Insider-Talk mit Carmen Bocskai: „Mein größtes Hobby ist mein Beruf“

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Über 400 Siege stehen inzwischen für Carmen Bocskai zu Buche. Die „Wahl-Iffezheimerin“ und einstige Nachfolgerin des viel zu früh verstorbenen Betreuers Werner Hefter ist eine der erfolgreichsten Damen im Beruf des Galopp-Trainers. Erst beim Arc-Meeting in Paris stellte sie mit Utamaro einen Sieger in einem Top-Handicap. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet die Ehefrau des früheren Klassejockeys Georg Bocskai über ihre Ambitionen.

Utamaro schaffte in Longchamp am Vortag des Arc nach vielen Platzierungen den verdienten Sieg in einem 70.000 Euro-Handicap. Was bedeutet Ihnen dieser Sieg? Was zeichnet das Pferd aus?

Carmen Bocskai: Der Sieg war für das gesamte Team eine Punktlandung. Wir hatten das Rennen schon im Sommer auf der Agenda, als die Ausschreibung erschienen ist. Dass es so geklappt hat, war natürlich super. Nach vielen Platzierungen mit verschiedenen Pferden war es unser erster Sieg in einem Grand Handicap.

Utamaro siegt unter Michael Forest
Utamaro siegt unter Michael Forest am 01.10.2022 in Longchamp

Utamaro zeichnet sich durch seine Formkonstanz und seinen Kampfgeist aus. Egal auf welchem Boden oder auf welcher Rennbahn, er hat immer abgeliefert. Er ist im Vergleich zum letzten Jahr auch noch reifer und stärker geworden. Ich denke das Ende der Fahnenstange ist bei ihm noch nicht erreicht.

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Zusammenarbeit seit 2014

Wie in Utamaros Falle sitzt häufig Mickael Forest auf Ihren Pferden im Nachbarland Frankreich. Wie kam es zu dieser Verbindung, und was schätzen Sie an dem Jockey?

Carmen Bocskai: Mickael reitet schon seit Sommer 2012 für mich. Seinerzeit bin ich von der Schweiz nach Frankreich zu den Rennen gefahren und brauchte vielmals einen Reiter für die umliegenden Bahnen. Es ist also schon eine längere Zusammenarbeit. Er hat bereits 2014 für uns ein Listen-Rennen der DEFI-Serie in Frankreich gewonnen, war auch in Schweiz für uns im Einsatz (z.B. im Großen Preis von St. Moritz) und hat bis heute viele schöne Siege eingefahren. Ich schätze seine Ehrlichkeit und sein Engagement. Er ist korrekt mit den Pferden und hat im Rennen immer eine gute Lage. In diesem Jahr ist er auch vielmals morgens in der Arbeit in den Sattel gestiegen. 

Mickael Forest und Carmen Bocskai
Mickael Forest und Carmen Bocskai

Sie gelten als Spezialistin für die Top-Handicaps in Frankreich, die sehr schwer zu gewinnen sind. Was braucht man für Pferde dafür?

Carmen Bocskai: Die Quinté-Handicaps sind in Frankreich medial sehr populär und die Haupteinnahmequelle von PMU. Die Rennen sind immer bestückt mit vielen Formpferden und in der Regel mit 16 Startern. Dadurch ist es eben schwierig, sie zu gewinnen. Man sollte ein Pferd mit mindestens gutem Ausgleich II-Niveau haben oder besser, dann kann dort antreten. Es ist auch hilfreich, wenn das Pferd einfach zu reiten ist.

Fernziel Deauville mit Vents Contraires

Mit Vents Contraires haben Sie auch für den Galopp Club Iffezheim wieder einen Großverdiener im Stall. Wie sind seine Perspektiven?

