“Ich würde auch gerne mal mit aufs Buschtraining kommen. Aber wir können das noch gar nicht.” Ein Satz, den ich in den letzten Monaten erfreulicherweise immer öfter zu hören bekomme. Zumindest im Münchner Raum kommt Buschreiten in Mode und die Trainingsmöglichkeiten werden so rasant ausgebaut, dass man sich an manchen Wochenenden kaum zwischen den vielen schönen Geländekursen entscheiden kann.
Die Hysterie mancher Reiter(innen) über feste Hindernisse kann ich nur bedingt nachvollziehen; die Busch-Krabbelgruppen fangen schließlich mit Sprüngen über bessere Äste am Boden an. Ansonsten werden beim Auf und Ab über Stock und Stein erst einmal Grundlagen abgefragt, die jedes vernünftig ausgebildete Reitpferd beherrscht. Oder eher: beherrschen sollte? Überraschend viele Freizeitreiter trauen sich in ihrer FREIZEIT mit ihren FREIZEITpferden nicht vor die Hoftür und bleiben lieber auf dem 20 x 40 Meter Sandplatz oder gar in der sicheren Reithalle. Eine erschreckend schnell wachsende Fraktion, die erbost auf laut sprechende Menschen am Rand des Reitplatzes starrt, die vom Pferd stürzt, wenn auf der Hallentribüne jemand aus einer Wasserflasche trinken möchte (kein Scherz!) und sichtliches Herzrasen bekommt, wenn die outdooraffinen Stallkollegen nur das Wort “Galopp” in den Mund nehmen.
Und dann gibt es die Gegenbewegung, die im Reiterleben mehr als Dressurviereck und ein paar bemalte Stangen sehen möchte. Beim Buschtraining braucht man weder ein 100.000-€-Pferd und auch die farbliche Abstimmung des Reiter-Pferd-Outfits ist eher zweitrangig (in einigen Kreisen ist es überlebenswichtig, dass die Farbe der Reithose zur Schabracke des Pferdes passt und am besten dem aktuell von Eskadron gesetzten Farbtrend entspricht). Neben gut funktionierenden Basics (Gas, Bremse, Lenkung) gibt es jedoch ein paar Outdoor-Überlebensgrundlagen, mit denen man sich aufs erste Buschtraining vorbereiten kann:
- Wasser: Ein Wasserdurchritt ist ein fester Bestandteil bei so ziemlich jedem Geländetraining. Die Mitreiter in der Trainingsgruppe werden es zu schätzen wissen, wenn Ihr Pferd nicht beim Anblick einer Pfütze in Ohnmacht fällt. Wenn Sie trotzdem auf gut Glück im Training eine Wasserstelle ansteuern, empfehle ich Gummistiefel in Reichweite liegen zu haben. Denn wenn das Pferd stoppt und/oder scheut, lassen viele Trainer absitzen und die Schüler dürfen ihre Pferde ins Wasser führen. Ein didaktisch absolut sinnvoller Schritt, den man den meist mehrere hundert Euro teuren Lederreitstiefeln ersparen kann.
- Hänge: Auch Wellen- oder Hangbahnen sind ein fester Bestandteil fast jeder Geländestrecke: für Flachlandpferde beim ersten, zweiten und auch beim dritten Mal noch eine echte Herausforderung. Sobald die Frage “Wann gehört welcher Fuß wohin?” geklärt ist, stellen Hänge aber ein extrem gutes Kraft- und Koordinationstraining da und sollten in jedem Fall Teil des Trainingsplans sein.
- Stufen: Kleine Stufen raufsteigen ist ein recht natürlicher Bewegungsablauf, der Pferden erfahrungsgemäß eher leichtfällt. Stufen runter steigen/springen ist eine ganz andere Baustelle: Fürs Pferd sowie auch für den Reiter. Oberkörper zurück, Füße nach vorne und die Zügel an der Schnalle fassen. Diese Anweisungen sind auf einem erfahrenen und ausbalancierten Pferd gut und sinnvoll. Mit meinem schlacksigen Blüter-Baby bin ich die ersten Male ehrlich gesagt eine Mischform aus korrekt und Ich-halte-mein-Pferd-auf-den-Füßen geritten.
Die Ausrüstung im Busch: Eine Materialschlacht
Wenn ein Ex-Galopper den Equipment-Berg für den Busch anschaut, trauert er vermutlich seinem Jockey nach. Neben Springsattel, schockabsorbierendem Lammfellpad, Schabracke (am besten mit Widerristfreiheit und in der Trendfarbe der aktuellen Saison) und einem Sattelgurt mit Brustschutz (damit sich das Pferd nicht selbst mit den Stollen verletzt) braucht es vier vorne geschlossene Gamaschen (als Schienbeinschutz), zwei Springglocken (als Kronrand- und Ballenschutz) und ggf. ein Vorderzeug mit Martingalgabel (um den Sattel an seinem Platz zu halten und die Zügelführung beim schnellen Auf- und Abreiten zu stabilisieren). Natürlich dürfen auch Stollen nicht fehlen, damit das Pferd auf feuchtem Boden und in engen Wendungen optimalen Grip hat.
