Es begann mit einem Geburtstagsgeschenk. Charlotte Brew erhielt zu ihrem achtzehnten Geburtstag ein Pferd namens Barony Fort. Ihre Eltern waren selbst aktive Jagdreiter und liebten Point to Point Rennen, so war es für Charlotte ein ziemlich natürlicher Weg in Richtung Hindernisrennen. Gleich ihr zweites Rennen war die Foxhunters Chase 1976 in Aintree – das Besondere: Die Foxhunters Chase geht über die National Fences. Und Barony Fort war ein sehr sicherer Springer, Charlotte Brew und er wurden Vierte. Damit stand die NH-Welt Kopf. Eine Frau im National 1977? So wie im Film “National Velvet”? Eine Sensation zur damaligen Zeit. Allerdings auch ein Grund für Spott und Hohn, schließlich gab es ja einen “guten” Grund, warum bisher noch keine Frau im Grand National angetreten war. Doch das Verbot, das Frauen lange davon fernhielt, galt 1975 mit dem “Sex Discrimination Akt” von 1975 nicht mehr.
Charlotte Brew erinnert sich an das Chaos, das damals ausbrach: “Ich kam gerade aus dem Internat und war sehr naiv, was die Erwartungen anging. Im Vorfeld des Rennens kamen eine Reihe von Reportern und Fotografen in unser Haus in Essex und brachten mich dazu, alle möglichen lächerlichen Dinge zu tun und zu sagen. Alle in meinem Dorf standen hinter mir, und es war wunderbar. Zum ersten Mal seit 30 Jahren war der Lebensmittelhändler am Renntag geschlossen. Die Trainer Bruce Hobbs, der 1938 das National auf Battleship gewonnen hatte, Fred Winter und Ryan Price schickten mir ebenfalls nette Telegramme und wünschten mir alles Gute. Ich fühlte mich wie eine echte Berühmtheit. Einige Beobachter waren etwas chauvinistischer, was meine Chancen anging, und meine liebe alte Mutter versteckte die schlechte Presse unter dem Sofa, um sie zu zensieren. Ich entdeckte die Ausschnitte erst Jahre später, als ich ihr Schlafzimmer ausräumte.”
In Aintree angekommen, hatte Charlotte, da sie die einzige Frau war, einen eigenen Umkleideraum, ganz für sich allein. Doch da sie auch die Trainerin für Barony Fort war, hatte sie kaum Zeit die Ruhe zu nutzen. Später erzählte sie, dass sie zwar nervös war, jedoch vor allem Vorfreude verspürte. Die Hindernisse machten ihr dabei keine Sorgen, sie hatte sie schließlich schon in der Foxhunters Chase gesprungen. Charlottes Pferd sprang beim Start gut ab und verfolgte die vor ihm liegenden Pferde in seinem Gemächlichen Tempo, Speed besaß der ältere Barony Fort kaum. Doch die schwierigen Hindernisse wie Becher’s Brook, Canal Turn und The Chair überwand er ohne Probleme. Doch in Aintree geht es auch um Stehvermögen und vier Hindernisse vor dem Ziel beschloss Barony Fort, dass es ihm reichte. Als ein Pferd vor ihm angehalten wurde, zog auch er raus und blieb stehen. Red Rum gewann das Rennen.
Danach witzelte jedoch niemand mehr, plötzlich schlugen sich alle um Charlotte, die nun zur BBC-Show eingeladen war und vom Daily Mirror für einen Tagesausflug mit der Concorde nach Washington geflogen wurde. Charlotte hatte bewiesen, dass sie sehr wohl mit den Männern mithalten konnte und nahm auch mit Barony Fort an der Velká pardubická teil, stürzte allerdings zweimal und gab dann auf (damals durfte man noch erneut aufsteigen). Nach Aintree kehrte sie im Jahr 1982 zurück und ritt das Grand National mit Martinstown, der sie allerdings abwarf.
Seit ihrem mutigen Auftritt 1977 haben sich insgesamt 18 weitere Frauen im Grand National versucht. 1982 beendete Geraldine Rees als erste Frau den Kurs von Aintree. 2021 gewann mit Rachael Blackmore zum ersten Mal eine Frau das Rennen.