Carmen Bocskai: Vents Contraires ist nach wie vor gut auf dem Posten. Er ist in Longchamp eigentlich nur am Boden gescheitert. Mit Startnummer1 und im letzten Rennen hat er aus der Maschine keine Aktion gefunden.Er wird auf gleichem Niveau weitermachen. Das letzte Grand Handicap in Deauville im November auf Sand steht noch auf dem Plan für ihn. Diese Klasse hat er schon bewiesen.

Kolossal siegt unter Mickael Forest im Preis der Baden-Badener Hotellerie und Gastronomie, L.
Kolossal siegt unter Mickael Forest im Preis der Baden-Badener Hotellerie und Gastronomie, L. am 26.05.2022 in Baden-Baden

Ihre Deutschland-Starter sind rar, aber mit Kolossal holten Sie beim Frühjahrs-Meeting einen Listensieg. Was ist von Ihr noch zu erwarten, und wer sind die anderen Haupthoffnungen Ihrer 30 Pferde?

Carmen Bocskai: Die wenigen Starter in Deutschland hängen natürlich auch mit den Wünschen der Besitzer zusammen. Ein Jahresprogramm mit einem Handicap-Pferd von Iffezheim aus zu machen bietet sich eher in Frankreich an. Für junge Pferde (z.B. Auktionsrennen) oder für Black Type-Rennen laufen wir ja durchaus in Deutschland, wenn die Klasse reicht.

Kolossal hatte leider im Zusammenhang mit ihrer Rosse einige muskuläre Probleme. Ob sie dieses Jahr noch läuft ist derzeit noch nicht klar. Es ist möglich, dass sie für eine weitere Saison im Rennstall bleibt, um eine Platzierung in einem Gruppe-Rennen zu erreichen. Das traue ich ihr zu. Des Weiteren habe ich in diesem Jahr mehrere talentierte zweijährige Stuten im Stall. Diese werden sicher auch in den Klassikern genannt. Derzeit steht Elle an erster Stelle. Kammuri Diamond strebt nach ihrem Debütsieg das Münchner Auktionsrennen an.

Elle siegt unter Mickael Forest im BBAG-Auktionsrennen
Elle siegt unter Mickael Forest im BBAG-Auktionsrennen am 18.09.2022 in Dortmund

„Mindestens 20 Siege und ein Platz unter den Top 10“

Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Saison?  Und wie sind die Bedingungen durch die neue Trainingsbahn geworden?

Carmen Bocskai: Die Saison ist ja noch nicht zu Ende. Ich rechne immer erst am 31.12. ab. Wir sind aber soweit mit 13 Siegen und ca. 380.000,-€ inkl. Prämien nicht schlecht unterwegs. Die Stallform ist derzeit gut. Mein Ziel ist immer mindestens 20 Siege und ein Platz unter den Top 10 nach der Gewinnsumme (In -und Ausland) in der hiesigen Statistik. In der Vergangenheit haben wir kontinuierlich so abgeliefert, wir arbeiten weiter daran.

Die neue Trainingsbahn ermöglicht uns, natürlich auch bei schlechtem Wetter die Pferde gut vorbereiten zu können. Gerade im Frühjahr und Herbst, wenn starker Regen einsetzt, war das vorher nicht so möglich. Die neue Bahn hat eine sehr gute Drainage. Vor kurzem schluckte sie mal so eben 90 Liter Niederschlag in drei Tagen, das ist schon beachtlich. Wir sind hier alle sehr froh, daas uns die neue Bahn gebaut wurde.

Wer sind Ihre größten Unterstützer auf Besitzerseite? Und was waren die bislang schönsten Momente?

Carmen Bocskai: Wir haben sehr viele tolle Besitzer, die uns unterstützen. Entweder mit der eigenen Zucht oder mit dem Ankauf von Pferden. Da will und kann ich keinen explizit herausheben. Jeder Besitzer macht im Rahmen seiner Möglichkeiten an unserem Stall mit, und wir versuchen das zurück zu geben.In Iffezheim fehlen natürlich leider die ganz großen Gestüte, da geht der Kelch an uns vorbei. Der Fokus ist und bleibt im Westen. Aber wir können hier auch gute Arbeit abliefern, das zeigen die Resultate auch in Frankreich, wo die Konkurrenz auch sehr stark ist.

