Renntage können sehr unterschiedlich ausfallen. Es kommt nämlich ganz drauf an, in welcher Funktion man da ist. Als Aktiver, der noch zwei Pferde zu führen hat, ist ein Renntag je nach Pferd Arbeit oder sehr coole Arbeit, wenn man mit stolz geschwellter Brust seinen Crack durch den Führring bringt und sagen kann: „Guckt ihn euch an.“
Hat man ein semi-nettes Pferd denkt man: „Guckt euch die Arschkrampe an.“ Sagen wird man aber: „Aua, hör auf mich zu beißen, du Salamibrot für Arme!“ Natürlich nur, wenn’s keiner hört, man möchte ja Besitzer und Trainer nicht verärgern.
Manchmal ist man auch nur Gast. Weil man gerade Zeit hatte und sowieso an der Bahn wohnt. Oder sich mit Freunden treffen will, die ebenfalls Rennsportanhänger sind. Bleibt nicht aus, wir sind schließlich eine große inzestuöse Familie. Man kennt seine Pappenheimer.
Und manchmal ist man auch missionierend da. Mit Freunden, die keinerlei Ahnung vom Rennsport haben, oder mit der Familie, die sich immer noch fragt, warum man so einen Beruf ausübt – und sie haben meist keine Ahnung vom Rennsport.
Das ist oft dann auch die kuriose Variante und sie ist tatsächlich an einigen Tagen sehr unterhaltsam. Denn die Verwandten haben keine Ahnung von Pferderennen, oder Pferden per se. Aber sie wollen ja auch Spaß haben und den machen sie sich dann.
Meine Familie zum Beispiel: Die sind alle Nichtreiter. Aber bisschen Geld gewinnen, wollen sie auch. Geht schon los mit dem ersten Disput:
„Du hast 10!!!! Euro gewettet?“
„Ja“, dabei wird anklagend auf mich gedeutet. „Die hat gesagt, der gewinnt.“
„Aber wir hatten 5!!!! Euro ausgemacht.“
„Aber mit 10 Euro hätten wir unser Essen wieder drin.“
Prompt gewinnt mein Vater also seine 65 Euro und ist ab jetzt ein Insider. Hallo, erstes Mal gewettet, direkt Treffer. Meine Mutter ist zumindest besänftigt. Aber wir haben ja noch ein Pferd im Listenrennen. Und mein Vater schnackt mit meinen Kollegen. Die ihm mehr als deutlich sagen: Nein, der gewinnt nicht, das ist eigentlich zu kurz für den. Offenbar hört er daraus nur „ … gewinnt …“
Mein Onkel hingegen, der fragt mich, wieso der Ansager das Pferd als „gefährlich!“ eingestuft hat. Ob das überhaupt laufen darf. Neee … gefährlich, im Sinne von, der gewinnt bald. Ach, so! Da geht er hin und setzt auf ein anderes Pferd. Ist es überflüssig zu erwähnen, dass dieses „gefährliche Pferd“ gewonnen hat?
„Du hast ja nicht gesagt, dass der gewinnt.“ Na, wüsste ich immer, welches Pferd gewinnt, würde ich doch gar nicht mehr arbeiten.
Meine Oma hingegen, lässt sich von Titeln beindrucken. Vom Pferd der Queen. Sie und die Queen sind nämlich altersmäßig durchaus nah beieinander, dann passt das schon. Gewinnt auch, Oma ist happy.
Zurück zu meinem Vater. Der hat jetzt seinen halben Gewinn auf das Pferd gesetzt, von dem ihm meine Arbeitskollegen gesagt haben: „Gewinnt auf keinen Fall.“
Ich wiederhole das auch. Jetzt ist es aber eh zu spät … Meine Mutter schimpft ebenfalls schon. Und wer geht als dritter über die Linie?
Aha. Platzwetten sind nämlich für Loser und deswegen hat mein Vater Sieg gespielt.
Trotzdem sitzen sie alle kichernd auf den Tribünen. Und Fachsimpeln jetzt. So klingt das, wenn ich beim Trabrennen bin: Keine Ahnung, aber mal so tun als ob. Haben den Spaß ihres Lebens. Die Leute hinter ihnen vielleicht jetzt nicht so, aber wir sind hier nicht in Ascot.
Ich bin hin und hergerissen: Nehm ich die noch mal mit und schließe ich mich dem kollektiven Blödsinn an? Na, gut, die nehm‘ ich noch mal mit. Lustig sind sie ja.
Obwohl … als ich letztens, beim Preis der Diana, meinen Vater anstupsen musste mit: „Du schnarchst!“ – ja, der schläft auf der Haupttribüne in Düsseldorf! – da hab‘ ich mir kurz überlegt, ob ich ihn nicht im Kinderparadies abgebe.
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