Der Rennsport verkauft nicht nur Chancen und Tickets – er verkauft auch Träume. Und eine gute Geschichte ist manchmal schon Gold wert. Wie beim Kentucky Derby in diesem Jahr. Auch wenn uns das Rennen etwas fern ist, hier in Deutschland (Dirt, Distanz – für uns stimmt da so ziemlich nichts), so können wir uns doch für solche märchenhaften Aufstiege begeistern, wie den von Rich Strike, dem Nachrücker im Kentucky Derby, der vollkommen überraschend das Rennen gewann.
Rich Strike ist nach Donerail (91:1), im Jahr 1913, der zweitgrößte Longshot, der das Kentucky Derby je gewann. Ohne die Streichung von Ethereal Road am Vortag wäre er nicht einmal gelaufen. Rich Strikes Vater Keen Ice ist vor allem dadurch bekannt, dass er American Pharoah in seiner Blütezeit schlug und offenbar auch für einen Nachkommen, der überraschend das Kentucky Derby gewann. Die Mutter Smart Strike stammt aus Kanada und war eine durchaus gute Stute. Aber als Mutterstute hatte sie sich noch nicht so hervorgetan.
Rich Strike, der ursprünglich von Joe Sharp trainiert wurde, startete erstmals am 15. August 2021 in einem Maiden-Special-Weight-Rennen über eine Meile auf Turf. Doch es sah alles andere als gut aus, ihm schien der Boden nicht zuzusagen, wirkte nie zwingend und wurde abgeschlagener Letzter. Des einen Freud – des anderen Leid. Denn anschließend schickte man Rich Strike in einen Claimer, wo er sich auf dem Kurs von Churchill Downs hervorragend schlug. Er rannte dem Feld mit sage und schreibe 17+1⁄4 Längen davon, nachdem er sich am Start etwas versäumte. 30.000 $ wurden von Eric Reed auf den Tisch gelegt und er lag mit diesem Kauf goldrichtig.
Beim nächsten Rennen zeigte sich, dass Rich Strikes Bummeleien wohl dazugehörten, denn auch hier lag er zunächst weit hinten, bevor er auf den dritten Platz sprintete. Zu mehr reichte es jedoch nicht, er blieb mehr als drei Längen hinter dem Sieger. Und sein letztes Rennen als Zweijähriger gestaltete er genauso. In den Gun Runner Stakes wurde er Fünfter, während Epicenter sich den Sieg holte. Rich Strike gab sein Debüt als Dreijähriger am 22. Januar 2022 in den Leonatus Stakes. Wie üblich lag er zu Beginn des Rennens weit zurück und kam erst spät als Dritter ins Ziel. Reed sagte später, dass Rich Strike wegen des Wetters mehrere Trainingstage verloren hatte und der Hengst zeigte sich ungeduldig und aufgeputscht. Reed beklagte sich bitterlich über Rich Strike, der gar nicht mehr er selbst zu sein schien und das machte die kommenden Rennen nur schwieriger.
In den John Battaglia Memorial Stakes träumte Rich Strike mal wieder den halben Weg, um dann aufzuholen und Vierter zu werden. Beim nächsten Rennen wurde er Dritter gegen Tiz the Bomb, auf den er ebenfalls im Kentucky Derby treffen sollte.Der dritte Platz im Jeff Ruby brachte Rich Strike 20 Punkte auf der 2022 Road to the Kentucky Derby ein, was ursprünglich zu wenig war, um sich für das Rennen zu qualifizieren. Um 8:45 Uhr am Freitagmorgen wurde Reed darüber informiert, dass es keine Streichungen gab, doch die kurzfristige Streichung eines anderen Pferdes, Ethereal Road, ermöglichte ihm die Teilnahme am Derby, und Minuten später erhielt Reed einen weiteren Anruf von Chefsteward Barbara Borden, die ihn fragte, ob er Rich Strike im Derby laufen lassen wolle. Reed haderte nicht. Denn Rich Strike war mittlerweile ein ausgeglichener Kerl, der dazu noch Churchill Downs liebte und trotz seiner sich eher schlecht lesenden Platzierungen sehr gut gearbeitet hatte.
Das Starterfeld für das Kentucky Derby 2022, galt als eines der stärksten der jüngeren Vergangenheit, ohne dass es einen klaren Favoriten gab. Die am höchsten eingeschätzten Pferde waren Epicenter, Zandon und Taiba. Rich Strike wurde bei einer Quote von 80:1 übersehen. Er kam von der Außenposition schlecht ins Rennen und lag nach der ersten halben Meile an 18. Stelle, 17 Längen hinter den Führenden, wie es seine Art war. Wo er herkommt, kann man auf dem Drohnenvideo ganz gut erkennen, denn Rich Strike schlängelte sich durch das gesamte Feld, teilweise musste er komplett die Spur wechseln, um sich dann wieder auf die Innenbahn zu mogeln. Dazu wurde er noch einmal abgedrängt. Doch der Bummler Rich Strike konnte eben auch schnell laufen. Und so zog er noch einmal an, ließ Epicenter hinter sich und ging mit einer ¾ Länge als Sieger in die Geschichtsbücher ein.
Nun wird er für die Belmont Stakes vorbereitet. Trainer Reed und sein Jockey, Sonny Leon können ihr Glück kaum fassen. Für Sonny Leon war es der erste Start (und dabei gleichzeitig) der erste Sieg im Kentucky Derby.