Galopp+Insider Christian Sundermann: „Träumen ist immer erlaubt, mehr wäre aber gierig“

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Loriot war der wohl größte deutsche Humorist. Christian Sundermann (52) ist einer seiner glühendsten Anhänger. Daher gründete er auch vor Jahren den Stall Wo laufen sie denn?, seinen Renndress zieren die typischen Loriot-Knollennasenmännchen, und viele seiner Pferde haben einen Namensbezug zu ihm. Aber auch als Funktionär machte sich der Besitzer aus München schon einen Namen sowie als Mitinitiator des Match RaceCups.
Exklusiv im Galopp+Insider auf dem RaceBets-Blog gibt Christian Sundermann einen Einblick in sein Leben im Rennsport.

Christian Sundermann im Portrait am 02.07.2017 Renntag in Hamburg.

„Zum Galopprennsport bin ich über eine gewonnene RennQuintett-Wette 1981 gekommen: Den Jackpot mit 1,5 Mio. Mark – was für eine Summe!  – habe ich nicht geknackt, aber die Pferdetoto-Wette (also die Dreierwette) mit 1 Mark gleich beim ersten Versuch geradeaus getroffen und 220 Mark kassiert. Für mich fünfzehnjährigen völlig galoppahnungslosen kleinen Münsterländer war das viiiieeel Geld.
Danach habe ich mir zum Geburtstag meinen ersten Rennbahnbesuch gewünscht: OROFINO siegte im ARAL-Pokal auf der damals schon arg morbiden Galopprennbahn Gelsenkirchen-Horst. Im Regen. Nasse Füße. Zugluft auf der ramponierten zweiten Tribüne. Ich war begeistert, denn der „Galopp-Virus“ hatte mich gepackt. Damals keimte der noch sehr vage Wunsch, einmal ein eigenes Rennpferd zu haben. Meine Mutter erklärte mich für verrückt – inzwischen ist sie einer der größten Fans und fiebert immer live vorm PC mit!
Bis dahin dauert es aber noch fast zwanzig  Jahre: 2000 kaufte ich den zweijährigen TEXAS RANGER. Ein wunderschöner Trainingsweltmeister! Mehr aber auch nicht… Egal, meine Frau Rike und unsere drei – damals – Kleinkinder verbrachten von nun an jeden Samstagvormittag mit mir am Stall von Trainer Wolfgang Figge auf der Galopprennbahn München-Riem. Der Rennstall wuchs schnell auf vier Pferde an: SCUD, FAT SNAIL und IFAG MANNHEIM kamen dazu. Die beiden letzten Namen zeigen bereits meine zweite Leidenschaft auf: Loriot.
Ach Was siegt unter Alexandra Vilmar am 07.09.2013 Renntag in Berlin-Hoppegarten.

Mir gelang es, Vicco von Bülow persönlich davon zu überzeugen, mir den Renndress mit seinem Knollennasenmännchen aus dem Sketch „Wo laufen sie denn?“ zu genehmigen und den Rennstall auch so zu benennen. Das Tollste für mich war, dass er selbst mit aussuchen wollte, wie wir unsere noch umzubenennenden Pferde „loriotisieren“ würden. FAT SNAIL (also „Fette Schnecke“) kommt in zwei lustigen Sketchen vor. Loriot fand den Namen klasse, „denn wenn ein Pferd zwei Dinge sein muss, dann schnell und schlank: Fette Schnecke passt ideal!“ IFAG MANNHEIM startete sogar im Deutschen Derby 2002, musste dann aber nach einem fürchterlichen Beinbruch im Großen Dallmayr-Preis vier Wochen später auf der Münchner Rennbahn erlöst werden. Der schlimmste Rennsportmoment für die ganze Familie…
SCHNIPP SCHNAPP war der dritte Loriotiker, dann folgte der unvergessene ACH WAS, der mit sechs Siegen unser Rekordhalter ist. Allein zu ihm kann ich einen ganzen Abend was erzählen, deshalb nur in Stichworten: Loriot fand diesen Namen am besten, genau wie wir und alle mir bekannten Loriotfans, vierjährig war er Sieger im Finale der Sparkassen Sprintserie in Hoppegarten mit der erst 17-jährigen Alexandra Vilmar, die gleich beim ersten Ritt ihres Lebens als 366:10-Außenseiter ganz allein auf der Innenbahn siegte, es folgte ein schrecklicher Sturz mit ihr in St. Moritz auf dem unverantwortlicherweise unzureichend verdichteten Schneeboden, anschließend war er unglaublich gefeierter Doppelsieger in Magdeburg, „guter Zweiter“ im ersten deutschen Match Race seit 1908 gegen GAMGOOM – und letztlich verletzte er sich schwer bei einem Koppelunfall 2016: Ich musste die Entscheidung fällen, ihn von seinen Leiden erlösen zu lassen. Noch heute läuft mir ein ganz kalter Schauer über den Rücken… Mit LORD RODERICK und den beiden 1a-Loriotikern SIE HABEN DA WAS und HOLLERIE DU DÖDL DI, die allesamt von Sarah Steinberg trainiert werden, haben wir drei hoffnungsvolle Galopper für 2018 und die Folgejahre.
Schnipp Schnapp siegt unter Caroline Lippert am 31.12.04 in Neuss.

