Der Oktober ist da und die Buschsaison neigt sich langsam dem Ende. Die Highlights sind rum, die letzten Championate entschieden. Hier und da gibt es noch ein paar kleine Geländeprüfungen, doch der Schwerpunkt verlegt sich ganz klar in die Halle und in Richtung Dressur/Springen. Im März geht dann die Buschsaison mit einem wunderschönen Indoor-Geländeturnier in Blonhofen (RTG Obere Mühle) wieder los. Ob wir dort am Start sind und in der 30 x 60er Halle auf perfektem Boden ein paar Geländehindernisse springen, wird natürlich Duke entscheiden. Ansonsten geht im April die grüne Busch-Saison wieder los.
Nachdem Duke in den 12 Wochen seit seiner Ankunft schon wieder gewachsen ist (aktuell 173 cm; sind die anderen Kendargents auch solche Riesen?), werden wir dieses Jahr nicht mehr starten. Sondern den Fokus auf Essen, wachsen und gesunde Aufbauarbeit legen. Besonders Dukes schwacher und steifer Rücken ist eine Baustelle, der wir uns noch lange und systematisch widmen müssen. Meine Chiropraktikerin empfiehlt gebogene Linien, Übergänge und Stangen. Mit einem pensionierten 3.000-Meter-Pferd. Na, Prost Mahlzeit!
Normalerweise würde ich mit einen Busch-Youngster noch etwas Anti-Schreck- sowie Anti-GlotzTraining machen; schließlich springen Vielseitigkeitspferde in der Prüfung über die schrägsten Hindernis-Konstruktionen (bepflanzte Kisten, gedeckte Tische, Holz-Schweine und KunststoffHunde; in den großen Klassen sogar über Autos). Duke hat an dieser Front jedoch schon bewiesen, dass er absolut nicht aus der Fassung zu bringen ist. Also hat die Gymnastik Vorrang.
Ein 3.000-Meter-Pferd auf der 8-Meter-Volte
Wie bereits angerissen, fiel Duke bei seinem ersten Turnier einem der renommiertesten Busch- und Blüter-Experten (im Reitsport, versteht sich) in Süddeutschland ins Auge: Dem früheren Militaryreiter, Autor, Züchter, Parcourschef und Richter Jörg Freiherr von Imhoff. Er war hellauf begeistert von meinem kleinen Fuchs, durchforstet derzeit Dukes Ahnentafel (Basillus xx von Kendargent aus der Bambara (High Chaparral)) nach dem Grund für sein Springvermögen und wird mich bei seiner Ausbildung zum Vielseitigkeitspferd unterstützen.
Die allererste Hausaufgabe, die höchst modern über WhatsApp kam, war auf den ersten Blick so einfach, wie sie in der Praxis kompliziert war:
Die Aufgabe war, das Pferd am Kappzaum (Lederhalfter mit verstärktem Nasenband und diversen Ringen, an denen man die lange Leine einhaken kann) zu longieren. Duke soll sich selbst ausbalancieren und ruhig und vertrauensvoll seine Kreise ziehen. In allen drei Gangarten. Während ich ihn im Zirkel immer wieder langsam hereinhole und rausschicke: Denn zwischen 8 und 16 Meter großen Kreisen muss er seine Füße und nicht zuletzt auch seinen Rücken immer wieder neu organisieren. 8 Meter Kreise? Wer jemals auf der Rennbahn ein 3.000-Meter-Pferd geritten hat, kann sich vorstellen, wie schwer Duke diese Aufgabe anfangs fiel. Anfangs blieb er stur im Holzbalken-Modus und je kleiner die Kreise im Trab wurden, desto mehr driftete die Hinterhand nach außen ab.
Im Galopp war an Zirkel-Verkleinern nicht wirklich zu denken: Da hatte er genug mit dem 20-Meter-Kreis des Longierzirkels (ähnlich wie die Außenbegrenzung einer Führmaschine) zu tun. Doch schon beim zweiten und dritten Mal ließ sich der gymnastische Effekt dieser Aufgabe nicht mehr übersehen: Duke biegt sich von mal zu mal leichter, macht den Rücken auf und bleibt mit der Hinterhand immer besser in der Spur (da er leichter in der Hüfte abkippt und innen vermehrt Last aufnimmt).
Neben dieser Gymnastik gewöhne ich ihn derzeit an die Berührung von Leinen an Kruppe und Hinterhand, damit wir zeitnah von normaler Longe auf Doppellonge umsteigen können. Mit zwei “Leinen” kann man nochmal gezielter aufs Pferd einwirken, das Pferd ohne Reitergewicht gymnastizieren und schonend an neue Lektionen heranführen. Außerdem ist es eine prima Vorbereitung für den ersten Schnee. Denn hinterm Stall hätten wir eine fantastische Strecke für Skijöring.
