Colic is a bitch
Vergangenen Dienstag kam ein Anruf, den ausnahmslos jeder Pferdebesitzer fürchtet: “Wann bist du am Stall?! Dein Pferd kolikt!!” Zum Glück war ich nur wenige Minuten entfernt und konnte bald mein Pferd übernehmen, das unruhig scharrte und sich immer wieder hinlegen wollte. Da sich Duke kürzlich wegen einer Bremse auf der Kruppe (die landete, kein Stich!) angebunden am Pferdehänger auf den Boden warf, war ich anfangs noch entspannt. Aber nur kurz.
Sicherheitshalber hatte ich gleich eine Tierärztin der benachbarten Pferdeklinik angerufen und in den zehn Minuten Wartezeit wurde aus unruhigem Scharren ein nassgeschwitztes Zittern. Sie fühlte nur kurz Dukes Darm und stellte fest, dass eine Schlinge verlagert und der Dünndarm abnormal gebläht war. Lebensgefahr!!! Also haben wir Duke schnurstracks in den Hänger gepackt und in die nächste Klinik gefahren. “Sein Zustand bei der Einlieferung war sehr dramatisch”, erinnert sich Tierärztin Dr. Kerstin Binder von der Pferdeklinik Parsdorf. “Duke hatte unkontrollierbare Koliksymptome, schwitzte stark und konnte kaum stehen. Er ließ sich nur unter starken Schmerzmitteln untersuchen und wollte sich mehrfach auf dem Asphalt sowie im Untersuchungsraum hinlegen.”
Kolik OP: Wie stehen die Quoten?
In der dramatischen Lage wurde nicht lange experimentiert: Duke kam auf den OP-Tisch. Die Tierärzte hatten bei der Untersuchung nicht ausmachen können, wie schlimm die Lage wirklich ist. Also saß ich vor der Klinik (sch*** Corona) und wartete auf einen Lagebericht: War der Darm “nur” verrutscht (hier hatte ich von OP und Genesung viele Erfolgsgeschichten gehört) oder war bereits wegen Verknotungen o.ä. Gewebe beschädigt worden sodass die Tierärzte ein Stück Darm rausschneiden müssen (hier hatte ich von OP und Genesung wenige Erfolgsgeschichten gehört)?
“Der Verlauf bei Kolik OPs mit und ohne Darmresektion ist ähnlich”, erklärt Dr. Kerstin Binder. Die OP mit Resektion dauere länger, aber vor allem laufe das Anfüttern nach der Resektion deutlich langsamer. “Die Prognose bei einer OP mit Resektion ist etwas schlechter, als ohne. Doch wenn die erste Woche nach der Operation überstanden ist, sehen wir für die weitere Zukunft des Pferdes kaum Unterschiede zwischen beiden OP-Formen.” Bei einem unkomplizierten Verlauf liegen die Kosten einer Kolik OP bei etwa 4.000 bis 5.000€; bei Komplikationen gibt es nach oben aber wenig Grenzen.
Bei Duke war es zum Glück “nur” die leichtere Version: Der Dünndarm wurde in seine physiologische Position zurückgedreht, angestauter Inhalt in den Blinddarm ausmassiert, der Dickdarm abgegast und ebenfalls in seine physiologische Position zurückverlagert.
OP gut = alles gut?
In der OP Nachsorge kann von “nur” leider keine Rede sein. Schon das Aufstehen wurde für Duke ein Kampf, den man noch bis draußen auf den Parkplatz hören konnte. Ich war an diesem Punkt schon weit jenseits von Übelkeit und habe nur noch gebetet, dass sich mein Körper-Klaus bei der Aktion nicht den Todesstoß gibt. Am nächsten Tag wollte der Darm nicht so recht in Gang kommen und der gestaute Darminhalt musste mehrfach mit einer Nasenschlundsonde abgelassen werden. Zum Glück trat nach einem Tag eine deutliche Besserung ein.
Erste Hürde gemeistert. Schon kam die nächste: Eine Lungenentzündung mit starkem Husten und Fieber. “Pleuropneumonie ist beim Pferd eine potenziell tödliche Erkrankung”, so Dr. Binder. “Pferde haben ein sehr großes Lungenvolumen, es gibt für Pferde nur wenig zugelassene Antibiotika und die Lunge ist bei einer Pleuropneumonie nur schlecht zugänglich für selbige.” Sch…
Immerhin lief die Wundheilung gut …
Kann man einer Kolik vorbeugen?
“Das lässt sich nicht pauschal beantworten”, so Dr. Kerstin Binder. Einfache Kolikursachen wie Verstopfung, Ausgasung und Magengeschwüre könne man mit einer artgerechten Fütterung (hochwertiges Heu zur freien Verfügung und wenig kohlenhydratreiches Futter) und kontinuierlicher Bewegung vermeiden. Bis auf die Kohlenhydrate alles Punkte, die ich bei Duke abgedeckt hatte. Dr. Binder weiter: “Bei Koliken, die eine chirugische Therapie nötig machen, spielen die Haltungs- und Gütterungsbedingungen in der Regel keine Rolle.”
Heißt konkret? Wir hatten wohl Pech. Oder Glück? Trotz vieler Stolpersteine in den letzten Tagen ist Duke stabil und auf dem Weg der Besserung. Vor uns stehen acht bis zehn Wochen mit Boxenruhe und kontrollierter Schrittbewegung. In der Zeit darf er Heu und Mash fressen: Den Brei, der mit hohem Leinanteil und den enthaltenden Schleimstoffen positiv auf die Darmflora wirkt. Öl ist auch zugelassen, damit der schwerfutterige und nach der OP extrem dünne Duke während der Boxenruhe etwas Fett ansetzt. Und wenn der angeschnittene Bauchmuskel verheilt ist, kann Duke wohl recht schnell zurück zur Normalität.