Insider-Talk mit Michael Alles: „Den Profis ein Schnippchen schlagen“

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Der erste Saisontreffer 2020 ist bereits eingefahren, doch der Mannheimer Besitzertrainer Michael Alles hat in diesem Jahr noch viel mehr vor.

Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet er über seine Ambitionen.

Sie haben am 1. März mit Ensign Ewart Ihr erstes Rennen in dieser Saison gewonnen. Wie sind Sie an dieses Pferd gekommen? Was zeichnet den Wallach besonders aus?  

Michael Alles: Ich habe Ensign Ewart im Dezember 2018 als noch Dreijährigen bei Tattersalls Ascot für 2.000 Pfund gesteigert. Das Pferd habe ich im Internet über die Rennvideos analysiert und für gut befunden. Christian von der Recke übernahm die Inspektion vor Ort und die Kaufabwicklung. Ensign Ewart ist ein in jeder Hinsicht korrektes Pferd. 2019 war ein Jahr mit acht Starts, es diente auch zum Aufbau seiner mittlerweile vorhandenen mentalen Stärke. Großen Anteil hieran hat auch seine ständige Reiterin Jennifer Künzler, die das Pferd mit Herz, Verstand und reiterlichem Gefühl mit formte. Er ist ein durchaus spritziges Pferd mit Steher-Qualitäten. Der Boden sollte nicht zu fest sein. Mit einer Marke von 51,5 Kilo ist noch Luft nach oben, ich traue ihm auf Gras und auf Sand eine 60er-Marke allemal zu.

Ensign Ewart
Ensign Ewart siegt unter Lilli-Marie Engels am 01.03.2020 in Dortmund.

2019 steht nur ein Treffer zu Buche. Was waren die Gründe?

Alles: Kulgri konnte aus unerfindlichen Gründen nie an die Vorjahresform anknüpfen. Sie ging kerngesund aus dem Rennstall und wurde als Freizeitpferd verkauft. Ensign Ewart lief nicht oft, bekam Zeit zur Reifung zugestanden. Er stand sich in diversen Rennen selbst im Weg und wurde teilweise sehr unglücklich geritten. Deshalb habe ich die Saison 2019 früh beendet und den Stall auf 2020 fokussiert. Da ich den Großteil der Woche nur auf eine Arbeitsreiterin zurückgreifen kann, bin ich natürlich in der Anzahl der Pferde limitiert. Aber bekanntlich macht Erfolg hungrig, und da es sich momentan und perspektivisch gut anfühlt, ist Ergänzung durchaus vorstellbar. Das Auktionsjahr in England nimmt ja zusehends Fahrt auf!

Ein Sport der Emotionen

Wie sind Sie zum Rennsport gekommen?

Alles: Durch meinen Onkel Herbert Schäfer wurde ich bereits als kleiner Bub infiziert und habe mein Handwerkszeug in seinem Stall gelernt. Er war ein über die Jahrzehnte passionierter Trainer und Besitzer, sowie ein beherzter Zocker. Mittlerweile 87, ist er am Sport immer noch interessiert und nimmt am Werdegang meiner rege Pferde teil. Der Sport liefert tolle Bilder und Emotionen mit Nachhaltigkeit. Mich freut es immer besonders, mit günstigen und aussortierten Pferden vom „Wühltisch“ Auktion England, den Profis ein Schnippchen zu schlagen. Der Lope de Vega-Sohn Ensign Ewart wurde als Jährling für 100.000 Pfund und die Zoffany-Tochter Any Smile für 60.000 Pfund zugeschlagen. Zu mir kamen sie zum Preis eines alten PKW’s mit leidlich zwei Jahren TÜV. Beide zeigten in Deutschland vom ersten Laufen an Rennvermögen und Leistungsbereitschaft.

Wie sind die Trainingsbedingungen in Mannheim? Wie ist das Verhältnis zu den anderen Mannheimer Trainern?

Alles: Die Trainingsbedingungen sind gut. Ich arbeite die Pferde allerdings nur ca. drei Tage die Woche auf der Bahn. Weitere drei Tage, jeweils im Wechsel, arbeite ich im Wald, wo ich mit eigenem Traktor und Egge immer optimale Bedingungen schaffen kann. Am siebten Tag der Woche werden die Pferde dressurmäßig auf dem Platz oder in der Halle gearbeitet. Marco Klein arbeitet vormittags, Horst Rudolph ab 15:00 Uhr und ich zwischen den beiden. Jeder hat zu diesen Zeiten die Bahn für sich.

