Heute beschäftigen wir uns mit einem Pferd, das vielleicht heute sehr berühmt gewesen wäre – hätte es da nicht die Legende gegeben, gegen die er antreten musste. Die Rede ist von Crisp. In seinem Heimatland gewann er viele bedeutende Hindernisrennen, insbesondere Zwei-Meilen-Rennen, darunter die Hiskens Steeplechase in den Jahren 1969 und 1970. Er sprang so gut, dass man ihm den Spitznamen „The Black Kangaroo“ gab und man ihn ins Mutterland des Hindernissports schickte. Crisp gab sein Debüt in einem Handicap-Rennen in Wincanton, welches er mit sagenhaften fünfzehn Längen gewann. Dafür bekam er ein entsprechendes Gewicht aufgelegt, doch man beobachtete den Australier natürlich genau. Er wurde von Richard Pitman geritten, der Crisp die meiste Zeit seines Lebens reiten sollte und Pitman war begeistert von Crisp, denn er sprang überzeugend und hatte einiges an Speed.
Seine erste große Prüfung war 1971 die Champion Chase beim Cheltenham Festival (heute die Queen Mother Champion Chase). Auch hier war es ein leichter Sieg. Im folgenden Jahr beschloss Crisps Besitzer, ihn im Cheltenham Gold Cup starten zu lassen, doch die Distanz lag Crisp nicht. Trotz dieses Rückschlags wurde der Wallach für das Grand National genannt, man weiß nicht so genau, was sich Thomas Chester Manifold dabei dachte, doch Fred Winter musste Crisp ein paar neue Tricks beigebracht haben, denn er schmunzelte stets, wenn man ihn zum Stehvermögen seines Pferdes befragte, gab aber keine Informationen preis, bis die Gewichte für das Grand National feststanden und das große Rennen schließlich stattfand. Crisp, der ein Höchstgewicht von 12 Steinen trug, ging als 9/1 Chance ab und war gemeinsamer Favorit mit Red Rum, der 10 Steine und 5 Pfund trug. Crisp ging in der Anfangsphase des Rennens an die Spitze und als der ebenfalls mitfavorisierte Grey Sombrero an The Chair stürzte, hatte er einen Vorsprung von 15 Längen.
Jockey Pitman erinnerte sich später daran, dass der gestürzte Jockey David Nicholson ihm am Zaun von Becher’s Brook auf der zweiten Runde zurief: „Richard, du hast 33 Längen Vorsprung, mach weiter und du gewinnst!“ Gleichzeitig hörte er, wie der Kommentator Michael O’Hehir per Mikrofon verkündete: „Red Rum ist hinter ihm”. Am 30. und letzten Hindernis lag Crisp immer noch 15 Längen vor Red Rum, dem er 23 Pfund gab, aber er wurde langsam müde. Red Rum machte auf der 494 Yards langen Einlaufstrecke viel Boden gut, und zwei Schritte vor dem Ziel überholte er Crisp, um mit einer dreiviertel Länge zu gewinnen und seinen ersten von drei Grand National-Titeln zu gewinnen. Selbst in der Niederlage hatte Crisp den Grand National Streckenrekord um 20 Sekunden verbessert.
Obwohl Red Rum einen noch nie dagewesenen Rekord aufstellte und sich damit einen Platz in der britischen Sportgeschichte sicherte, ist das Rennen von 1973 wegen Crisps Niederlage beim Einlaufen ebenso in Erinnerung geblieben wie wegen Red Rums knappem Sieg. Der erfahrene Kommentator Jim McGrath bezeichnete den Kampf zwischen Red Rum und Crisp als einen der Höhepunkte aller Grand Nationals und sagte, Crisp sei das unglücklichste Pferd in der Geschichte des Rennens gewesen. Nach seinem zweiten Platz im National 1973 lief Crisp in dieser Saison dreimal. Nach einem Aufwärmrennen über Hürden in Wincanton gewann er eine zweieinhalb Meilen lange Chase in Newbury und schlug dabei den Zwei-Meilen-Champion Royal Relief.
Seine Revanche sollte aber kommen. In Doncaster lief er mit gleichem Gewicht gegen seinen alten Feind Red Rum. Crisp gewann mit acht Längen, verletzte sich aber dabei und wurde für die Saison nicht mehr angepackt. Pitman, sein Jockey, sagte in einem Interview aus dem Jahr 2003, dass er schließlich als Jagdpferd genutzt wurde. Acht Jahre trug er seinen Besitzer noch, dann starb er während einer Jagd – vermutlich an einem Herzinfarkt oder einem Aortenabriss. Crisp wurde am Eingang des Anwesens seines damaligen Besitzers begraben. Über dem Grab wurde ein Kirschbaum gepflanzt, der zur Zeit des Grand National blüht.