1993 wurde eines der sportlich hochwertigsten Derbys der jüngeren Vergangenheit in Hamburg gelaufen, mit Pferden, die als Rennpferde und Deckhengste für Furore sorgten. Lando gewann vor Monsun und Sternkönig. Es war einer der wichtigsten Momente, damit bei Jonas Schorfheide die Leidenschaft für den Rennsport entstand.
Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet der Kölner über seine schönsten Erlebnisse und Träume im Turf, behält aber auch nicht die frustrierenden und enttäuschenden Momente, die er als Racing Manager von dein-rennpferd.de in den vergangenen sieben Jahren erlebt hat, für sich.
„dein-rennpferd.de“ brachte viele Turffreunde zusammen, in einer neuartigen Besitzergemeinschaft. Wie kam es dazu? Was können Sie zu den Anfängen berichten?
Jonas Schorfheide: In mir installierte der unvergessene Addi Furler vor dem heimischen Fernseher um 1990 unbewusst die Galoppleidenschaft. Zum Rennen brachte diese ein zufälliger Rennbahnbesuch über 20 Jahre später in Köln, und die Kindheitserinnerungen an Lando, Monsun und Sternkönig waren schlagartig wieder da. Die Familie Bischoff-Lafrentz mit ihren vielen Projekten zu Gunsten der Nachwuchsgewinnung und das Gestüt Görlsdorf in der Schorfheide, die unglaublichen Geschichten meines zufällig entdeckten Nachbarn Karl-Dieter Ellerbracke und seines Gestüts Auenquelle und einmalige Rennpferde wie Danedream, Frankel und Sea the Moon zu dieser Zeit, ließen bei mir den großen Wunsch entstehen und anderen die Galoppleidenschaft nahe zu bringen. So entstand Deutschlands erste digitale Besitzergemeinschaft dein-rennpferd.de.
Besitzergemeinschaften: „ Galoppdeutschland ist ein Entwicklungsland“
Welche Philosophie steckt hinter dem Rennstall? Was unterscheidet ihn von anderen großen Gemeinschaften, wie Galopp Clubs?
Jonas Schorfheide: Zuerst sei gesagt: Ob Galoppclubs, Syndikate oder Besitzergemeinschaften, digital oder analog organisiert – alle sind sie wichtige Partner und Unterstützer des Deutschen Galopps. Sie entfachen die Begeisterung für den Galoppsport bei Neueinsteigern, sorgen dafür das es auch in Zukunft genug Besitzer in Deutschland geben kann und das die Gestüte ihre Rennpferde auf der Auktion in Iffezheim verkaufen können.
Die Realität ist aber leider, dass Deutschland im Vergleich zu Frankreich, Australien, England oder den USA in punto Rahmenbedingungen und Unterstützung für diese wichtigen Partner ein absolutes Entwicklungsland ist. In Deutschland sind es meist leidenschaftlich von einzelnen Personen gegründete Syndikate, Besitzergemeinschaften und Galoppclubs, die ohne Marketingunterstützung, ohne nennenswerte mediale Berichterstattung und unter Einsatz von Herzblut und eigenem Geld versuchen, die Galoppleidenschaft im deutschsprachigen Raum neu zu entfachen. Ein unterstützendes Gesamtkonzept sucht man vergebens.
Dein-Rennpferd.de wurde 2014 als erster rein digitaler Rennstall gegründet. Die Plattform ermöglicht jedem Galoppneuling genauso wie den schon vorhandenen Galoppenthusiasten, sich mit einem Mausklick an verschiedensten Rennställen und Pferden zu beteiligen. Das wichtigste dabei: Durch regelmäßige Videos, Berichte, Interviews und Bilder aus dem Stall und vom Rennen, ist es egal wo sich der Rennpferdbesitzer gerade auf der Welt aufhält, er ist immer nah am Pferd. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass auch der jeweilige Trainer die Wichtigkeit von regelmäßigem digitalem Content für seinen Stall als Marketinginstrument erkannt hat und pro aktiv mithilft, die in allen Landesteilen ansässigen Teilhaber über ihr Pferd zu informieren. Hier gibt es meiner Erfahrung nach in vielen Trainingsställen großen Nachholbedarf. Denn es wird immer wieder vergessen: „ Das neue Mitglied einer Besitzergemeinschaft – ist der neue Rennpferdbesitzer von morgen!