Ähnlich wie im Rennsport, tragen auch Buschreiter einen geschlossenen Helm und eine Sturzweste (Pflicht auf allen Geländestrecken); beim Thema Airbag scheiden sich dieser Tage in der Buschszene noch die Geister. Ich persönlich bin inzwischen ein großer Fan dieser Technologie. Im Frühjahr legte mein Blüter aus hohem Tempo vor einer Kiste eine Vollbremsung aus Parkett. Die Flugrolle ins feste Hindernis hat mein Rücken ohne einen einzigen Kratzer überstanden. Das Busch-Outfit vervollständigen Lederhandschuhe für guten Grip, Lederstiefel schützen das Schienbein und stabilisieren den Knöchel und eine Gerte steckt bei mir meist im Stiefelschaft. Interessanterweise regen sich Rennsportler über den Einsatz von Sporen im Reitsport ähnlich auf, wie Reitsportler über den Einsatz der Gerte im Rennsport. Ich lehne mich an dieser Stelle mal aus dem Fenster und sage in beiden Fällen: Ja; aber mit Sinn, Verstand und vor allem Gefühl! Im Gelände halte bzw. reite ich zwischen Hand und Schenkel einen positiven Spannungsbogen im Pferd. Wenn mein Partner im falschen Moment nicht auf Schenkel- oder Zügelhilfen reagiert, wird die Geländereiterei schnell gesundheitsgefährdend für alle Beteiligten.
Willkommen in der Krabbelgruppe
Wie im Rennsport, so arbeitet auch im Busch jeder Trainer etwas anders: Was für einen mobilen und selbst reitenden Pferdebesitzer Vor- und Nachteile hat. Es gibt Trainer für wirklich jede Geldbörse. In meiner näheren Umgebung konnte ich in den letzten Monaten eine Spanne von 15 bis 150€ je Trainingseinheit beobachten. Auch in Sachen Reitergemüt ist für jeden etwas dabei: Von der butterweichen Rentnerstunde über zackig-aggressiv bis hin zu einem Umgangston, der jedem Army-Drillsergeant die Schamesröte ins Gesicht treiben würde (die Buschreiter in meiner Region wissen vermutlich, dass ich überhaupt gar nicht von einer bestimmten Trainerin spreche). Da ich mit Duke perspektivisch im Vielseitigkeitssport angreifen möchte, war mir von Anfang an ein Trainer wichtig, der selbst erfolgreich im Sport unterwegs ist/war. Theoretisches Wissen in allen Ehren, doch traurigerweise bieten viel zu viele Trainer Unterricht an, obwohl sie ihre selbst ausgebildeten Pferde nicht einmal in den unteren Klassen erfolgreich vorstellen können.
Nach dem Kick-Off bei Bodo Battenberg, der nebst diversen deutschen Meistertiteln auch Blütererfahrung vorweisen kann (aber leider unpraktisch weit weg wohnt), hat sich vergangene Woche Olympiasieger Matthias Baumann erbarmt und am benachbarten Selmerhof Pliening sein Wissen an den motivierten Nachwuchs weitergegeben. Am ersten Tag fragte “Thissy” Baumann mit kleinen Gymnastikaufgaben Rittigkeit und Grundgehorsam ab; ein Vorgehen, das dem Genick der Reiter vermutlich ebenso zuträglich ist, wie seiner Reitlehrer-Versicherungspolice.
Da Duke vor allem gerade Bahn und monotones Tempo gewöhnt war, bleiben Höhenmeter, Kurven sowie Tempowechsel ein wichtiger Teil unseres Trainingsplans. Über ein Kreuz springen, schnellstmöglich zum Trab durchparieren (ohne den positiven Spannungsbogen zu verlieren; Ziehen ist also strengstens verboten!) und aus dem Trab ein zweites Kreuz springen: In Woche neun von der Rennbahn brauchten wir einen zweiten und auch noch einen dritten Versuch, ehe die Übung wirklich rund lief. Ebenso mit der Warm-Up-Aufgabe Stange-Kreuz-Stange auf einer eng gebogenen Linie. Kleine Hoch- und Tiefsprünge hatten wir ausgiebig geübt: Das macht der Kleine bereits mit Links. Spannend wurde der erste Tiefsprung ins Wasser: Eine lupenreine Gehorsams- und Vertrauensaufgabe, die bei Busch-Neulingen oftmals mit Stoppen, Staunen, Schnaufen, Scheuen und irgendwann einem dramatischen Känguru-Hüpfer ins Wasser abläuft.
Und Duke? Duke holt sich beim Anritt ein paar Zentimeter mehr Zügel und hüpft nahtlos und gänzlich unaufgeregt ins Wasser. Auch der erste offene Graben ist eine Herausforderung, bei der ich anfangs eine ziemliche Skepsis des Pferdes gewohnt war. Und Duke? Duke macht sich nicht einmal die Mühe richtig loszuspringen, sondern hopst in einem größeren Galoppsprung auf die andere Seite.
Fazit: In Sachen Mut und Herz ist der kleine Mann schlicht und ergreifend der Wahnsinn. Beim Thema Kraft, Koordination und Wendigkeit haben wir in den nächsten Monaten (und Jahren) noch einiges zu tun. Erfreulicherweise hat ausgerechnet der Busch- und Blüterexperte Jörg Freiherr von Imhoff (Autor, Züchter, ehemaliger Militaryreiter, Turnierrichter und Parcourschef) seit dem ersten Turnierstart ein Auge auf Duke geworfen und wird uns zukünftig bei der Trainingsplanung und -ausführung unterstützen.