Galopp+Insider Niko Lafrentz: „Beim Derby war ich wie in Trance“

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Drei Jahre liegt einer der spektakulärsten Triumphe zurück, den es je in der jüngeren Vergangenheit gegeben hat, der überlegenste Erfolg in der Geschichte des Deutschen Derbys in Hamburg: Sea The Moon aus dem Gestüt Görlsdorf ging 2014 im wichtigsten Rennen des Jahres mit elf Längen auf und davon. Der Super-Crack des Gestüts Görlsdorf wurde in den Farben der hocherfolgreichen Zuchtstätte aus der Uckermark erst zu einem Star-Galopper und dann zum populären Deckhengst in England.

Im RaceBets-Blog Galopp+Insider berichtet der gelernte Journalist Niko Lafrentz, der an der Seite seiner Frau Heike Bischoff-Lafrentz das Gestüt Görlsdorf betreibt, wie er zum Rennsport kam, über seine Gefühle beim Derby 2014 und die Spannung rund um das Rennen der Rennen. 

Andreas Helfenbein und Niko Lafrentz freuen sich über den Sieg im IDEE 145. Deutschen Derby, Gruppe 1 am 06.07.2014 Renntag in Hamburg.

Zum Deutschen Derby!

„Erste Berührungen mit der Derby-Bahn hatte ich schon sehr früh. Das war in den 70er Jahren. Ich ging in Hamburg-Horn zur Schule. Da war die Derby-Woche Pflicht und Kult. Meine Frau hatte sich derweil in ihrer Jugend auf der Bremer Vahr vom Rennfieber anstecken lassen.

Doch es dauerte über 20 Jahre bis wir aktiv wurden. Das kam erst nach der Wende, als mein Schwiegervater für alle in der Familie überraschend das Gestüt Görlsdorf von der Treuhand übernahm, um die traditionsreichen Gebäude vor der Abrissbirne und die Pferde vor dem Abdecker zu schützen.

Nach seinem viel zu frühen Tod 2005 übernahmen wir die Verantwortung auf Görlsdorf, später dann das gesamte Unternehmen von den anderen Familien-Mitgliedern. Schnell stellten wir fest, es gab noch mehr zu schützen: Den deutschen Galopp-Rennsport als Ganzes. Deshalb haben wir uns tatkräftig bei der Gründung von German Racing engagiert. Meine Frau hat Beteiligungsgelder akquiriert. Ich habe ehrenamtlich für ein Jahr die Medien-Arbeit übernommen und die ersten Social Media Projekte auf den Weg gebracht. Seitdem sitze ich als gewählter Vertreter der kleinen und mittleren Kommanditisten im Beirat der KG und passe auf das eingesammelte Geld auf. Und meine Frau unterstützt mit Rat und Tat die Nachwuchs-Organisation GERMAN RACING – Next Generation mit deren hoch erfolgreichen Rennclub ,just4turf‘ (Hot Like Mexico, Angreifer).

Ich finde es hochspannend, wie schnell unser Rennsport Menschen faszinieren kann. Da ist der Rennbahnbesucher, der plötzlich alle 30 Minuten neue leidenschaftliche Gemeinsamkeiten erlebt. Egal, ob mit einem, zehn oder vielen Euros: Er wird mit seinem Wettschein für kurze Zeit ein Teil des Teams. Das Pferd ist das Schönste der Welt, der Jockey ist sein bester Freund, der Trainer ein ganz toller Mann. Natürlich meistens nur bis zum Zieleinlauf. Aber danach geht es gleich wieder von vorne los.

Niko Lafrentz freut sich über den Sieg im IDEE 113. Hansa-Preis, Gr.2 am 30.06.2013 Renntag in Hamburg.

Dazu ist die Galopp-Rennbahn einer der letzten professionellen Sportplätze, der für die ganze Familie geeignet ist. Sie können ohne Angst vor Hooligans und anderem mit Kind und Kegel kommen. Und sogar mit Hund. Und sie können sich spontan mit Freunden verabreden, ohne dass ihre Vorverkaufskarten sie Blöcke weit voneinander entfernen.

Eine Faszination wird besonders in England gelebt, dem Mutterland der Turfs. Für einen Pferdebesitzer – auch wenn er nur ein Mitglied in einer Besitzergemeinschaft ist – löst sich für die 30 Minuten rund um sein Rennen herum jede Klassen-Gesellschaft auf. Jeder wünscht Ihnen Hals und Bein, egal ob Königin, Scheich oder Multimillionär. Der Führring ist die Überholspur für Aufsteiger. Man kommt ohne Termin mit den Eliten ins Gespräch.

Doch zurück zum Derby von Sea The Moon, auf das ich nur voller Demut und Dankbarkeit blicken kann. Was ich damals gefühlt habe? Keine Ahnung. Wenn ich heute die Filme aus Hamburg sehe, dann frage ich mich stets: War ich das? War ich wirklich dabei? Diese Stunde vor, während und nach dem Derby verlief wie in Trance.

Sea The Moon siegt unter Christophe Soumillon im IDEE 145. Deutschen Derby, Gr.1 am 06.07.2014 Renntag in Hamburg.

Schauen Sie sich HIER Sea The Moons Sieg 2014 im Video an!