Warum sind Besitzergemeinschaften, Galoppclubs und Syndikate Ihrer Meinung so wichtig für den Galopprennsport? Was kann man in Bezug auf die Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern?
Jonas Schorfheide: Der deutsche Galoppsport ist in allen Bereichen überaltert. Nachwuchs ist überlebenswichtig. Zudem wird die Schere zwischen den Kosten für das schönste Hobby der Welt auf der einen Seite und den Rennpreisen und Verdienstmöglichkeiten für ein Rennpferd auf der anderen Seite immer größer.
Für diese Herausforderungen sind Galoppgemeinschaften kein Allheilmittel, aber ein sehr wichtiges Instrument um neue und vor allen Dingen junge Besitzer an den Galoppsport heranzuführen. Medial wird die breite sport- und wettbegeisterte Masse vom Galoppsport ja schon lange leider nicht mehr erreicht. Rennpferdbesitzer in Deutschland sind ja schon fast Teil einer Secret Society. Daher sind Besitzergemeinschaften so wichtig. Sie führen Neuinteressierte in den anfangs kompliziert erscheinenden Sport ein und lassen Einstiegsbarrieren durch Informationen und Beratung verschwinden.
Aufpassen im Haifischbecken
Gemeinsam lassen sich Siege besser feiern und Niederlagen besser verdauen. Der Einsatz den man für sein Hobby erbringt, kann an das eigene Portemonnaie angepasst werden, ohne auf die schönen und vollständigen Privilegien eines einzelnen Rennpferdbesitzers verzichten zu müssen. Desweiteren kann die Galopplandschaft in einigen Fällen ein Haifischbecken als Neubesitzer sein. Um Besitzergemeinschaften mit einem erfahrenen Racing Manager machen die Haie meistens einen großen Bogen, weil sie nicht so gut schmecken und viel zäher sind, als finanzstarke ,motivierte aber unerfahrene Einzelbesitzer, die sich ganz alleine auf die hohe See wagen – und vom alleinigen Rudern häufig zu schnell die Lust verlieren. Mein erster Trainer sagte mir mal: „ Gucken Sie sich meinen vollen Schrank für ausrangierte Renndresse an, Herr Schorfheide. Die meisten Besitzer bleiben 5, manchmal 6 und einige 7 Jahre dabei“.
Nach sieben Jahren weiß ich, was er mir damit sagen wollte. Es muss im deutschen Galoppsport nicht nur an der Neugewinnung von jungen Rennpferdbesitzern gearbeitet werden, sondern auch am Wohlfühlfaktor und an der Halbwertszeit eines bestehenden Besitzers. Ein Beispiel: Wenn Sie den jährlichen Kostenbeitrag für ein Rennpferd von 20.000-25.000€ ihrem favorisierten Fußballverein vermachen, dann werden Sie zum Präsidenten gewählt wenn dieser in der Kreisliga spielt und selbst in der Bundesliga bekommen Sie noch einen netten Logenplatz und warmes Essen, selbstverständlich bei freiem Eintritt. Wenn Sie diesen Betrag in den deutschen Galopp investieren, dürfen Sie sich die Jahreskarte für 80-100€ noch dazukaufen, ohne einen Platz im Restaurant sicher zu haben. Kundenpflege und Kundengewinnung werden im deutschen Galopp, so unglaublich wie es klingt, auch im 21. Jahrhundert nicht professionell gemanagt.
Wie läuft das Management der Pferde, und wer entscheidet, Trainer oder Besitzer?
Jonas Schorfheide: Im Idealfall hört der Besitzer auf den Trainer. Und der Trainer auf den Besitzer. Eine gute Kommunikation zwischen Trainer und Racing Manager, das Diskutieren verschiedenster Ideen und das daraus resultierendes Vertrauen, sind die Grundvoraussetzung für Erfolg im Galopprennsport. Bei all den vielen Aufgaben die ein Trainer zu leisten hat, ist der größte Fehler mit einem Besitzer nicht regelmäßig zu kommunizieren oder nur unzureichend zu informieren. Sobald ein Besitzer das Gefühl bekommt, dass er nur zum Rechnung zahlen gut ist, hat der Trainer und Galoppdeutschland wieder einen weniger. Die Coronazeit hat die Wichtigkeit von Transparenz und Kommunikation noch einmal deutlich gezeigt.
