Orlando Jet und Rudi Haller: Unser Team für Solvalla

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Rudi Haller ist von Natur aus die Ruhe selbst. Aber an jenem 2. August des Jahres 2014 war er schon verdammt nervös. Er hatte im Vorfeld der Berliner Derby-Auktion einen Jährling gesehen, von dem er wusste: den muss ich haben.
Nun gehören deutsche Trabertrainer in der Regel nicht zu den reichsten Menschen auf der Welt, und so wollte Haller das Pferd zwar gern im Stall haben, aber möglichst kein eigenes Risiko eingehen – und suchte folglich einen investitionsfreudigen Besitzer. Finden konnte er zunächst keinen, bis ihm der Österreicher Walter Bauer einfiel. Der Inhaber des Stalles Team Neuhof aber winkte ab: „Ich habe schon hundert Pferde, ich brauche keinen mehr“, beschied er Haller Anfrage negativ. Doch der ließ nicht locker, bot und ersteigerte den Hengst Orlando Jet für ein Schlussgebot von 7.500 Euro. Als es ans Unterschreiben des Kaufbelegs ging, wurde der zwischen Haller und Bauer ein paar Mal hin und her geschoben, bis es Bauers Ehefrau Margareta zu bunt wurde und sie kurzerhand unterschrieb. Keiner der Beteiligten hat es ihr jemals übel genommen.

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Solvalla – Sonntag, 27.05.18

Inzwischen sind der Landwirt aus Velm bei Wien, unweit des Magna Racino in Ebreichsdorf, und seine Frau nach unseren Informationen nicht mehr zusammen, aber Orlando Jet blieb bei Haller, der ihn zunächst mit nach Österreich nahm, wo er zu dieser Zeit noch tätig war. „Ich habe sehr bald erkannt, dass er das beste Pferd ist, das ich je in der Hand hatte“, sagt heute der Mann, der, obwohl Deutscher, u.a. ein halbes Dutzend Derbys in Österreich und insgesamt mehr als 2.100 Rennen gewann und auch mit Pferden wie Renado oder Saskia Bisa international erfolgreich war. Aber Haller ist auch ein Verfechter des Prinzips „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Und deshalb ließ Orlando Jet als Zweijährigen in Ruhe, bereitete ihn stattdessen gezielt auf das wichtigste Rennen im Leben eines jeden Pferdes vor – das Deutsche Traber-Derby.

Orlando Jet im Portrait (© by traberfoto-sx)

Der geplante Coup aber schien schon am Start des Vorlaufs zu scheitern, als der bis dahin nur einmal bezwungene Sohn des Franzosen Orlando Vici vom inneren Startplatz kurz rumpelte, zwar schnell wieder in Gang war, dann aber von einem vierstellig notierten Außenseiter behindert wurde und einen weiteren Stopp hinnehmen musste. „Ich war danach so sauer, dass ich vor den Tribünen gleich bis ganz nach vorn durchgefahren bin“. Trotz des Kraftaktes blieb Orlando Jet bis zu Linie im Vorteil, musste aber mit 1:12,9 die mit Abstand schnellste Zeit aller Vorläufe traben. „Das und die Entscheidung, ihn nach Hause zu bringen und einem weiteren, langen Transport auszusetzen, waren letztlich wohl entscheidend für unsere Final-Niederlage eine Woche später“, resümiert Haller mit professionellem Abstand zum Ereignis heute. Trotz eines passenden Rennens reichte es am ersten August-Sonntag nur zum Ehrenplatz hinter Muscle Scott, ein Pferd, das Orlando Jet heute nicht mehr fürchten müsste.
Als Entschädigung sicherte sich der Hengst sechs Wochen später die Breeders Crown, ging danach in die Pause und legte ein Jahr später eine nahezu perfekte Saison hin, die ihn sogar das berühmte Plateau de Gravelle als Sieger verlassen ließ. Nur im Großen Preis von Deutschland musste er einige an diesem Tag stärkere europäische Altersgefährten hinter sich lassen. Der Sieg im BILD-Pokal am 1. Mai diesen Jahres, aus der Pause heraus, brachte ihm schließlich die Einladung zur inoffiziellen Sprint-Weltmeisterschaft, dem Elitloppet, nach Solvalla ein.
Dort wird der Fünfjährige zum ersten Mal die Klingen mit der Weltspitze des Trabrennsports kreuzen. Bold Eagle, der zweifache Prix d´Amerique-Sieger, startet zwar im anderen Vorlauf, doch der im Millionen-Rennen am letzten Januar-Sonntag in Paris drittplatzierte US-Schwede Propulsion (Örjan Kihlström) und der von dem deutschen Weltenbummler Wilhelm Paal aufgebotene Italiener Ringostarr Treb werden beinharte Prüfsteine für den Deutsch-Österreicher werden.
Bereits am Dienstagabend begann der Trip gen Norden, auf dem der Hengst von Pflegerin Sarah Wiehe begleitet wird, die sich die Verantwortung für dessen Wohlergehen mit Hallers Frau Veronika teilt. Erstes Etappenziel auf dem Weg in die schwedische Hauptstadt war das Gestüt Margaretenhof von Richard und Peter Busch, wo Orlando Jet in unmittelbarer Nähe der A1-Abfahrt Hamburg Stillhorn am 29. April 2013 geboren wurde. Nach einem ausgiebigen Koppelaufenthalt ging es am Mittwochabend weiter Richtung Schweden, wo man am frühen Donnerstag einzutreffen hofft, so dass bis zum Rennen am Sonntag noch knapp drei Tage zur Akklimatisierung und Erholung blieben.
Orlando Jet will das Finale erreichen – und bestenfalls natürlich gewinnen. (© by traberfoto-sx)

Die Startnummer 3, die der 53-Jährige und sein Crack gelost haben, ist gut, aber auch nicht ungefährlich. „Ich werde spontan entscheiden, ob ich losfahre oder nicht, aber meine Tendenz geht dahin, am Anfang nichts zu riskieren und lieber die Innenkante zu suchen. In so einem Haifischbecken wäre alles andere glatter Selbstmord“, bleibt sich Haller auch bei der Frage nach der anzuschlagenden Taktik treu. Orlando Jet ist der erste deutsche Starter in diesem Rennen seit 2012. Damals wurde ein bereits neun Jahre alter Hengst namens Classic Grand Cru im Finale sensationell Dritter, nachdem er im Vorlauf mit 1:09,6 absoluten Deutschen Rekord gelaufen war.
Schon das Vordringen Orlando Jets in das Finale 2018 wäre eine tolle Leistung, und eine Platzierung im Finale hielte (fast) den Vergleich mit dem vierten Platz Michael Schultes beim Eurovision Song Contest aus – zumindest für die Traberfans in Deutschland und Österreich.

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