Cheltenham – eine Moralfrage

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Es ist nicht so einfach über Cheltenham zu schreiben. Primär, weil (vermutlich) dank des weichen Bodens es nun doch sechs tote Pferde im Meeting gab. Bei der Größe der Startfelder ist das zwar ein geringer Prozentsatz, allerdings bin ich auch der Meinung, dass jedes tote Pferd eines zu viel ist. Im Angesicht dessen mag man ja kaum darüber sprechen, dass dort auch toller Sport stattgefunden hat. Der Gold Cup, Start-Ziel von Native River war beeindruckend. Überhaupt ist natürlich schon die gesamte Kulisse beeindruckend. Wenn man mal sieht, wie viele Menschen dort sind… woah. Da ist Düsseldorf zur Diana und Hamburg zum Derby ein Witz. Zu diesem Ansehen wird der Sport, wenn nicht etwas Gravierendes passiert, in Deutschland NIE wieder kommen. Auch nicht der Sport auf der Flachen.
Man muss die Inselbewohner einfach beglückwünschen, die wissen, wie man Sport zelebriert. Da sind Hindernisrennen nicht die Veranstaltung am Ende des Renntags, wo die Leute mal schnell zum Bierwagen gehen. Sondern ein ernsthafter Sport mit eigenen Gesetzen, eigenen Pferden und einer Tradition. So saß ich bereits beim Opener ganz begeistert vor dem Stream (und habe sogar noch bisschen Geld gewonnen, weil meine Platzwette gut war) und verfolgte die Anstrengungen auf der Bahn von Mensch und Pferd. Ja, ich mag Hindernisrennen schon irgendwie. Aber darf man das dann noch genießen, wenn man genau weiß, dass sechs Pferde dabei gestorben sind? Eigentlich ja nicht… also selbst, wenn man nicht zur PeTA Fraktion gehört.
Dabei finde ich Cheltenham eigentlich deutlich weniger „schlimm“ als das Grand National, ich motze ja jedes Jahr über schlechte Starter und ein zu großes Feld. Und dann noch ein Ausgleich… uff… da sind Unfälle vorprogrammiert. Selbst wenn die nicht tödlich sind, sind sie unnötig. Cheltenham hingegen hat diese Komponenten erst einmal nicht. Aber es hat dafür dieses Mal den schweren Boden gehabt, der bei diesem Tempo, diesen Sprüngen und diesen Feldern eben auch tödlich sein kann. Zusammen springen hat eben auch immer den Nachteil, dass man auch zusammen fallen kann, wenn einer einen Fehler macht. Es ist also durchaus gefährlich, gefährlicher auch als andere Sportarten. Was zwar irgendwo den Nervenkitzel ausmacht, aber ich möchte eigentlich nicht bei jedem Sprung um ein Pferdeleben bangen, wenn ich Sport gucke. Das ist also alles nicht so einfach. Wenn man vor dem Stream sitzt, dann hat man oft das Gefühl, dass man das nicht begeistert schauen darf. Man ist da irgendwie auf einem anderen Level als die Inselleute, die das als Kollateralschaden scheinbar hinnehmen können. Sind die herzlos? Oder einfach nur anders „erzogen“? Man weiß es nicht wirklich. Denn die lieben ihre Pferde und ihren Sport. Aber scheinbar können sie beides miteinander in Einklang bringen.
Ich frage mich auch, wie ein solcher Sport junge Zuschauer anzieht. Junge Reiter auf der Rennbahn? Gar beim Hindernisrennen? Die Briten müssen echt anders ticken, als die deutschen Reiter. Wenn ich da seh, wie viele junge Frauen ihre Oma zur Bahn begleiten, dann ist das schon toll. Und das obwohl es sicherlich auch Engländer gibt, die diesen Sport kontrovers sehen. Hat der „Radikaltierschutz“ dort einfach weniger Lobby? Wenn ja… dann bin ich neidisch auf die Engländer. Das könnten wir auch mal gebrauchen. Auch ganz ohne Hindernisrennen.
Tja… aber was soll man nun empfehlen oder tun? Nicht gucken? Das juckt doch keinen. Hingucken und hoffen? Kann man machen. Augen zu und genießen? Vielleicht. Wahrscheinlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Es sollte aber auch jedem klar sein: Nur weil ICH das nicht gucke, wird das nicht einfach aufhören. Es interessiert die Engländer nicht, ob ein Pferdemädchen aus Deutschland sagt: Das ist aber böse, das will ich nicht. Es interessiert sie natürlich auch nicht, was ich hier so schreibe. Und ich werde es wohl auch dieses Jahr wieder so halten wie immer: Ich hoffe einfach, dass ich guten Sport sehe und keine schweren Unfälle. Denn Hindernisrennen sind nun mal eine Facette des Rennsports. Eine spannende, großartige Facette, wenn denn alles glattgeht.

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Nika S. Daveron
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Achtung, dieser Post könnte Meinung enthalten. Meine Meinung. Gestatten, Nika S. Daveron. Autorin und Turfteufel in einer Person. Sie finden mich auf der Rennbahn, in einem meiner Bücher oder auf Arschlochpferd.de.

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