Das “frühreife” Vollblut: Ausbildungstagebuch eines 5-Jährigen
Die frühreifen Vollblüter … könnte das bitte mal jemand meinem Duke erklären? Im November 2017 lief mein Fuchs, damals noch unter dem Namen “Basillus”, 2-jährig im BBAG Auktionsrennen mit. Rang 13 von 14 Startern. Der damalige Sieger Kabir hatte zum Zeitpunkt des Rennens, also 2-jährig, schon über 50.000 € an Gewinngeldern auf dem Konto. 6-jährig hat er inzwischen Blacktype und 6-stellige Preisgelder zusammengaloppiert.
4-jährig kaufte ich Duke (einen Kendargent-Sohn und High-Chaparral-Enkel) als braves, verschmustes Kinderreitpferd von gut 165 cm. In den ersten Wochen im neuen Reitstall kam er auf der Koppel noch wiehernd angaloppiert, wenn ich ihn rief. 1 ½ Jahre später ist er ein selbstbewusster, hengstiger Brocken von 174 cm. Oder zumindest war er das.
Plötzlicher Gewichtsverlust
Anfang Dezember verlor Duke, inzwischen 5-jährig, plötzlich an Gewicht und Muskulatur. An einem Tag wollte er kaum vorwärts; am nächsten drohte er vor Motivation zu explodieren. Nach der schlimmen Gaskolik im Sommer schrillten bei mir natürlich sämtliche Alarmglocken und ich suchte fieberhaft nach der Ursache. Passt der Trainingsplan nicht?
(Bzw. in Corona-Zeiten muss es ja “Bewegungsplan” heißen: trainieren darf ich als Nicht-Pferdewirt und Nicht-Kaderreiter derzeit nicht. Ich darf mein Pferd nur so bewegen, dass er gesund bleibt und keine Gefahr für sich selbst oder seine Umwelt darstellt.)
Passt der Futterplan nicht? Oder drückt ihn vielleicht der neue Dressursattel? Ich ging meine übliche Checkliste durch: Schmied, Chiro, Zahnarzt, Sattler, Blutbild. Nichts davon erklärte den plötzlichen Abbau.
Wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, sollte man einen Schritt zurücktreten und tief durchatmen. Mit Ende 5 Jahren hat Duke nochmal ein paar Zentimeter geschoben. Wir nähern uns den 178 cm, die das Zigeunermaß prognostiziert hat.
Fütterung: Gesunder Darm trotz Wachstumsschub
Natürlich habe ich umgehend den Futterplan angepasst und Kohlenhydrate sowie Proteine hochgefahren. Seither sieht Duke von Tag zu Tag wieder besser aus. Bei seinem empfindlichen Magen und Darm sind große Mengen an Kraftfutter jedoch mit Vorsicht zu genießen. “Schätzungen zufolge leiden 60% der Sport- und Freizeitpferde, 90% der Rennpferde und sogar 50% der Fohlen an Magengeschwüren” (Quelle s.u.): In diese Statistik soll sich mein Blüter nicht einreihen.
“Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Produktion von Magensäure beim Training des Pferdes erhöht wird. Gleichzeitig wird der Magen-Darm-Trakt des Tieres weniger durchblutet. Zusätzlich kommt die Magensäure bei körperlicher Tätigkeit in Bewegung und schwappt in die empfindlicheren, oberen Bereiche des Pferdemagens. Als Hauptfaktor bei der Entstehung eines Magengeschwürs beim Pferd spielt jedoch die Fütterung eine Rolle.” (HIER geht’s zum ganzen Artikel: Magengeschwüre beim Pferd)
Seit seiner schlimmen Kolik habe ich auch ein achtsames Auge auf die Darmbakterien (HIER ein interessanter Artikel zum Thema “Darmgesundheit”).
Duke bekommt etwa 23/7 Raufutter; vor allem vor den 4 Kraftfutter-Rationen pro Tag. Der Speichel, der beim Verzehr von Raufutter gebildet wird, puffert den Magen und schützt vor Magengeschwüren. Auf diesen gepufferten Magen bekommt Duke nun 6 Liter Hafer und 3 Liter Müsli pro Tag; eine Ration, wegen der mich viele Warmblutbesitzer für verrückt halten. Die großrahmigen Dressurpferde sind teils mit nur 1 Liter Futter rund, während man beim Vollblut um jedes Gramm auf den Rippen kämpft. Auch beim Heu kommt Duke nicht annähernd mit den 1,7 Kilo Raufutter je 100 Kilo Körpergewicht aus, die für Warmblüter empfohlen werden. Aktuell vertilgt er mindestens 15 Kilo Heu pro Tag ohne dass irgendwelche Reste auf dem Boxenboden zertrampelt werden (was die Suche nach einem Stall sehr schwer machte).
2 x pro Woche füttere ich eine Mash-Sorte mit besonders hohem Schleimstoff-Anteil, die die Darmwände schützt und die Darmtätigkeit unterstützt. Zum Kraftfutter bekommt Duke täglich Proteine (Equistro Myo Power), um den Muskelaufbau zu unterstützen. Für seine Lunge bekommt er noch täglich das Zusatzfutter Secreta Pro Max; in Kombination mit regelmäßigem Galopp-Training hat sich das Gewebe nach der schweren Lungenentzündung im Sommer sehr gut erholt (entgegen aller tierärztlichen Prognosen).