Winterwind mit Georg Bocskai, St. Moritz, Switzerland
Winterwind mit Georg Bocskai, St. Moritz, Switzerland, Foto: TT

In diesem Jahr war ein toller Moment natürlich der Sieg von Utamaro, Wir waren vor Ort, und der Besitzer feierte seinen 50. Sieger. Unvergessen bleibt für mich persönlich der Sieg im Großen Preis von St. Moritz mit Winterwind. Im Sattel saß mein Mann. Das war der bestbesetzte Große Preis von St. Moritz aller Zeiten, und das Pferd ist und bleibt das gewinnreichste Schneepferd aller Zeiten. Ansonsten natürlich Winterfuchs und viele, viele andere schöne Momente. Dafür stehen wir ja jeden Tag um 4:00 Uhr auf …

„Georg hat einen großen Anteil an den Erfolgen“

Carmen und Georg Bocskai im Portrait
Carmen und Georg Bocskai im Portrait

Welchen Anteil hat Ihr Ehemann Georg an den Erfolgen? Ist er noch regelmäßig im Sattel zu sehen? Und welche Tipps kann er den Reitern geben?

Carmen Bocskai: Mein Mann hat ebenso einen großen Anteil am Erfolg. Er beurteilt die Pferde noch immer aus dem Sattel, ist jeden Morgen regelmäßig dabei. Er hat sich immer viel Mühe mit der Schulung der Reiter gegeben. Wir haben diese auch immer unterstützt, ein tägliches Geben und Nehmen.

Zuletzt hat er z.B. Ambre Molins bei der Morgenarbeit Tipps und Anleitung für die Rennen gegeben. Sie ist eine erfolgreiche junge Reiterin in Frankreich und hat dieses Jahr schon einige Rennen für uns gewonnen. Wenn jemand gewillt ist zu lernen, dann hilft Georg jederzeit und gibt seine Erfahrung gerne weiter.

Wie beurteilen Sie die Neuentwicklung durch Baden Galopp in Iffezheim, aber auch die Gesamtsituation im deutschen Turf?

Carmen Bocskai: Das Team von Baden Galopp macht eine super Arbeit. Hier ist das Herzblut für unseren Sport zu spüren. Alle Mitarbeiter sind voller Motivation und innovativer Ideen. Sie wollen noch etwas bewirken.  Da sind wir alle happy, weiter so !!

Die Gesamtsituation im deutschen Turf ist da schon etwas komplizierter. Strukturreform war damals mal das Schlagwort. In den sieben Jahren seit unserer Rückkehr habe ich den Eindruck, es ist ein Schiff auf dem weiten Ozean ohne einen richtigen Kapitän. Jeder ist mal am Ruder, aber keiner kennt die richtige Route. Ich hoffe, die wird bald gefunden, bevor es untergeht. 

Carmen Bocskai im Portrait
Carmen Bocskai im Portrait

Auf jeden Fall muss die breite Basis gestärkt werden. Die kleineren Besitzer sterben uns sonst aus. Die können derzeit nur mit Pferden, die in Frankreich starten, überleben. Wir Trainer übrigens auch. Schließlich leben wir davon. 

Wie gefällt Ihnen das Leben in Baden-Baden, und wie gestalten Sie Ihre freie Zeit?

Carmen Bocskai: Die Lebensqualität in Iffezheim ist sehr schön. Nicht weit nach Baden Baden zum Flanieren oder in die Thermen. Der Schwarzwald vor der Tür, gutes Klima. Viel freie Zeit haben wir nicht gerade, aber die Möglichkeiten sind vorhanden. Mein größtes Hobby ist mein Beruf ,und das ist ein Geschenk.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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