Galopp+Insider Eva Maria Herresthal: „Die Nationalhymne zu hören, war Gänsehaut pur“

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100 Ritte und acht Siege – das war die bemerkenswerte Bilanz von Eva Maria Herresthal 2017 als Reiterin. Die 34-jährige gehört zu den versiertesten Amateuren hierzulande, ist aber auch als Besitzertrainerin aktiv. Vor allem mit der Seriensiegerin Romantic Angel versteht sie sich blendend und gewann mit ihr im Vorjahr viermal.
Exklusiv im Galopp+Insider auf dem RaceBets-Blog berichtet Eva Maria Herresthal von ihrer bisherigen Laufbahn.

©Daniela Faust

„Meine Mutter hatte selbst Pferde, und so wurde mir die Liebe zum Pferd quasi in die Wiege gelegt. Meine Reitausbildung begann ganz klassisch mit Voltieren, danach ritt ich Turniere in Dressur und Springen. Dies wurde mir jedoch auf Dauer einfach zu langweilig, und da der damalige Lebensgefährte meiner Mutter Rennpferde hatte, war der Weg in den Rennsport die logische Konsequenz.
Im Oktober 1997 legte ich dann mit 14 Jahren die Prüfung zur Amateurrennreiterin ab. Mein erstes Rennen durfte ich dann endlich am 1. Mai 1998, am Tag meines 15. Geburtstages, in Mannheim auf Altaprima reiten. Meinen ersten Sieger steuerte ich im April 1999 in Sonsbeck mit dem Familienpferd Prosit. Wir hatten meist immer Hindernispferde im Stall, und so beschränkte sich das Rennen reiten bei mir darauf, die Hindernispferde beim ersten Luftholer Anfang des Jahres auf der Flachen zu reiten.
Durch einen beruflichen Wechsel Ende 2008 ins interne Rechnungswesen einer Bank in Luxemburg blieb in den folgenden Jahren unter der Woche keine Zeit für die Pferde, aber mir fehlte etwas, und so entschloss ich mich, 2011 die Arbeitsstelle zu wechseln. Ich konnte wieder täglich trainieren und legte im Oktober meine Besitzertrainerlizenz ab. Zu dieser Zeit kam ich auch mit Olli Schnakenberg zusammen und zog im Juli 2012 in den Norden.
Beruflich fand ich eine Stelle als Leiterin Rechnungswesen in der freien Wirtschaft. Da ich jetzt an einem größeren Stall war, konnte ich viel mehr im Training reiten und verbesserte mich reiterlich. Ich hatte mehr Kraft und Kondition und fühlte mich fitter. Außerdem war Olli auch immer mein härtester Kritiker, sowohl im Training, als auch im Rennen. Durch ihn habe ich verdammt viel gelernt. Und somit bekam ich auch mehr Ritte im Rennen.
2015 ging es zurück ins Saarland. Ich kehrte in meinen Ausbildungsberuf zurück und arbeite auch heute noch als Steuerfachangestellte. Durch meine flexiblen Arbeitszeiten ist es mir im Winter möglich, nach der Arbeit zu reiten, und im Sommer kann ich vor der Arbeit reiten, um der Hitze und den Plagegeistern zu entfliehen. Auch spontane Auslandsaufenthalte oder Urlaub für Rennen ist meist kein Problem. Dafür bin ich meinem Chef sehr dankbar und weiß es zu schätzen.
So reite ich täglich zwischen zwei und drei Pferden und halte mich zusätzlich durch Joggen fit. Dies sehe ich auch als großen Vorteil gegenüber anderen Amateuren, die aufgrund ihres Berufes nur am Wochenende ausreiten können. Hinzu kommt das Gewicht von 52 Kilo, die ich im Sommer in den Sattel bringen kann. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an meine Trainer und Besitzer, die mir teilweise auch schon seit Jahren ihr Vertrauen schenken.
2016 begann eigentlich wie jede andere Saison. Ich ritt viel auf der Sandbahn und konnte so direkt mit Kondition in die grüne Saison starten. Bereits zu Beginn des Jahres erzielte ich tolle Erfolge, und so wurden auch viele andere Trainer auf mich aufmerksam. Highlights waren der Fegentri-Sieg in Bad Harzburg mit Heraclius, da es eine meiner Lieblingsbahnen ist und ich dort viele Freunde habe. Die Nationalhymne zu hören, war Gänsehaut pur. Ein kleiner Traum erfüllte sich dann mit dem Sieg auf Ohne Tadel in Baden-Baden, denn wer will nicht mal in Iffezheim gewinnen, und auch hier durfte ich die Nationalhymne hören. Normal passiert das ja nur bei Grupperennen. Und auf einmal befand ich mich mitten im Championatskampf. Dazu kamen dann noch Auslandsaufenthalte in San Francisco, Texas, Abu Dhabi, Oman, Toulouse. Der Wahnsinn war Australien und Hollywood. Es war einfach eine fantastische Saison, und am Ende schaffte ich den Sieg im Kölner Amateur Pokal, den zweiten Platz in der Sommermeisterschaft und das Vize-Championat. Das hätte ich mir vorher nie erträumt.
Mittlerweile hatten sich Olli und ich getrennt, und er entschied sich Ende 2016, wieder in den Norden zu gehen. Jupiter, den Olli damals trainierte, sollte zu einem anderen Trainer. Leider verletzte er sich bei seinem letzten Rennen Ende 2016 in Lyon schwer, und es war fraglich, ob er je wieder Rennen laufen könne. Und so fragten mich die damaligen Besitzer, ob ich ihn erstmal behalten und gesund pflegen würde. Die Verletzung verheilte zum Glück schnell und unkompliziert, und die Besitzer merkten schnell, dass es mir das Herz brechen würde, wenn sie uns trennen. Außerdem war nicht klar, ob sich die Verletzung noch negativ im Rennen auswirken würde. So machten sie mir das Angebot, Jupiter zu pachten. Für mich gab es kein Überlegen, zumal mein Herz immer schon für den Hindernissport schlug. Und so begann ich 2017 wieder selbst Pferde zu trainieren.
©Daniela Faust

