Hoffnungen sind so eine Sache, vor allem in der Galopperzucht, wo die Deckzahlen ja übersichtlich sind und man alle Pferde recht gut verfolgen kann. In der Warmblutzucht ist das eher anders, allein schon, weil die Kosten natürlich übersichtlich sind bei der Decktaxe und generell erst Mal jeder auch Sperma von einem Crack kaufen kann, selbst wenn der gar keine so tolle Stute hat. Da bei den Galoppern aber Natursprung angesagt ist und vor allem Decktaxen im sechsstelligen Bereich keine Seltenheit sind, ist das hier ein bisschen anders. Kommt da also ein neuer Hengst, ein Superkerl, der Held seiner Zeit, ins Gestüt, werden sich auch nur Züchter mit dicker Geldbörse diesen leisten können. Dazu wird er dann eher nicht eine uninteressante Agl IV Stute, die nie gewonnen hat, nehmen, sondern entweder was mit entsprechender Eigenleistung, oder guter Zuchtleistung. Exterieur? Ist ja nett, aber schnell wäre uns halt lieber.
Anschließend geht das Warten los. Auf diverse Ergebnisse, gerade beim ersten Jahrgang. Was bringt denn der Hengst so? Tja… da beginnt dann das Glücksspiel. Da die Warmblutzucht einfach breiter gefächert ist, sind die Erwartungen sehr unterschiedlich: Ein nettes Familienpferd soll rauskommen mit schönen Gängen – aber natürlich auch beim Profi der Crack mit Strampeleinlagen und ein paar Schlöppen, das sich anständig vermarkten lässt. Der Vollblutzüchter möchte ein schnelles und gesundes Pferd. Optional sind Härte oder Frühreife. Auf Frühreife sind sie gar nicht mehr so heiß, Härte wird leider auch in den letzten Jahren vernachlässigt, also isses halt schnell. Und sollte, wenn möglich, nicht allzu schnell kaputt gehen.
Und nun kommt das Fohlen auf die Welt. Niemand kann sagen, was er da hat. Das ist schlichtweg nicht möglich, man sagt nicht umsonst: „sie laufen in allen Gestalten“. Selbst wenn das Fohlen aussieht wie ein Dackel kann es anschließend das Derby gewinnen. Schnell muss es dazu nur sein und die entsprechende Attitüde mitbringen. Wer nur schnell läuft, aber sonst eine totale Katastrophe ist, der macht sich nicht so wahnsinnig viele Freunde und erschwert auch sehr den Derbytraum – obwohl natürlich auch solche Kandidaten zu Siegern werden. Schließlich müssen sie ja nur primär am Pfosten der erste sein. Und dürfen ansonsten selber Pfosten sein. Vollpfosten.
Ist der Jährling alt genug, macht er sich irgendwann auf in den Rennstall. Auch hier können massive Fehleinschätzungen durchaus für einen schlechten Karrierestart sorgen. Denn so ein Vollblut ist nicht doof, das weiß zwischen Training und Rennen zu unterscheiden und nur weil es zu Hause hinterherhoppelt, muss es das ganz und gar nicht im Rennen tun. So manches Pferd geht spät geprüft ins Derby, weil es Zuhause schlichtweg keine Lust hatte mehr zu machen als notwendig. Aber irgendwas muss da durchblitzen, sonst würden die natürlich aussortiert werden. Es dauert nur seine Zeit. Manche sind eher unauffällig, andere haben das „Pech“ im Schatten eines vierbeinigen Stars zu stehen, der alles zunächst überstrahlt, bevor der andere dann sein Können zeigen kann.
Und dann ist da noch die generelle Sache mit der Zucht. Man hat jetzt diesen Crack: Nehmen wir eine Zarkava. Schicken sie zu Frankel. Muss doch was bei rauskommen, bei den beiden Ungeschlagenen Gruppe I Siegern. Wahre Ungeheuer auf der Rennbahn, die alles geschlagen haben, was vier Beine hat. Und? Was gibt das? Na, manchmal eben nur einen Dackel. Manchmal auch bildschöne Pferde… die langsamer sind als meine Omma mit Rollator. Oder Pferde, die keinerlei Nerven haben, dem Rennzirkus zu folgen, die sich wegen allem aufplustern und ihre Energie verplempern, obwohl Generationen von erfahrenen Vollblütern in ihrem Pedigree schlummern.
Lustig wird das immer auf Auktionen. Wenn dort mal eben neun Millionen Dollar für ein Pferd rausgehauen werden. Da bin ich immer neugierig… und würde außerdem gerne mal Mäuschen spielen, wenn die neuen Besitzer sich eingestehen müssen: Na, da hätten wir auch für neun Millionen Mal Karussel fahren können, das wäre spannender gewesen, als dieses Pferd, das hinterherläuft. Nach Papieren kaufen ist halt auch nicht zwingend immer richtig. Selbst wenn manche Deckhengste scheinbar ein Abo auf Cracks haben, wie der vorhin genannte Frankel… also, der macht schon nette Pferde, das muss ich ja mal sagen. Allerdings hat er natürlich auch nur bestes Stutenmaterial und man weiß nicht, ob ein unbekannter Deckhengst, der diese Superstuten bekommt, nicht vielleicht noch was viel Größeres daraus machen könnte.
Dennoch… wenn so ein Vollblutfohlen auf die Welt kommt, ist das immer etwas Besonderes. Denn wer weiß schon, wohin sein Weg führt? Vielleicht einmal rund um die Welt, zum Japan Cup, nach Royal Ascot, oder gar zum Breeders Cup oder Arc? Ein Vollblutfohlen ist immer eine neue Hoffnung. Und don’t worry… die „bösen“ Züchter, die dann erkennen müssen, dass der Weg doch nur nach Sonsbeck und Neuss führt… die können damit leben. Sonst wären die nicht Vollblutzüchter geworden.
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