Doch dann wurde alles schnell ganz real. Jeden Tag, vor allem jede Nacht wegen der Zeitverschiebung erhielten wir neue Millionen-Angebote, die wir sämtlich sehr freundlich ablehnten. Sea The Moon war ein Familien-Mitglied geworden. Das verkauft man nicht einfach so. Er hat unser Leben umgekrempelt. Auch wenn er jetzt im Vollblut-Mekka Newmarket steht, sind wir immer noch Mehrheitseigentümer. Doch Newmarket ist doch etwas anderes als in Deutschland. Sea The Moon ist für uns zum Fulltime-Job geworden. In Görlsdorf tummeln sich bereits zwei Jahrgänge auf den Koppeln, betreut von meiner Frau und ihrem tollen Team. Weltweit gibt es über 220 Jährlinge und Fohlen, die wir natürlich beobachten. Und auch in diesem Jahr hat Sea The Moon schon wieder über hundert Stuten gedeckt. Ich versuche die Verbindungen zu den Züchtern zu halten und führe seine Datenbank, nachzulesen auf seiner zweisprachigen Internetseite www.seathemoon.com.

Wenn Sie mich jetzt aber fragen, ob der Derby-Sieg der emotionalste Moment in meinem kurzen Turfleben war, dann gab es für mich doch noch eine Steigerung: Der Gruppe-Sieg von Wunder vor der Schloss-Kulisse von Chantilly. Die bunte Adlerflug-Tochter ist von unserer jüngsten Tochter gezüchtet worden. Wir waren in voller Familien-Stärke vor Ort. Das Um-die-Wette-Strahlen im Winner Circle – vor allem von Katharina – werde ich nie vergessen. Auch das später an der Wettkasse nicht…“

Apropos Wetten: Man will hier verständlicher Weise wissen, wie ich es damit halte: Als Sea The Moon in Newmarket unverkauft aus dem Ring ging und meine Frau erhobenen Hauptes sagte: ,Selber schuld Leute, jetzt gewinnen wir das Derby selbst‘, da habe ich eine Wette zu 300:1 auf ihn getätigt. Das hat 20 Monate später alle Derby-Partys bezahlt. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es nicht noch mal versucht zu haben…

Rennbahn-Besuchern kann ich einen einfachen Wett-Tipp geben: Lassen sie alle Bank- und Kredit-Karten daheim. Stecken Sie nur Bargeld ein und verabschieden sie sich vorher von diesen Scheinen oder Münzen. Alles, was am Abend noch in der Tasche ist, ist ein Gewinn!

Um das Derby zu gewinnen, muss ein Pferd viele der folgenden Eigenschaften besitzen: ein großes Herz, einen klaren Kopf, gesunde Beine, einen behutsamen Trainer mit liebevollem Stallpersonal, dazu Besitzer, die Ihren Ehrgeiz im Griff haben, und einen Jockey, der nicht sich, sondern das Pferd für das Größte der Welt hält. Wenn ich recht überlegte, dann habe ich nach diesen Kriterien doch einen deutschen Favoriten: Windstoß ist schon jetzt mein Derby-Sieger der Herzen.

Windstoß siegt unter Adrie de Vries im XTIP Derby-Trial, L. am 09.04.2017 Renntag in Düsseldorf.

Unsere Hoffnungen für 2017 sind bei den 3jährigen natürlich Adler (in der Besitzergemeinschaft „Stall Adlerhorst“) und Honey Honey, die vor größeren Aufgaben stehen. Adler ist hochtalentiert, aber noch ein Baby. Für ihn kommt das schwere Derby zu früh. Honey Honey hat ihren Debüt-Sieg locker weggesteckt und befindet sich auf der Diana-Route.

Bei den Älteren würde ich mich freuen, wenn sich die Mühe, die wir uns mit Space Cowboy gemacht haben, am Zielpfosten belohnt wird. Am liebsten gleich in Hamburg im Hansa-Preis.

Zum Großen Hansa-Preis!

Und dann gibt es in England einen Görlsdorfer Geheimtipp: Gibbs Hill.

Ansonsten können wir für die erste Hälfte von 2017 soweit zufrieden sein. In Görlsdorf gezogene Pferde haben europaweit bisher eine Quote von knapp 30 Prozent bei Starts zu Siegen. Aber wie gesagt, die großen Aufgaben stehen noch bevor.

Zum Abschluss mein Ausblick für den gesamten Galopp-Rennsport in Deutschland: Durchaus positiv! Denn es gibt nur Luft nach oben! Was die Besucherzahlen angeht, haben wir zwar kein Problem. 17.200 Fans in Hannover, 15.000 in Köln! Problematisch bleiben aber die überalterten Strukturen. Viele Bahnen und Manager haben ihre Hausaufgaben immer noch nicht gemacht. Sie starren wie das Kaninchen auf die Schlange nach den Wettumsätzen. Das geht hoch bis in die Gremien. Wir müssen uns davon verabschieden, uns allein aus den Wetten, so wie wir sie kennen, finanzieren zu wollen. Ich freue mich deshalb umso mehr, dass der Hamburger Renn Club die Zeichen der Zeit erkannt hat und verstärkt auf Verjüngung setzt, damit das Derby eine Zukunft hat.“

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