Insider-Talk mit Birgit Rossteuscher: „Hör immer auf deinen Trainer“

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Eindrucksvoller könnte die Bilanz kaum sein. Sechs Starts, sechs Siege – Verlan ist ohne Zweifel des Star der bisherigen deutschen Sandbahn-Saison. All seine Rennen in Dortmund gewann Wallach sehr eindrucksvoll. Offenbar sind ihm hierzulande keine Konkurrenten gewachsen. Sehr zur Freude seiner Besitzerin, der Kölner Unternehmerin Birgit Rossteuscher. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet sie über ihre Passion für die schnellen Pferde und ihren aktuellen Crack.

Verlan ist unbestritten das Pferd, das die Sandbahn-Saison bislang dominierte. Wie kam es zu dieser Leistungsexplosion? Hatten Sie ihm das vorher zugetraut?

Birgit Rossteuscher: Eigentlich hatten wir ihm solche Leistungen von Anfang an zugetraut. Zweijährig wurde er durch eine Verletzung in seiner Entwicklung gestoppt, hat dann danach dreijährig zwar gewonnen, war aber noch ein großes Baby mit viel Unsicherheit, besonders auf kaputtem, unebenem Geläuf. Die Verletzung, die damit verbunden Behandlungen haben ihm auch zugesetzt, er musste erst wieder Vertrauen fassen, was jetzt zurückgekehrt ist.

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„Der Trainer hat den größten Anteil am Erfolg“

Welchen Anteil hat Trainer Axel Kleinkorres? Was schätzen Sie besonders an ihm?

Birgit Rossteuscher: Natürlich hat der Trainer den größten Anteil am Erfolg, wer sonst? Er hat ihn auch entdeckt, in der hintersten Ecke auf der Badener Herbstauktion, den wollte er unbedingt haben – ich wollte eigentlich keinen Fuchs. Aber, hör immer auf deinen Trainer!

Doch auch unser Team hat immer an Verlan geglaubt, mit viel Geduld und gutem Zureden hat er immer mehr Vertrauen und Selbstbewusstsein bekommen. Auch der Umzug nach Mülheim hat ihm gutgetan, eine schöne, große Box, mit Blick aus dem Fenster, das liebt er sehr.

Verlan mit Birgit Rossteuscher
Verlan mit Birgit Rossteuscher

Trainer Axel Kleinkorres ist ein erfahrener Pferdekenner. Seine nicht immer angepasste Art erschreckt vielleicht manchen – aber unsere Zusammenarbeit klappt super, und die Pferde sind bei ihm gut aufgehoben. Durch seine Erfahrung erkennt er so manche Schwachstelle, manchmal früher als ein Tierarzt. Als Besitzer(in) kann man sich darauf verlassen, dass das Wohl der Pferde an erster Stelle steht. Diese Einstellung vermittelt er auch seinem Stallpersonal. Die gute Stallatmosphäre überträgt sich auch auf die Pferde. Die Pferde sind ruhig und ausgeglichen und den Menschen zugewandt.

„Bin gerne hautnah dabei“

Da es keine Ausgleiche II mehr auf Sand, sind die Startmöglichkeiten in Deutschland eingeschränkt. Gibt es Auslandspläne mit Verlan? Oder wechseln Sie mit ihm wieder auf Gras?

Birgit Rossteuscher: Die Möglichkeit, in Frankreich zu starten, haben wir immer noch (Verlan ist Franzose). Aber dort hängen die Trauben hoch, der Aufwand ist ebenfalls hoch, und meistens dauert es ein paar Starts, bis man mit Platz- oder Sieggeldern nach Hause fahren kann. Bis dahin sind dann aber schon nicht unerhebliche Transportkosten angefallen – diese Rechnung sollte man schon überlegen.

Magic Shadow mit Birgit Rossteuscher
Magic Shadow mit Birgit Rossteuscher

Mir macht es Spaß, in Deutschland zu laufen, hautnah dabei zu sein. Am Bildschirm im Büro zu sitzen ist doch nicht vergleichbar mit der Live-Atmosphäre. Wer kann schon unter der Woche mal eben zu den Rennen nach Frankreich reisen? – und, heißt es nicht, der deutsche Rennsport muss unterstützt werden? Wir Besitzer(innen) können doch unseren Teil dazu beitragen, indem wir in Deutschland starten. Also werden wir es bei guten Bodenverhältnissen auf Gras weiter hier versuchen – mal sehen, ob die Scheuklappen dort auch wirken.

Vor der Siegesserie war ihm nur ein einziger Treffer gelungen. Hatten Sie schon einmal überlegt, mit ihm aufzuhören? Wie sehr wurde Ihre Geduld strapaziert?

Birgit Rossteuscher: Aufhören war im Herbst ein Gedanke, Reitpferd war die Option. Das „Ersatzpferd“ wurde dann auch schon im Oktober in Baden gekauft. Aber dann wollte der Trainer es noch einmal auf Sand versuchen – und: hör immer auf deinen Trainer! 6 Siege in 6 Rennen geben die deutliche Antwort.

„Timotheus ist mein heimlicher Liebling“

Ihr Timotheus, zweijährig Sieger im Kölner Auktionsrennen, gefiel Ende 2021 in Top-Handicaps und wiederum Auktionsrennen. Trauen Sie im den Sprung auf Listen- oder Gruppe-Ebene zu? Was zeichnet ihn aus?

