Ein Tag im Rennstall

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Oft werde ich gefragt: „Wie sieht denn so ein Tag im Training aus?“ Da muss ich schon fast grübeln, weil das irgendwie total unspektakulär ist. Misten, Reiten, Reiten, Reiten… ach, ja… Reiten… Füttern… Feierabend. Außerdem führt man Pferde von A nach B. Ist also einfach nicht so spannend. Trotzdem habe ich mal so einen halb normalen Tag für euch zusammengetragen, ich will ja nicht, dass ihr euch bei dieser Winzbeschreibung langweilt.
05:00 Uhr: Es ist Sommer. Das macht den Arbeitsalltag schon mal scheiße, weil es noch früher losgeht als sonst. Alle haben sehr kleine Augen. Und misten wie angeschossenes Rotwild. Langsam, fahrig und irgendwie nicht ganz da. Zum Glück sind Rennpferde am Morgen nach dem Futter auch in einer Art Suppenkoma. Sonst würde es statistisch gesehen zu viel mehr Unfällen kommen.
05:30 Uhr: Ein Pferd wacht aus dem Suppenkoma auf. Holdrio, da geht es rund, das möchte heute nicht, dass ihm jemand mit der Mistgabel zu nahe kommt. Alle gaffen. Niemand sagt was. Vor 06:00 Uhr wird außer „Guten Morgen“ nicht gesprochen. Alles andere ist bei Todesstrafe verboten.
06:00 Uhr: Frühstück. Was bedeutet: Kaffee und Kippen. Vielleicht was Süßes. Aber ohne Kaffee und Kippen geht gar nix. Und wenn ich sage gar nichts, dann meine ich das auch. Immerhin ist jetzt das Reden langsam möglich. Vorher nicht nur unerwünscht, sondern eh nicht machbar. Kann sich doch noch gar keiner artikulieren.
06:15 Uhr: Alles schlurft zum ersten Lot. Hälfte in der Sattelkammer vergessen – alles schlurft zurück. Ich nenne es: Der Tag der reitenden Leichen.
06:30 Uhr: Jetzt sind sie wach, die gemeinen Arbeitsreiter und sitzen gut gelaunt auf dem ersten Pferd. Vielleicht nicht so ganz gut gelaunt, das erste Lot sind bei uns immer traditionell die Jungstuten. Und Vollblutstuten haben ihren ganz eigenen Charme, der nicht bei jedem ankommt. Aber es gibt Leute, die stehen auf angelegte Ohren und zickige Mädchenscheiße.
07:00 Uhr: Alle vom Cantern wieder da. Nur nicht der Kollege mit der winzigen Braunen, der ist im Bogen runtergefallen und muss laufen.
07:30 Uhr: Alle Stuten halbwegs trocken, weg damit.
07:35 Uhr: Alles kloppt sich um den Lieblingshengst des Stalls. Sieht aus wie Hunger Games. Ich gewinne, weil ich die Leichteste bin und der Trainer findet, der soll heute nicht so schwer schleppen.
07:45 Uhr: Ätschbätsch.
08:00 Uhr: Raus zum cantern. Spüre böse Blicke hinter mir, Kollegen versuchen im Vorbeigehen den Liebling zu streicheln und fallen fast runter. Hengst findet das auch nicht so geil.
08:10 Uhr: Ab in die Führmaschine. Die muss man nicht anhalten, nönö. Ein Kollege wird halb zerquetscht, als er sich hindurchmogeln will, aber bisschen Schwund ist ja immer und das Teil hält ja auch an, wenn irgendwer meint, sich da durchmogeln zu müssen. Dauert halt nur.
08:30 Uhr: Minihengste! Jeder liebt Minihengste, die sind lustig. Allerdings auch noch sehr grün hinter den Ohren und hinterfragen sehr oft, ob es nicht vielleicht doch okay ist, den nächstbesten Arbeitsreiter, der aufsitzt, in den Fuß zu beißen, oder ihm eine liebevolle Kopfnuss zu verpassen. Trainer hat Spaß, der sitzt ja nicht drauf.
08:35 Uhr: Ich lerne endlich mal wieder neue, polnische Flüche, weil dem Bodenpersonal neben dem Führring die Schubkarre umfällt und das Rudel Hengste davonsprintet. Nur meiner nicht. Glaub, der ist taubstumm.
09:30 Uhr: Minihengste trocken und wollen auch ums verrecken nicht wieder nass werden, daher ist das Abspritzen eine Sache für sich. Auf zwei Beinen. Je nachdem, wohin der Wasserstrahl gerichtet wird, vorne oder hinten.
09:35 Uhr: Führmaschine leer räumen. Gibt aber irgendwie Probleme, weil ein Kollege meint, er könne zwei Stuten nehmen. Geht übrigens nicht. Eine davon macht sich selbstständig und guckt mal, wo es eigentlich zum Hengststall geht.
09:45 Uhr: Seniorentreff Teil 1. Die älteren Stuten und Hengste. Da mehr Hengste da sind, wuselt einer von ihnen mit den Stuten herum. Geht aber definitiv als Mädchen durch, der ist ja soooo zickig.
10:10 Uhr: Der Seniorentreff marschiert in die Führmaschine. Eigentlich braucht man die gar nicht mehr reiten, die kennen ihr Pensum sowieso auswendig.
10:20 Uhr: Seniorentreff Teil 2. Mit dabei: Hengste und Stuten, die zu doof sind, um sie in der Führmaschine zu lassen, ohne permanent daneben zu stehen. Manche von denen haben nicht umsonst das Prädikat: Achtung: Irre! Entsprechend kann in Lot 4 alles passieren. Von gar nichts bis zu: Alle lose. Einer der Hengste hat Angst vor Hecken. Sagt alles.
11:00 Uhr: Während der Rest schon mal anfängt, den Stall zu kehren und alle Pferde zu versorgen, die schon unterwegs waren (rausbringen, reinbringen, Maschine leer machen, Maschine harken und wässern, alle Pferde betüddeln, die gerade nur rumstehen und nicht geritten werden), erwischt es mich und noch zwei Kollegen die restlichen drei Pferde, die in kein Klischee gepasst haben, zu bespaßen. Immerhin: Eins geht nur Trab. Und es ist nicht meins. Kichernd verschwinden wir, während der Kollege zurückbleibt. Das macht nie Spaß, denn Rennpferde verstehen nicht, warum die anderen Kinder draußen spielen dürfen und sie selbst nicht.
11:45 Uhr Alle trocken, füttern, Heu und ab nach Haus! Bis heute Abend, dann geht’s in die nächste Runde.
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Nika S. Daveron
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Achtung, dieser Post könnte Meinung enthalten. Meine Meinung. Gestatten, Nika S. Daveron. Autorin und Turfteufel in einer Person. Sie finden mich auf der Rennbahn, in einem meiner Bücher oder auf Arschlochpferd.de.

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