Auch Schicksalsschläge waren dabei
Der Stall blieb auch von Verletzungspech nicht verschont. Wie steckt man solche Erlebnisse weg?
Jonas Schorfheide: Die Teilhaber von Dein-rennpferd.de und ich persönlich haben emotional das schwierigste Jahr seit der Gründung 2014 hinter sich. Nicht nur Corona machte ja Rennbahnbesuche und das Besuchen der eigenen Pferde im Rennstall lange Zeit unmöglich. Die Teilhaberschaft hatte auch den tragischen Tod von Polka Polka Polka zu verkraften, dem talentiertesten Pferd das ich je auf einer Auktion gekauft habe. Sie gehörte im Championstall von Henk Grewe zur Jahrgangsspitze und war als Nichte von Wotton Bassett auch für die Zucht hoch interessant. Surin Beach war das beste Pferd in den goldenen dein-rennpferd.de Farben mit einem GAG von 85 kg, auch er musste in dieser Woche verletzungsbedingt seine Karriere beenden.
Die Hoffnungen ruhen nun auf dem jungen Dubai Millennium Enkel Carl´s Meteor. Ich möchte aber auch ganz ehrlich sein: Wenn man als Racing Manager einer breiten Anzahl motivierter und engagierter Teilhaber diese Schreckensnachrichten überbringen müssen, denkt man in schlechten Stunden auch daran, trotz aller Leidenschaft, ob das Stresslevel noch im Verhältnis zum Freizeiterlebnis steht.
Sie haben einmal gesagt, dass das Derby 1993 und Addi Furler für Sie eine große Bedeutung hatten. Warum?
Jonas Schorfheide: Es ist ein einschneidendes Erlebnis in meinem Leben. Ich kann mich bis heute daran erinnern. Dieselben Emotionen die ich als Kind vor dem Fernseher erlebte, erlebe ich noch heute, wenn ich die Rennreportage sehe. Addi Furler, war obwohl ich ihn nie persönlich kennenlernen konnte, für mich der beste Galopp-Botschafter des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Die Leidenschaft und Begeisterung die er über sein Mikrofon in die Wohnzimmer hinausgetragen hat, hat Menschen für den Galoppsport gewonnen. Addi Furler zu Ehren, habe ich das Fohlen meiner Ossora, Obrigado Furler genannt! Ein spätes Dankeschön an Addi, dass er mich an diesem Sonntag im Juli 1993, mit dem sogenannten Galoppvirus bekannt gemacht hat! Ein Leuchtturm, ein leidenschaftlicher Anführer wie es Addi Furler im Medienbereich zum Wohle des Sports war, der den vielen Menschen der Basis im deutschen Galoppsport heutzutage Mut zuspricht und eine Zukunftsvision trotz aller Probleme aufzeigt, der fehlt Galoppdeutschland an allen Ecken und Enden!
Nach welchen Kriterien suchen Sie Pferde aus?
Jonas Schorfheide: Diese Frage habe ich am Anfang vor 8 Jahren auch viele erfahrene Turfpersönlichkeiten gefragt, um dazuzulernen. Julian Ince (Anmerkung der Redaktion, Besitzer des Haras du Logis) brachte es in Iffezheim auf folgende gut zu merkende Kurzform, die mir seither bei jedem Kauf im Kopf vor dem geistigen Auge sehe. „ Always buy pedigree, buy movement and like the horse“. Desweiteren habe ich mir in den ersten Jahren fast alle Aufzugsgestüte in Deutschland und einige in Frankreich und Irland angeschaut. Und man muss es deutlich sagen: Die allermeisten Gestüte in Deutschland ziehen ihre Pferde hochprofessionell und gestützt auf langjährige Erfahrung groß. Besonders bewundern tue ich die Lebensleistung von Karl Jörg aus kleinsten züchterischen Anfängen in Wittekindshof, den ich vor einigen Jahren im Rahmen einer von mir organisierten Deutschlandweiten Gestütstour den irischen und englischen Jungzüchtern vorgestellt habe. Allerdings gibt es in jedem Gewerbe auch schwarze Schafe. Von dort schließt sich ein Kauf kategorisch aus. Den Pferden zuliebe. Die Aufzuchtstätte ist ein nicht zu unterschätzendes Kriterium beim Pferdekauf.
