Sponsoren werden sollte, die dann auch bereit sind, höhere Eintrittspreise oder auch ins Sponsoring zu investieren. Auch hier gibt es in etlichen Rennvereinen gute Ansätze, beispielsweise Baden-Baden, Düsseldorf oder Hannover und auch viele kleinere Rennbahnen. Das bedeutet, auch für nicht bereits dem Rennsport verfallene Besucher muss einfach das Gesamtpaket von Unterhaltung und Catering stimmen, so dass man neue Besucher dauerhaft bindet. Ich habe beispielsweise in meiner Zeit in England häufig „After Work Racing“ besucht, mit nur 5 oder 6 Rennen, dann aber einem Livekonzert nach den Rennen, das viele, insbesondere junge Besucher angelockt hat.
Zwischen den Rennvereinen sollte mehr Austausch stattfinden und die Marke „Deutscher Galopp“ präsenter werden. Auch Beispiele aus dem Ausland: das Wetten durch mobile Kassen erleichtern, die aktiv auf die Besucher zugehen. Ich halte auch die Beteiligung des Rennsports an Wettplattformen für wichtig und richtig. Ein Gedanke, den man aus meiner Sicht auch verfolgen sollte, sind Inländerprämien gerade in den unteren Klassen, die es für kleinere Besitzer und Trainingsställe attraktiver macht, deutsche Pferde länger im Sport zu halten anstatt günstig auf den Auktionen im Ausland einzukaufen. Ein anderer Gedanke: Premiumbahnen, die sich dann auf Premiumrennen konzentrieren und dafür die Basisrennen den Nicht-Premiumrennbahnen überlassen. Ich denke, es gibt eine Menge kreativer Köpfe im Rennsport, die unserem schönen traditionellen Sport eine moderne Ausrichtung geben können.
Abschließend: Ihre Ziele für 2022, beruflich und im Rennsport?
Dr. Thomas Bretzger: Zuallererst wünscht man sich als Besitzer und Züchter natürlich immer, dass die Pferde gesund bleiben. Und natürlich freue ich mich über Erfolge in den Rennen, auch in kleineren Rennen, es ist einfach schön, wenn man einen Sieger vom Geläuf abholen kann und mit Rennsportfreunden etwas zu feiern hat. Für mich immer ein Ziel ist es, in Baden-Baden ein Rennen zu gewinnen, denn darauf warte ich jetzt wieder etliche Jahre, und es gibt eben diese besondere Verbundenheit mit der Rennbahn. Und es kann natürlich gerne dieses Jahr „Mythico“ sein.
Beruflich hoffe ich, dass die Bank, für die ich arbeite, sich weiter gut entwickelt. Aber wichtiger glaube ich ist, dass der Krieg in der Ukraine mit dem damit verbundenen Leid für die Menschen bald zu Ende sein wird.