Mit 23 Erfolgen liegt wieder ein erfolgreiches Jahr hinter Trainerin Yasmin Almenräder. Die Mülheimerin feierte 2020 sogar ihren ersten klassischen Erfolg. Exklusiv im Insider-Talk auf dem Racebets-Blog berichtet sie über ihre bisherige Karriere und ihre Ambitionen.
„2020 war Corona-bedingt sehr schwierig“
Der Sieg mit Lancade in den 1.000 Guineas war sicherlich der Höhepunkt Ihrer bisherigen Laufbahn. Wie fällt Ihre Rückschau auf 2020 aus, und welche Bedeutung hatte der Düsseldorfer Klassiker für sie?
Yasmin Almenräder: Das Jahr 2020 war insgesamt in Ordnung, Corona-bedingt sicherlich sehr schwierig, allein durch die gekürzten Rennpreise, was auch für den Klassiker galt. So etwas macht sich am Ende des Jahres bemerkbar. Wir hatten auch schwierige Phasen, insbesondere das Derby- Meeting in Hamburg. Nachdenklich stimmte uns auch, dass eine Klassestute wie Vive en Liberte sich nach drei Starts plötzlich weigerte, die Startmaschine zu betreten. In so einem Moment ist man ziemlich hilflos. An solchen Tagen wird man sich bewusst, wie wenig Einfluss man manchmal auf die Dinge hat.
Besonders schön war der Sieg von Lancade für die treue Besitzergemeinschaft, für die Stute, die ihren Zuchtwert erheblich gesteigert hat und das gesamte Team. Und es war ein von großem Vertrauen geprägter Ritt von Adrie de Vries.
„Wir haben für 2021 gute Pferde im Stall“
2021 wird erneut sehr von den Corona-Maßnahmen geprägt sein. Wie sehr hat die Pandemie die Arbeit und Planung an Ihrem Stall beeinflusst? Was sind Ihre Erwartungen für dieses Jahr?
Yasmin Almenräder: Es war lange unsicher, wann es 2020 losgeht. Ganz ehrlich, wir haben doch ziemlich wenig davon bemerkt, der Alltag lief weiter, die Pferde mussten bewegt werden. Klar war alles mehr Aufwand, alleine die Akkreditierung der Leute hat ziemlich viel Zeit verschlungen. Für 2021 müssen wir abwarten, ich kann ja jetzt nichts anderes machen, als den Alltag so normal wie möglich zu gestalten und die Pferde zu trainieren. Wir haben gute Pferde im Stall, aber auch da gilt es zunächst einmal abzuwarten, ob sie den Erwartungen im Rennen gerecht werden können. Insgesamt hat man aber das Gefühl, es ist alles noch schwieriger. Naturgemäß wollen alle gewinnen.
„Adrie ist eine ungemeine Bereicherung“
Mit Adrie de Vries haben Sie einen der besten hiesigen Jockeys an ihrem Quartier. Wie verläuft die Zusammenarbeit? Wird er erneut die Nummer eins bei Ihnen sein?
Yasmin Almenräder: Das hoffe ich doch sehr. Er ist eine ungemeine Bereicherung für uns und ein toller loyaler Mensch. Eine tolle Entwicklung hat an unserem Stall auch Anna van den Troost genommen. Ich hoffe, dass sie ihre Stellung weiter verfestigen kann. Sie soll ihre Chancen bekommen, vorausgesetzt die Besitzer sind weiterhin einverstanden. Sie reitet taktisch sehr klug, ist stark im Endkampf, intelligent und sehr fleißig.
„Viadena schätze ich von den Stuten am stärksten ein“
Wer sind die Hoffnungsträger für 2021? Haben Sie auch Kandidaten für klassische Rennen?
Yasmin Almenräder: Von den Stuten gelten Milka, Donna Florentina und Viadena die grössten Ambitionen, aber auch da muss man erstmal abwarten. Milka hat schon Black Type, aber die Rennen waren nicht übermäßig besetzt. Donna Florentina hat uns beim Debut gut gefallen. Viadena schätze ich am stärksten ein, sie hat noch gar nichts falsch gemacht, und war auch in stark besetzten Rennen unterwegs.
„Nacido scheint ein besseres Pferd zu sein“
Bei den Hengsten ist es schwieriger. Nacido scheint von Hause aus ein besseres Pferd zu sein, und das Debüt war in Ordnung. Shayasi müsste sich weiterentwickeln, was ich auch glaube. Nepalo und Woody Wood sind noch nicht gelaufen, da ist das Ziel, sie möglichst früh herauszubringen und dann schauen wir mal.