Welche Rennfeste im Jahr wollen Sie nicht verpassen?
Jonas Schorfheide: In Bad Harzburg wird wie in vielen anderen kleinen Rennvereinen Zusammenhalt und Galoppbegeisterung gelebt. Fehlende Mittel eines Großsponsors macht man hier durch Gemeinschaft, ehrliche Wertschätzung für Aktive, Sponsoren und Besucher und pure Galoppleidenschaft, die man an jeder Ecke der Bahn, bei jedem spürt, wett. Das Ergebnis ist ein Galopp-Festival mit lachenden Gesichtern an jeder Ecke, weil das Miteinander über das Gegeneinander gestellt wird. Damit erfüllen die kleinen Galoppvereine in denen die diese Erfolgsprinzipien gelebt werden, eine wichtige Vorbildfunktion – sie zeigen Galoppdeutschland Jahr für Jahr wie es mit einer Bündelung der Kräfte besser geht!°Außerdem empfehle ich jedem Rennvereinsverantwortlichen eine Fahrt nach Irland.
Das Championsweekend im September in Irland habe ich seit dem Jahr 2014 bis zum Ausbruch von Corona noch nie verpasst. Der irische Galoppspirit ist einmalig auf der Welt. Die große Woche in Baden Baden gehört wie Weihnachten und der eigne Geburtstag zu einem schönen Jahr dazu. Von schwedischen Galoppveranstaltungen kann sich Deutschland mehr als eine Scheibe abschneiden, gerade wenn es um das Thema Wetten und die großen V75 Jackpots geht. Ich kann bis zum heutigen Tage nicht verstehen, warum es keine großen Jackpotwetten in Deutschland gibt. Auch gibt es unter den deutschen Galoppentscheidern kaum einen Wettexperten und dass bei einer Sportart die überall da auf der Welt wächst, wo die Wette innovativ und mit großen Summen auch Rennpferdfremde Klientel an den Wettschalter lockt.
Nachdem Sie nun 7 Jahre aktiv am Deutschen Galopp teilnehmen, wie fällt ihr Fazit aus? Was würden Sie für die Entwicklung dieses faszinierenden Sports in Deutschland tun?
Jonas Schorfheide: Keine Frage ich habe den vergangenen sieben Jahren den schönsten Sport der Welt für mich entdeckt und ich habe viele neue Menschen kennengelernt. Viele bewundere ich für ihren täglichen, unermüdlichen Einsatz für die Pferde. Allerdings ist der Galoppsport ein Sport voller Widersprüche.
Für mich gibt es ein großes Paradoxon im Deutschen Galopp, auf das ich auch nach 7 Jahren noch eine klare Antwort suche. Uns alle eint die Leidenschaft für die Rennpferde! Aktive, die Besitzer, Funktionäre, die Wetter, die Züchter, die vielen Zuschauer … Jeder wünscht sich, dass dieser Sport eine Zukunft hat.
Es gibt erfolgreiche Geschäftsleute, Selfmadeunternehmer und Menschen, die bewiesen haben, aus einer einzigen Idee, eine große Erfolgsgeschichte zu machen. Es gibt überdurchschnittlich viele Menschen im Galoppsport, die wissen, wie ein Unternehmen oder eine Organisation erfolgreich wird. Einige haben Entscheidungs- und Führungskompetenzen im Deutschen Galopp.
Nur bei ihrem Hobby vergessen sie anscheinend die Grundprinzipien des erfolgreichen Handels. Wie ist es sonst zu erklären, dass Galoppdeutschland in vielen Bereichen im Vergleich zu anderen Ländern leider nur noch ein Entwicklungsland ist…