Birgit Rossteuscher: Timotheus, mein heimlicher Liebling, hat sich jetzt vierjährig sehr gut entwickelt. Leider sind Hengste mit einem GAG von 78,5 kg schwer unterzubringen. Listenrennen gibt es kaum für Hengste, Ausgleiche. I so gut wie gar nicht – also, hier wird wohl der Weg nach Frankreich zwingend sein. Ob er dann in die Gruppenrennen in Deutschland passt, werden wir sehen. Die Hoffnung ist da, zumal wir mit der Umstellung auf weitere Wege und damit ruhigere Rennverläufe deutliche Fortschritte gemacht haben. Ein zweiter. Platz im Düsseldorfer-Auktionsrennen und der dritte Rang im Top-Handicap in Baden als Dreijähriger lassen doch für die kommende Saison hoffen.

Sie haben aktuell vier Pferde bei Axel Kleinkorres in Training. Wie sind die Hoffnungen mit den anderen beiden Pferden? Wie suchen Sie die Pferde aus?

Birgit Rossteuscher: Es gibt noch einen dreijährigen Caravaggio-Hengst, der sich gerade eine Auszeit genommen hat, aber Mitte dreijährig wieder fit sein sollte. Da er ein kräftiges Pferd ist, muss man ihm alle Zeit geben, die er sich selbst nimmt.

Timotheus mit Axel Kleinkorres
Timotheus mit Axel Kleinkorres

Das „Ersatzpferd“, ein zweijähriger Hengst von Amaron, ein Etzeaner, er macht auch viel Hoffnung. Vielleicht kann er in den Auktionsrennen glänzen. Die Abstammung von Amaron, die mich schon bei Timotheus überzeugt hat, war Grund für die Wahl. Amaron macht genau die Pferde, wie sie für mich sein müssen, zutraulich, lieb, verschmust, trotzdem mit Rennkopf. Bisher war es die richtige Wahl.

Bei der Auswahl der Pferde muss immer der Trainer dabei sein, ein Pferd, das ihm nicht gefällt, kommt nicht in Frage. Auch Helmut Kappes mit seinem guten Auge ist eine wertvolle Unterstützung bei der Entscheidung. Wichtig ist aber, dass ich gleich eine Zuwendung von beiden Seiten spüre – Pferd und zukünftige Besitzerin, dann geht alles ganz schnell.

Woher kommt der Name“ Phantom“?

Woher kommt der Name ihres Rennstalles – Stall Phantom? Was waren die bislang größten Erfolge, aber auch die heftigsten Enttäuschungen?

Birgit Rossteuscher: Stall Phantom war zunächst eine Besitzergemeinschaft von drei Personen, damals noch bei Trainer Horst Horwart. Im Laufe der Zeit bin ich allein übriggeblieben. Da mein Nachname im Rennsport vielleicht eher irritierend wirkt, habe ich den Stallnamen beibehalten. Die Farben sind immer noch attraktiv, im Rennen stets gut zu verfolgen, also keine Änderung nötig.

Der größte Erfolg war zweifellos der Sieg von Timotheus im Auktionsrennen in Köln. Aber auch sein Debut-Sieg in Mülheim war ein Traum. Beim ersten Start eines Pferdes überlegen zu gewinnen, davon träumt jeder Besitzer. Die größte Enttäuschung war der Unfall eines Pferdes im Rennen in Amiens, den ich allein beim Buchmacher in Köln beobachten musste (Livestreams gab es noch nicht). Beinbruch mit dem Sieg vor Augen – Pferdehimmel.

Ersatzpferd Two Tribes mit Birgit Rossteuscher
Ersatzpferd Two Tribes mit Birgit Rossteuscher

Was muss man als Pferdebesitzer vor allem mitbringen? Welches Rennen würden Sie gerne einmal gewinnen?

Birgit Rossteuscher: Ich gewinne jedes Rennen gern, besonders in Baden Baden, wo ich schon dreimal siegreich war, ist es sehr schön. Ein Grupperennen zu gewinnen wäre ein Traum. Aber auch fünf Rennen hintereinander auf, von fast allen ungeliebtem Sand (außer Verlan) zu gewinnen, ist ein Highlight!

Was machen Sie im Hauptberuf? Welche Rolle spielt der Rennsport in Ihrem Leben? Wie hat alles angefangen?

Birgit Rossteuscher: Natürlich habe ich ein Leben neben dem Rennsport. Aber die Pferde machen schon einen großen Teil meines Lebens aus. Um das führen zu können, arbeite ich als geschäftsführende Gesellschafterin in einem Unternehmen in Köln, Geschäftsbereich Garten-/Landschafts-/Tief- und Rohrleitungsbau.

Mit dem Rennsport bin ich schon als kleines Kind in Berührung gekommen. Wir wohnten in Mülheim an der Ruhr, in der Siepenstraße, gegenüber der Rennbahnstraße. Die Rennbahn war unser Spielplatz. Am Wochenende begleitete ich Opa und Vater zu den Rennen am Raffelberg – infiziert fürs Leben. Und, jetzt wieder zurück mit den Pferden in der alten Heimat – für mich ganz besonders.

Was würden Sie im deutschen Galopprennsport gerne verändern/verbessern?

Birgit Rossteuscher: Das ist die schwierigste Frage! Verändern müsste man vor allem die Bedingungen an der Basis. Bessere Arbeitsbedingungen für die Stallmitarbeiter, die ein so wichtiger Faktor im Rennsport sind, damit es lukrativer wird, diesen tollen Beruf zu ergreifen. Aber natürlich fehlen hierfür die finanziellen Mittel. Damit wird es ein großes Problem in Zukunft geben. Mitarbeiter fehlen wohl bei fast allen Trainern und Nachwuchs ist kaum in Sicht. Die anderen Verbesserungen werden fast wöchentlich in den sozialen Netzwerken diskutiert, angepasste Ausschreibungen, höhere Preisgelder, Zusammenarbeit der Rennvereine, statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen usw., die Probleme kennen wir alle, die Lösung hat bisher noch keiner gefunden – hoffen wir auf bessere Zeiten!

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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