„Lancades Fernziel ist das Ausland“
Lancade wird aller Wahrscheinlichkeit nach in Düsseldorf beginnen. Für sie ist ein Fernziel auch das Ausland. Italien oder Frankreich wären eine Option.
Beste Bedingungen in Mülheim
In Mülheim wurde in den letzten Jahren vom Rennclub ganze Arbeit geleistet. Wie schätzen Sie die Bedingungen und die Möglichkeiten ein?
Yasmin Almenräder: Sehr gut. Die Grasbahn hat gelitten, sollte sich im Frühjahr aber wieder erholt haben. Alles andere ist bestens.
Der Star ist die Mannschaft
Was ist Ihr persönliches Erfolgsgeheimnis? Wie sieht die Stallstruktur aus. Welche Besitzer sind Ihre größten Unterstützer?
Yasmin Almenräder: Ich sehe mich nicht als den Hauptfaktor für den Erfolg, sondern eher die Pferde und das Team. Es ist wichtig, dass alles zusammenhält. Die Stallstruktur ist gut. Nach wie vor haben der Stall Mandarin, das Gestüt Niederrhein, Unia Racing, Marc und Gabi Rühl die größte Anzahl an Pferden. Aber auch die vielen Besitzer mit nur ein oder zwei Pferden sind schon lange dabei.
„Da war es um mich geschehen“
Sie haben einmal gesagt, dass sie schon mit 18 wussten, dass Sie einmal trainieren wollen. Wie kam es dazu? Welchen familiären Turf-Background haben Sie?
Yasmin Almenräder: Keinen. Ich komme aus dem klassischen Sport, und meine Eltern hatten immer Pferde. Mit elf habe ich das erste Mal auf einem Vollblüter gesessen, da war es um mich geschehen.
„München ist outstanding“
Welche Rolle spielen für Sie Starts im Ausland? Welche Bahnen haben es Ihnen in Deutschland besonders angetan?
Yasmin Almenräder: Von den Bahnverhältnissen bevorzuge ich in Deutschland München. Sie ist outstanding, außerdem Baden Baden, Hamburg und Mülheim. Neuerdings auch Düsseldorf. Frankreich sollte dieses Jahr einen größeren Fokus für uns haben, wir haben ein paar Pferde, die dort ins System passen. Allerdings ist das auch immer mit riesigen Kosten verbunden, wie amtstierärztliche Abfertigung und Transport- RCN. Bevor man startet, ist schon ein Tausender weg!
„Das Handicap-System überdenken“
Was würden Sie im deutschen Turf direkt ändern, wenn es möglich wäre?
Yasmin Almenräder: Ich kann es mir nicht anmaßen, das zu beurteilen, was die Finanzierung der Rennen und die Lage insgesamt angeht. Ich denke aber, es passiert doch viel, und es sind auch kluge Köpfe dabei…
Was aber sicher wichtig ist, und meine Arbeit als Trainer beeinflusst , ist, das Handicap-System zu überdenken! Es kann nicht sein, dass ausländische Pferde im Handicap startberechtigt sind, gleichzeitig aber in Deutschland gezogene Pferde fünfmal im Kreis laufen müssen, bevor sie ein Handicap bekommen. Wir bekommen im Ausland Nachlass und Aufgewicht, da sollte es möglich sein, auch einen ausländischen Start in eine Handicap-Marke einzubeziehen.
„Den Grundbedürfnissen des Pferdes gerecht werden“
Und wir müssen die Haltung der Pferde verbessern. Und zwar überall. Es kann nicht sein, dass wir den Grundbedürfnissen des Pferdes nicht gerecht werden. Als ich vor fünf Jahren die ersten Paddocks bauen ließ, wurde ich als „Ponyhof“ betitelt. Unsere Pferde stehen sich doch teilweise kaputt. Und jeder, der sagt das Verletzungsrisiko ist zu hoch, darf auch kein Pferd ins Rennen schicken. Das ist doch kein Argument. Der Sport wird nicht überleben, wenn wir nichts ändern. Genauso wie den Peitscheneinsatz sollte man das überdenken. Im Zuge der Umsetzung der Leitlinien der Pferdehaltung werden mit Sicherheit einige Lawinen auf uns zu rollen.
„Ich bin seriensüchtig“
Abschließend: Was sind Ihre liebsten Freizeitbeschäftigungen?
Yasmin Almenräder: Meine Tochter Lisa reitet mit ihren Ponys Springen. Meine Lieblingsbeschäftigung ist, ihr Reitunterricht zu geben, und auch mal aufs Turnier zu fahren. Das ist für mich Entspannung pur. In der Hauptsaison geht das natürlich nicht, da muss sie alleine durch… Ich bin aber auch seriensüchtig (Netflix), und Bücher verschlinge ich, wenn die Zeit es zulässt.