Stangen: Das Fitnessstudio der Reitpferde
Während Stangen in Rennställen meines Wissens so gar nicht zum Einsatz kommen (falls ich mir dieser Behauptung falsch liege, freue ich mich über eine Mail oder PN auf Facebook), gehören sie bei so ziemlich jedem Reitpferd fest auf den Trainingsplan. Neben positiven Auswirkungen auf Balance, Durchlässigkeit, Kraft usw. Sind sie gerade in den tristen Wintermonaten auch eine schöne Abwechslung. Nachdem sich mein erster Ex-Galopper Lord (ein Bruder von Falconettei, der eigentlich in Jagdrennen eingesetzt werden sollte) trotz akribischer Vorbereitung vor der ersten 3er Trabstangen-Reihe auf dem Gebiss festbiss, losdüste und das Gebilde am Stück sprang, fing ich bei Duke mit einem ganz niedrigen Grundtempo an: Damit er gar nicht auf wilde Ideen kommt.
Trotzdem war Duke – ebenso wie Lord – anfangs der festen Überzeugung, dass Trabstangen-Reihen nur im Schritt oder im Galopp lösbar sind. Und wenn Frauchen einen nicht losdüsen lässt, galoppiert man die Reihe halt gaaaanz langsam. Oder geht halt Schritt. Leider war bei den ersten Versuchen niemand mit der Kamera zur Hand. Es war schlichtweg faszinierend, wie mir der Lange Lulatsch immer wieder den Galopp reingefummelt hat, wo ich definitv keinen Galopp haben wollte. Irgendwann hat er das Grundprinzip dann aber doch verstanden und seither drehen wir ganz langsam am Schwierigkeitsgrad der Gymnastikreihen.
Nächste Woche steht Duke’s erstes Stangentraining mit Gesellschaft und unter Anleitung an. Wir sind sehr gespannt und werden natürlich fleißig filmen.
Stammer Kinetic: Das Pferd in positiver Spannung
“Ein gesunder Rücken ist eine Kombination aus einem gut trainierten, symmetrisch bemuskelten Rücken, der ohne Einschränkungen beweglich ist (aufwölben, seitliche Biegung) und einer gut trainierten Bauchmuskulatur, die den Rumpf gegen die Schwerkraft stabilisiert.” (Dr. Med. Vet. Zrinjka Hardenberg).
Öööhhhm. Ups.
Beim ersten Besuch hatte unsere Chiropraktikerin Zrinjka Hardenberg ordentlich zu tun: Duke war gelinde gesagt ziemlich steif. Doch auch nachdem die letzte Blockade gelöst war, blieb die Ausgangssituation, dass Duke seinen Rumpf bei der Arbeit nicht anhebt bzw. den Rücken nicht aufwölbt. In Kombination mit der mangelnden Bauchmuskulatur (er hatte ja nach seinem letzten Rennen im April etwas pausiert) hatte dieser Umstand dazu geführt, dass sein Rücken etwas nach unten durchhing. Kurzfristig ist so etwas vermutlich nur bedingt problematisch, langfristig jedoch höchst ungesund.
“Grundlegend ist für mich die Befolgung der Skala der Ausbildung eines Pferdes …”, so meine Chiro. “Takt, Losgelassenheit und Anlehnung. In dieser Phase lernt das Pferd, genau die für sein Leben als Reitpferd so wichtigen Strukturen zu aktivieren und zu trainieren.” Da Rennpferde etwas anders antrainiert werden und Duke mit seinen aktuell 173,5 Zentimetern ohnehin durch jedes Raster fällt, haben wir uns eine ganz eigene Rückenschule zusammengestellt. Dazu gehören auch die Mobilisationsübungen aus der Stammer(c)Kinetics, bei denen Duke durch Impulse an Brust und Hals vom Boden aus lernt, eine gesunde Körperhaltung einzunehmen und die relevanten Muskelgruppen zu trainieren.
“Der grundsätzliche Unterschied zwischen einem Pferd und einem Reitpferd liegt in der Art und Weise der Stabilisation gegen die Schwerkraft. Um ohne Schäden einen Reiter tragen zu können, muss das Reitpferd in der Lage sein, seinen Rumpf gegen die Schwerkraft anzuheben und sich aktiv zu tragen. Das Pferd spannt sich auf und öffnet seine Oberlinie.” (Stefan Stammer: Das Pferd in positiver Spannung)