Nach Abitur und Bundeswehr habe ich 1985 bis 1987 eine Banklehre bei der WestLB in Münster absolviert und dabei meine Frau kennenlernen dürfen, danach BWL studiert und ab 1992 in Bonn und Düsseldorf zuerst im Vorstandsstab der WestLB, danach im Bereich „Going Public“ (Börseneinführungen) von vor allem mittelständischen Unternehmen gearbeitet. 1999 wechselte ich als Bereichsleiter für Unternehmensfinanzierung zur EM.TV & Merchandising AG nach München und machte mich Anfang 2001 als Unternehmerberater für Finanzierungsfragen selbständig. Börsengänge und das darauf folgende Leben der Aktiengesellschaften an der Börse sind somit seit nun 25 Jahren mein Tätigkeitsgebiet.
Im Rennsport war ich bis 2006 Vorstand im Münchener Rennverein, derzeit bin ich dort Kassenprüfer, ein paar Jahre war ich auch im Vorstand der Bayerischen Besitzervereinigung, 2003 und 2004 Vorsitzender des Verwaltungsrates der Betriebsgesellschaft der Galopprennvereine, „hinter den Kulissen“ habe ich viele Jahre Wettunternehmen beraten und darf derzeit zusammen mit Andreas Tiedtke Überlegungen anstellen und Schritte vorschlagen, dem deutschen Galopprennsport zum einen eine neue organisatorische Struktur, zum anderen laufende Einnahmequellen zu verpassen und dabei möglichst sorgsam mit den Geldern umzugehen, die das Direktorium und die Galopprennsport-Finanziers aus dem Verkauf der RaceBets-Beteiligung erlöst haben. Eine spannende Aufgabe!
Stefanie Hofer und Christian Sundermann im Portrait am 09.07.2016 Renntag in Hamburg.

Rein sportlich waren die größten Erfolge der dritte Platz von IFAG MANNHEIM 2002 im Großen Müller Brot-Preis, Gruppe II, in München und der Sieg von LORD RODERICK im Quinte+-Rennen in Chantilly am 10.05.2017.
Das emotional schönste Erlebnis war der schon erwähnte Sieg von ACH WAS mit Alexandra Vilmar in Hoppegarten am 03.10.2012, weil er einfach so unerwartet kam – auch wenn ich das ein paar Nächte zuvor tatsächlich geträumt hatte – und mich immer wieder in Euphorie versetzt, wenn ich mir das nochmal auf Youtube anschaue. Als Film würde ich sagen: „Wie kitschig!“ – in der Realität: „Wie geil!“
Toll waren auch seine beiden Siege in Magdeburg, weil dort eine ganz außergewöhnliche Stimmung herrscht. Der erste war zugleich Wolfgang Figges 800. Sieg, beim zweiten war seit Jahren mal wieder die ganze fünfköpfige Familie siegreich live mit dabei.
Sie haben da was am 08.10.2017 Renntag in München.

Die Erwartungen von Guido Schmitt und mir übertroffen hat das Echo des Match Races zwischen GAMGOOM und ACH WAS 2015! Auch hier: Gänsehaut. Immer noch. Nicht wegen des sportlichen Niveaus, aber die Reaktion der Öffentlichkeit war faszinierend und begeisternd. Klar, dass wir das zu einer Art „DFB-Pokal“ ausbauen mussten.
„Erfolgsgeheimnisse“ habe ich keine, da die Rennerfolge – absolut gesehen – ja auch eher spärlich sind. Große Siege wären eine übertriebene Erwartung bei der relativ geringen Anzahl an Pferden in all den Jahren. Ich behalte den Spaß am Galopprennsport, weil ich die Chancen sehr realistisch betrachte: Träumen ist immer erlaubt, mehr wäre aber gierig. Ich gebe den Pferden die Zeit, die die Trainerin Sarah Steinberg für sie zu benötigen glaubt. Auch über gute Platzierungen und „ehrliches“ Laufen freue ich mich immer sehr. Mein Motto lautet: „Auch Silbermedaillen glänzen!“  Das Beste, was ich als Besitzer für meine Pferde tun kann, sind zwei Dinge: a) pünktlich die Rechnungen zu bezahlen und b) die Klappe zu halten. Den Rest regeln schon die Profis im Stall und im Sattel, da bin ich immer zuversichtlich.
Lord Roderick siegt unter Adrie de Vries am 04.06.2017 Renntag in Hoppegarten.

Die Pferde sollen gesund bleiben und Freude am Galoppieren haben, das ist das Allerwichtigste für mich. Dem LORD RODERICK wünsche ich die Form aus dem ersten Halbjahr 2017 zurück. Ihn hatte zuletzt der Mumm verlassen. Bitte Daumen & Hufe für ihn drücken! Gewinnen möchte ich den Melbourne-Cup 2020 mit SIE HABEN DA WAS und das Deutsche Stutenderby 2019 mit HOLLERIE DU DÖDL DI. Man muss ja Ziele haben im Leben! Mal schauen, ob die beiden Pferde sooo weit mitspielen wollen – und können. Ansonsten schauen wir drei uns die Rennen am PC an… (lacht).
Dem deutschen Galopprennsport wünsche ich die öffentliche Aufmerksamkeit zurück, die er meiner Überzeugung nach verdient hat. Die Arbeit, die in den Gestüten und Rennställen sowie auf den Rennbahnen geleistet wird, ist hervorragend. Hier muss mit verstärktem Marketing (Kommunikation & Produkt) zuerst angesetzt werden: Der Kuchen muss vergrößert, nicht die Krümel umverteilt werden. Engagierte Personen gibt es zuhauf. Wenn diese jetzt alle mal am selben Ende des Seils ziehen, bekommen wir den Sport wieder flott.“

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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