Zu Beginn der Saison zeigte Jupiter gute Flachformen, aber bei den Starts über die Sprünge schien es tatsächlich so, als wäre er gehemmt und hätte die Verletzung im Kopf noch nicht verarbeitet. Ich entschied mich, ihn mit Seitenblendern aufzubieten, und Mitte des Jahres kam die Wende. Er wurde Vierter in Wissembourg, und wir fuhren mit Zuversicht nach Bad Harzburg. Ich wusste, dass er es liebt zu schwimmen, und nach einem tollen zweiten Platz im ersten Lauf gewann Jupiter das zweite Seejagdrennen und somit auch endlich sein erstes Hindernisrennen. Und ich hatte auf einmal den Seekönig im Stall stehen, ein Traum! Danach gelang ihm dann noch ein weiterer Sieg in einem Jagdrennen in Straßburg, und er legte seine bis dato beste Saison hin.
Ende 2016 war ich noch enttäuscht und traurig aufgrund des verpassten Championats und somit auch der verpassten Fegentri-Teilnahme. Mittlerweile bin ich froh, dass alles genauso gekommen ist, denn sonst hätten Jupiter und ich nie zusammengefunden.
©Daniela Faust

Reiterlich wollte ich 2017 eigentlich etwas kürzer treten. Am Ende standen dann doch 100 Ritte und acht Siege zu Buche, nur ein Erfolg weniger als in meinem „Top-Jahr“ 2016. Es war also wiederum eine rundum gelungene Saison 2017.
Zu Weihnachten konnte ich mir dann das schönste Geschenk selbst machen, und so hat mein Stall mit Charles Darwin weiteren Zuwachs bekommen. Er wird genauso wie Jupiter vermehrt in Frankreich über die Sprünge an den Start kommen. Aber das Meeting in Bad Harzburg ist natürlich auch schon fest eingeplant.
Bei meinem Training lege ich großen Wert auf Abwechslung. Dies kann ich in Honzrath perfekt umsetzen. Es stehen mir ein Rundkurs mit 700 Metern und eine ansteigende Geradeaus-Bahn mit 1600 Metern (ich nenne sie immer „Klein Warren Hill“) zur Verfügung. Außerdem kann, ich je nach Jahreszeit, die Pferde auf der eigentlichen Rennbahn springen. Dazu gibt es auch noch jede Menge Wald, zwei Reitplätze und einen Weiher. Meine Pferde kommen täglich zusammen auf die Koppel bzw. Paddock. Auch wenn das Verletzungsrisiko dadurch um einiges höher ist, so dürfen sie bei mir Pferd sein. Nur wenn sie den Kopf frei haben und sich wohl fühlen, können sie auch Leistung bringen.
Mein Wunsch für 2018 ist, dass meine Pferde und ich von Verletzungen verschont bleiben, und dann blicke ich sehr zuversichtlich in die neue Saison.“

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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