1935, lange bevor es Frauen möglich war, Jockey zu werden, und bevor es üblich wurde, sie als Trainingsreiterinnen oder Pferdepflegerinnen zu sehen, durfte Mary Hirsch endlich ihre Trainerlizenz in den Händen halten. Mary Hirsch war die erste Frau, die im Alter von 22 Jahren eine Trainerlizenz erhielt, nachdem sie zunächst aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt worden war. Bei fast jeder zeitgenössischen Erwähnung von Hirsch in den Medien wurde sie sofort mit dem vorgestellt, was die Reporter offenbar als ihre wichtigste Legitimation als Trainerin betrachteten – sie war die Tochter des legendären Trainers Max Hirsch.
1933, nach mehreren Jahren in der Lehre bei ihrem Vater, beantragte Hirsch offiziell eine Lizenz zum Trainieren von Rennpferden. Zu sagen, dass der Antrag in Rennsportkreisen Aufsehen erregte, wäre eine Untertreibung gewesen. „Ein 20-jähriges Mädchen hat eine Bombe in die exklusive Gesellschaft von 50 Herren geworfen, von denen die meisten schon weit über ein halbes Jahrhundert alt sind und die die Geschicke des Jockey Clubs lenken“, berichtete die Times. Aber Mary Hirsch wollte nichts anderes. Einen Teil ihrer frühen Jahre verbrachte sie in einer Hütte auf dem Gelände von Belmont Park und wachte früh mit ihrem Vater auf, um ihm beim Füttern der Pferde zu helfen und das Training zu beobachten. Sie ritt Springpferde und lernte die Galopper zu reiten, sobald sie groß genug war, doch sie konnte auch Pferde beschlagen und bildete sich in ihrer Freizeit über Tiermedizin.
Bis zum Erhalt ihrer Lizenz durfte sie zwar ihren eigenen Stall führen, ihre Pferde trainieren, füttern, selbst reiten und auch den Jockeys Instruktionen geben – doch sobald es um eine Repräsentation ging, wurde ihr Name nicht mehr genannt. Obwohl ihr Name allgemein bekannt war und jeder wusste, dass sie die Trainerin war, musste sie auf dem Siegerpodest zurücktreten und ihrem Bruder Platz machen, dessen Namen sie benutzte. Auch im Programm fiel ihr Name nie. Bernard Baruch, ein angesehener New Yorker Besitzer und Kunde von Max, war der Erste, der ihr Pferde anvertraute. Einem Bericht zufolge wandte sich Baruch, der von der Platzierung seines vielversprechenden Sprinters Captain Argo unter Max‘ Anleitung enttäuscht war, am Ende eines Rennens an Mary und fragte sie, ob sie es besser machen könne. Sie sagte, sie könne es und würde Captain Argo zu einem erfolgreichen Stakes-Pferd machen. Captain Argo gewann für sie.
Als sie endlich ihre Lizenz erhielt, umfasste 1937 ihr kleiner Betrieb sogar einen Derby-Kandidaten mit vielversprechender Zukunft. Doch schon zuvor hatte sie gezeigt, wozu sie in der Lage war. Im Jahr 1935 hatte Mary Hirsch die Sieger von zehn Rennen gesattelt und dabei 10.365 Dollar verdient (heute mehr als 200.000 Dollar). 1936 hatte sie 17 Siege und 18.575 Dollar verdient. Ihr Derby-Hoffnungsträger war No Sir. Mary kaufte das Pferd im Frühjahr seiner 2-jährigen Saison von Andy Joiner und schickte ihn sofort zum Sieg in den East View Stakes. Er wurde der erste von einer Frau trainierte Teilnehmer an den Flamingo Stakes, wo er Zweiter wurde, und war auch der erste von einer Frau trainierte Gewinner des Diana Handicap in Saratoga. Vor dem Derby 1937 war Mary zuversichtlich, obwohl sie in War Admiral ein Monster vor sich hatte. Ihr Vater kam nicht zum Derby, sie sollte es “alleine machen.”
Gegen War Admiral gab es jedoch kein Kraut, der Triple Crown Sieger fegte sie alle vom Platz und No Sir wurde nur Dreizehnter. Aber Mary Hirsch machte weiter. Im Jahr 1938 gewann Mary mit dem Pferd Thanksgiving die Travers Stakes in der schnellsten Zeit seit Man o‘ War. Jedoch erhielt Mary Hirsch wenig bis gar keine Anerkennung für ihren Rekordsieg in Saratoga, und viele Zeitungen gaben fälschlicherweise ihren Vater Max als Trainer an. Doch für das, was da kommen sollte, war Mary Hirsch die Wegbereiterin. Hirschs Anerkennung durch den New York Jockey Club öffnete anderen die Türen. In einer Notiz der Daily Racing Form von 1938 wurden sieben Frauen erwähnt, die in der Folge eine Lizenz von New York bis Nebraska erhalten hatten.
Trotz ihres phänomenalen Erfolgs war Hirschs Trainerkarriere relativ kurz. Im Jahr 1940 heiratete sie Charles McLennan, Rennsekretär in Hialeah Park. Nach der Hochzeit übergab Hirsch ihre Pferde an ihren Vater und ihren Bruder und zog sich zurück. Das Paar bekam zwei Kinder, und Hirsch, jetzt McLennan, widmete ihre Energie der Hausarbeit. Der Ruf der Rennbahn erwies sich jedoch als unwiderstehlich, und 1949, als ihr jüngstes Kind eingeschult wurde, kehrte sie als Besitzerin auf die Rennbahn zurück. Ihr Vater schenkte ihr Chinella, einen Jährling von der King Ranch, dessen Management Hirsch mit Begeisterung übernahm. Nach No Sirs Start im Derby sollte es weitere 12 Jahre dauern, bis eine Frau ein Derby-Pferd sattelte.