Balance und Rittigkeit
Mit dem Wachstumsschub ging natürlich die Balance flöten. Mal wieder hatte ich das Gefühl, als gehörten Duke und seine Füße nur bedingt zusammen – was seinen Vorwärtsdrang nicht behinderte. Der “krönende” Höhepunkt: abends in der Longierhalle lief Duke gerade locker vorwärts/abwärts, als am Tor jemand “Wie lange brauchst du noch?!” brüllte. Mein sonst so braves Pferd scheute, explodierte, stolperte … überschlug sich und krachte in die Hallenbande. Während ich noch bei ihm kniete und panisch Hals und Beine auf Verletzungen abtastete, rief die unsägliche Person erneut: “Wie lange brauchst du denn noch!?!?” (Man bemerke: Am Eingang hing ein Plan, in dem ich noch 20 Minuten reserviert hatte).
Als oberste Regel bei Balance-Problemen werden bei mir jedwede Hilfszügel aus dem Trainingsplan verbannt. Lauferzügel (die ich sonst gerne an der Longe nutze) und selbst ein Martingal schränken ein Pferd statisch ein und behindern jedwedes Wieder-Finden der Balance. Selbiges gilt natürlich auch für eine harte, statische Hand.
((In der dressurmäßigen Arbeit wünscht man sich einen positiven Spannungsbogen im Pferd: vom Maul über die Wirbelsäule bis hin zum mobilen Becken, aus dem ein Pferd nach Belieben Schub- und Trabkraft entwickeln kann. Ist dieser Spannungsbogen reibungslos und gut bemuskelt, kann ein Pferd das Reitergewicht ohne langfristige Schäden tragen und hat die muskuläre Basis für gesunde, sportliche Leistungen.))
Eine einfache Balance- und Konzentrationsübung ist das frei laufen lassen in der Halle mit wenig Beinschutz und einigen Stangen auf dem Boden.
An sehr explosiven Tagen – und die hat jedes Pferd – wärme ich Duke gründlich auf und lasse ihn in der Halle frei laufen. Er bekommt zwar Gamaschen zum Schutz der Beine, aber keine Springglocken zum Schutz der Hufe angezogen. Dann lege ich an jede lange und an jede kurze Seite der Halle eine Stange: So weit auseinander, dass er dazwischen auch mal Gas geben und abbuckeln kann. Anfangs ist er im Trampeltier-Modus losgewalzt und hat weder auf sich selbst, noch auf seine Umwelt aufgepasst. Ein paar Mal ist er mit den sensiblen Vollbluthufen gegen die Stangen gestoßen; plötzlich waren Konzentration und Überlebensinstinkt wieder da. Inzwischen liebt Duke unsere Stangen-Tage.
Doch auch an den wildesten Tagen verliert er nie die Übersicht und passt stets auf seine Füße und seine Umgebung aus.
Der 5jährige Duke im Corona-Winter. Rücken-, Gelassenheitstraining und Balance
Unterm Sattel erhöhen wir die Frequenz an Tempi-Wechseln: Gas, Bremse, Gas, Bremse, gaaanz langsam traben und dann verstärken. Galopp, Trab, Halten. Schritt-Galopp-Übergänge habe ich kurz angefangen und ganz schnell wieder aufgehört. Duke kannte das Prinzip noch aus der Startmaschine, wurde wahnsinnig elektrisch und wartete nur noch auf das Signal zum Abspringen. Zudem haben wir spielerisch mit dem Außengalopp angefangen; eine Übung, die sich sehr schnell und positiv auf die Qualität und Koordination seines Galopps ausgewirkt hat. Stehen, also geschlossen auf allen 4 Hufen stehen, fällt Duke weiterhin sehr schwer. In der Dressurprüfung darf der “positive Spannungsbogen” auch beim Halten nicht verloren gehen; wenn das Rennpferd auf Verdacht gleich rückwärts oder seitwärts anbietet, gibt das Punktabzüge. Darum üben wir rückwärts-richten aktuell nur punktuell und stattdessen viel und ruhig halten und stehen.
Ziele für 2021
Mein Ziel für 2021 ist, Duke in der Dressur auf ein sicheres A-Niveau zu bringen. Heißt, er soll auch in Stresssituationen entspannt und in sicherer Anlehnung die handelsüblichen Hufschlagfiguren, Übergänge und erste kleine Lektionen absolvieren. Aktuell ist er rechts geschmeidiger als links; vor allem die Lastaufnahme links und auch das Kreuzen bei Seitengängen fällt ihm schwer. An manchen Tagen ist er spannig, heiß, übermotiviert und unterkonzentriert. Bei neuen Lektionen fühlt er sich schnell durch die Hand in der Balance gestört und drückt gegen den Zügel oder rennt einfach los. Alles legitim bei einem jungen und wachsenden Pferd. Aber man muss ja Ziele im Leben haben:
Checkliste: A-Dressur
Grundsätzliches:
- das Pferd geht in einer korrekten Anlehnung (je nach Tagesstimmung)
- Pferd ist korrekt gestellt und gebogen (je nach Tagesstimmung)
- Die Lektionen klappen ohne Widerstand (je nach Tagesstimmung)
Gangarten:
- Mittelschritt
- Arbeitstrab und Mitteltrab
- Arbeitsgalopp und Mittelgalopp
(Arbeitstempo = frisch vorwärts; Mitteltempo = verstärkter Schub aus der Hinterhand, erweiterter Rahmen)
Hufschlagfiguren:
- Ganze Bahn (wir arbeiten noch am korrekten Ausreiten der Ecken)
- Zirkel
- Aus dem Zirkel wechseln (gelegentliches Blockieren beim Umstellen von rechts auf links)
- Durch die ganze Bahn wechseln
- Schlangenlinie durch die Bahn mit 4 Bögen
- Einfache Schlangenlinie
- 10 Meter-Volte
Lektionen:
- Viereck verkleinern und vergrößern (nach links fällt es ihm leicht, nach rechts schwer)
- Einfacher Galoppwechsel (je nach Tagesstimmung)
- Rückwärts richten
- Zügel aus der Hand kauen lassen