Menschen denken gerne in Superlativen und jedes Kind weiß schon, dass Geparden die schnellsten Lebewesen an Land sind. Wenn man also besagtes Kind fragt, können die wahrscheinlich auch mit einer Angabe in km/h aufwarten. Beim Rennpferd ist das schwieriger und es geistern teilweise auch absurde Zahlen durch das Internet, weswegen man also pauschal nicht sagen kann: Das schnellste Rennpferd ist … XY! War Frankel denn wirklich das schnellste Rennpferd, nur weil er all seine Rennen gewonnen hat? Nein. Aber wir versuchen uns heute trotzdem einmal der Frage zu nähern: Wie schnell ist ein Rennpferd? Und nützt uns diese Antwort überhaupt etwas, um uns Rennen zu betrachten?
Zunächst einmal wird bei einer Bestzeit natürlich das ganze Rennen betrachtet. Eine Bestzeit oder ein Weltrekord auf Distanz und Untergrund X sind schwer zu bewerten, weil sie vor allem von der Bodenbeschaffenheit abhängig sind. Regnet es plötzlich zu einem Termin nicht, bei dem der Boden sonst immer weich ist, hat man schnell eine Bestzeit, aber effektiv nicht das schnellste Pferd der Welt, sondern einen statistischen Ausreißer. Noch dazu kann es ja sein, dass der höchste Speed, der je gemessen wurde, nicht einmal von einem Sieger kommt. Denn ein Rennpferd hält seinen Top-Speed ja nur kurz und der hat nicht viel mit der Bestzeit zu tun. Eine höhere Grundschnelligkeit (die länger gehalten werden kann) ist quasi besser, als einmal kurz besonders schnell rennen zu können, denn damit kann man, je nach Rennen, gar nichts reißen. Der Antritt ist natürlich generell wichtig.
Laut dem Guinness Buch der Weltrekorde ist die Stute Winning Brew das schnellste Pferd der Welt. Jemals von der gehört? 400 Meter schaffte sie mit über 70 km/h. Aber auf der Bahn selbst war das am Ende irrelevant, Winning Brew zählte nicht gerade zu den Überfliegern. Sie lief nur diesen Top-Speed. Da wären wir auch gleich bei der Vergleichbarkeit. Amerika – Dirt Bahn – Grasbahnen hier in Europa – schon vollkommen unwichtig für uns. Wichtiger ist zum Beispiel die Distanz, die Strecke, die ein Rennpferd mit einem Galoppsprung hinter sich legt und in welcher Frequenz diese kommen. Kleine Galoppsprünge benötigen mehr Arbeit, aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass jetzt alle besonders große Pferde haben wollen (die haben andere Probleme).
Einen schnelleren Top-Speed schaffen die Quarter Horses sowieso locker. Ihnen gebührt also der Ruhm, das die schnellste Pferderasse der Welt zu sein. Da kann das Vollblut mit 70 km/h nicht mithalten, der offizielle Rekord eines Quarters beträgt 88,5 km/h. Außerhalb von Amerika existiert allerdings kein Sport mit Quartern und die kurze Distanz, die sie tatsächlich laufen, lockt hier in Europa keinen hinter dem Ofen hervor. Für uns sind die “Westernpferde”, aber keine Rennpferde, daher haben viele sie gar nicht auf dem Schirm. Aber wenn wir vom schnellsten Pferd reden, also eines, das wirklich den höchsten Top-Speed erreicht, dann wird das immer ein Quarter sein und kein Englisches Vollblut.
Generell ist es so, dass das Pferd ein Rennen gewinnt, dass die geforderte Distanz am schnellsten zurücklegt. Ist ja auch logisch. Danach kann man sich aber überhaupt erst andere Sieger anschauen, um zu wissen, wo dieser einzuordnen ist. Und dann ist auch noch die Bodenbeschaffenheit wichtig. Wenn ein Pferd über die Derbydistanz von 2400m über drei Minuten braucht aber trotzdem gewinnt – dann brauchten die anderen in dem Rennen eben noch länger. Braucht er dann nur 2,24 Minuten (das ist die nach oben korrigierte deutsche Bestzeit für die 2400m – aufgestellt von Oriental Eagle), dann sieht das Ganze zwar besser aus – ist aber auch eine Frage von Bahnführung und Bodenbeschaffenheit.
Man sieht also – reine Zeiten anzuschauen oder km/h Zahlen zu vergleichen, bringt gar nichts. Am Ende zählt grundsätzlich nur, wer als Erster durchs Ziel geht. Zeiten kratzen keinen. Top-Speeds sagen nichts aus. Sie sind mehr was für Statistik-Liebhaber. Aber immerhin könnt ihr jetzt beim nächsten Quiz auftrumpfen, weil ihr jetzt wisst, wie das schnellste Englische Vollblut heißt.