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Lucy Bee
Lucy Bee siegt unter Olga Laznovska am 05.08.2015 Renntag in Köln.

Was waren bisher die schönsten Siege/Erlebnisse? Was wollen Sie im Jahr 2020 erreichen?

Alles: In der jüngeren Vergangenheit die Siege von Lucy Bee in Köln, Start–Ziel-Husarenritte von Olga Laznovska. Die Siege des 800-Pfund-Schnäppchens Duke of Dunton in Dortmund auf der Sandbahn und natürlich der Toto-Schocker Antaro in Baden-Baden. Ziele sind drei Siege mit Ensign Ewart, einen auf Sand und zwei auf Gras. Any Smile sollte auch nicht allzu lange sieglos bleiben, dann sehen wir weiter. Aber der Turf-Teufel darf halt nicht zuschlagen … Köln und Dortmund, große Bahnen mit sportlich korrekter Linienführung und von Mannheim aus noch mit vertretbarem Aufwand erreichbar, sind meine Lieblingsbahnen.

Duke of Dunton
Duke of Dunton siegt unter Daniele Porcu am 17.02.2016 in Dortmund.

Wie ist Ihre Familie mit dem Rennsport verbunden?

Alles: Ich bin Einzelkämpfer, man freut sich über Erfolge. Es versteht aber niemand, dass ich um 3:30 Uhr zum Winterrenntag aufstehe, in den Stall fahre zum Füttern, um 5:30 Uhr verlade, um dann 300 Kilometer einfach zu fahren…

Was machen Sie im Hauptberuf?

Alles: Nach einer Lehre zum Maschinenschlosser habe ich über den zweiten Bildungsweg Abitur gemacht, um anschließend an der Universität Mannheim erfolgreich BWL zu studieren. Danach war ich über 30 Jahre als Verkaufsleiter in der Branche Werkzeuge/Werkzeugmaschinen tätig, davon 15 Jahre in der Geschäftsführung mit dem Verantwortungsbereich Vertrieb und Marketing.

Meine durchaus vorhandene Leidenschaft zum Risiko und zum Spiel habe ich, beeinflusst durch mein Studium, zusehends von der Rennbahn auf den internationalen Kapitalmarkt verlegt. Beides ermöglichte mir im Alter von 57 Jahren den Status eines Privatiers einzunehmen. Ende 2021 wechsle ich in den Rentenstatus. Mit Turf-Agent Rüdiger Alles bin ich übrigens nicht verwandt. Wir haben uns vor Jahren mal darüber ausgetauscht, konnten aber in der nahen Vergangenheit keine Berührungspunkte entdecken.

Leidenschaftlicher Koch und Gärtner

Verbinden Sie Urlaube mit Reisen in Rennsportländer? Was sind Ihre bevorzugten Freizeitbeschäftigungen?

Alles: Nein, nur wenn sich zufällig im Urlaub mal die Gelegenheit bot. Beispiele hierfür waren Salon de Provence, Cagnessur-Mer, das Grand National in Aintree und Meran. Die Familie und die Pferde sind meine bevorzugten Beschäftigungen, ich koche gerne und bin Landwirt/Gärtner für den Eigenbedarf.

Michael Alles
Michael Alles am 17.03.2018 in Dortmund.

Welches Pferd würden Sie gerne besitzen?

Alles: Ich bin mit meinen beiden Pferden sehr zufrieden, sie machen rundum Spaß und sind ein Dream-Team. Immer wieder gerne schaue ich mir Videos des dreifachen Grand National-Siegers Red Rum an. Dieses Rennen unter Handicap-Bedingungen dreimal zu gewinnen wird schwer zu wiederholen sein.

Was wünschen Sie sich für den deutschen Turf?

Alles: Eine gemeinsame Stoßrichtung von Verband und Vereinen in Richtung Konzentration auf das Wesentliche, und das ist momentan der Erhalt dieser wunderbaren Sportart in Deutschland. Weg vom Dünkel, der Selbstverliebtheit und den lokalen Egoismen.

In der Sport-Welt, ich denke es ist ca. 15 Jahre her, hat Christian von der Recke in einer Kolumne einen Wochen-Renntag in Utoxetter beschrieben. Eine Allerweltsbahn mit sportlich wenig aufregenden Rennen, aber einem beispielhaften Umgang mit denen, die die Party finanzieren, den Besitzern. So wie in Deutschland der durchschnittliche Steuerzahler aus der politischen Wahrnehmung verschwunden ist und ignoriert wird, geht es in unserem Sport dem kleinen Besitzer.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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