„Ich habe hier meinen Traumjob gefunden“, sagte Andrea Höngesberg einmal über ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin beim Düsseldorfer Reiter- und Rennverein. Als einzige Frau in Deutschland leitet sie die Geschicke eines Rennveranstalters. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet sie unter anderem über die Pläne für die neue Saison 2022.
Sie haben die Aufgabe in Düsseldorf Ihre Aufgabe kurz vor Beginn der Corona-Zeit übernommen. Wie schwer waren die ersten beiden Jahre?
Andrea Höngesberg: Sagen wir mal so: Das Wasser, in das ich geschmissen wurde, war schon sehr kalt. Ich kam ja aus der Medien- und Event-Branche, nicht aus dem Rennsport. Eigentlich mit dem Wissen, dass das erfahrene Team im Verein eine Einarbeitung unterstützen würde. Mit der Corona-Situation wusste ja nun erstmal niemand, wie die Sache läuft. Insgesamt haben wir mit Vorstand und Mitarbeitern als Team aber ein sehr gutes Krisen-Management geleistet und sind so sehr schnell eng zusammengewachsen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Betrieb waren natürlich immens.
Dettoris Küsschen und der Sieg eines Lokalmatadors
Und was waren Ihre persönlichen Highlights?
Andrea Höngesberg: Ich hätte nie geglaubt, gleich in der ersten Saison ein Idol wie Frankie Dettori kennenlernen zu dürfen – der Kuss auf die Wange nach der gewonnen Diana 2020 war natürlich ein I-Tüpfelchen auf einen wahnsinnig tollen Tag. Ich kann mir die Show gar nicht vorstellen, die es mit Besuchern gegeben hätte. Auch der Sieg von Lokalmatador Wonnemond beim 100. Großen Preis der Landeshauptstadt war sehr emotional. Und dann immer wieder die kleinen Gesten von Personen aus dem Rennsport, die scheinbar gut finden, was wir hier in Düsseldorf tun. Der ein oder andere war ja vorher etwas skeptisch bei einer jüngeren branchenfremden Frau – umso schöner ist die Akzeptanz, die ich inzwischen erfahren darf.
„Viel Spannung für die Diana im Langzeitmarkt“
Wie sieht die Planung für 2022 aus? Welche großen Rennen und Motto-Renntage erwarten die Zuschauer?
Andrea Höngesberg: 2022 steht natürlich im Zeichen des Jubiläums „200 Jahre Galopprennsport“. Wir sind sehr stolz, als ältester bestehender Rennverein Deutschlands die Auftaktveranstaltung des Jubiläumsjahres am 10.4. ausrichten zu dürfen. An dem Tag findet bei uns auch das erste Grupperennen des Jahres statt. Der Henkel-Preis der Diana hat mit noch 114 Stuten nach dem dritten Streichtermin so viele Anwärterinnen wie noch nie – hier ist sicher viel Spannung im Langzeitmarkt garantiert. Am Mittsommer-Renntag soll es nach den Rennen abends noch eine After Race Party mit Livemusik geben. Eigentlich ist aber jeder Renntag bei uns ein Highlight, da wir an jedem Tag mindestens ein Black Type-Rennen haben und damit unserem Anspruch als Premium-Rennbahn gerecht werden.
„Bei uns ist jeder willkommen“
„Renntag ist, was Du draus machst!“
„Renntag ist, was Du draus machst“, heißt es in einer Werbung des Reiter- und Rennvereins. Wie möchten Sie vor allem junges, neues Publikum gewinnen?
Andrea Höngesberg: Wir wissen, dass wir eine treue Fan-Gemeinde haben. Die wollen wir natürlich weiterhin halten. Aber wir möchten auch neue Besucher gewinnen. Düsseldorf ist eine sehr lebhafte Stadt mit viel Bewegung, auch in der Bevölkerung. Daher müssen wir immer wieder neu auf uns aufmerksam machen. Das wollen wir, in dem wir das schöne Gesamterlebnis und die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten betonen: Ganz egal, ob man entspannt mit Decke auf der Picknick-Wiese sitzen möchte oder ein elegantes Umfeld mit hochwertigem Catering zelebrieren möchte – bei uns ist jeder willkommen! Das soll auch durch die direkte Ansprache und das ‚Du‘ unterstrichen werden, um Schwellenangst vor einer vermeintlich elitären Gesellschaft zu nehmen. Daher ist unser Werbespot auch nach den Facetten aufgebaut, die ein Renntag haben kann: Urlaubstag, Mädelstag, Familientag, Glückstag, Feiertag – Renntag!
Welche Rolle spielen hierbei die Sozialen Medien?
Andrea Höngesberg: Soziale Medien bieten uns vor allem die Möglichkeit, den Rennsport transparent und greifbar zu machen. Wir können die Image-Hürde „Sport der Reichen“ ganz leicht überwinden, in dem wir die Leute mitnehmen und die Protagonisten anfassbar machen. Zudem können wir die Geschichten erzählen, die den Sport so emotional machen. Wir sind nicht mehr so auf die Meinung der großen Medien angewiesen wie früher. Allerdings muss man auch mit negativem Feedback umgehen können von Menschen, die das Tierwohl im Sport gefährdet sehen. Jede Äußerung ist aber gleichzeitig auch eine Chance, um wieder ins Gespräch zu kommen und die Menschen zu überzeugen.
Wie ist die Vernetzung mit der Stadt und anderen Vereinen in Düsseldorf?
Andrea Höngesberg: Die Vernetzung mit der Stadt ist sehr gut. Wir haben letztes Jahr den 101. Großen Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf ausgerichtet – also eine sehr traditionelle Partnerschaft. Wir haben auch gemeinsame Projekte für Kinder mit dem Jugendamt der Stadt, siehe , und weitere Kooperationen. Uns ist wichtig, dass man uns als Teil der Stadtgemeinschaft wahrnimmt. Auch mit anderen Sportvereinen pflegen wir Austausch und arbeiten mit Fortuna Düsseldorf sowie den hier am Grafenberg ansässigen Rochusclub (Tennis) und Borussia Düsseldorf (Tischtennis) zusammen. Und im Oktober findet zum zweiten man das Cross-Bike-Festival Querfeldrhein des Cycling Club Düsseldorf bei uns statt.
Welche Rolle spielt das Wetten für Sie persönlich?
Andrea Höngesberg: Wetten bringt für mich die Würze in den Renntag. Wenn ich auf anderen Rennbahnen bin, wette ich gerne und viel. Allerdings eher kleine Beträge. Bei eigenen Renntagen fehlt mir leider meist die Ruhe dazu. Ich hoffe das ändert sich, wenn wir mal wieder normale Renntage ausrichten dürfen.
„Ein echter Traumjob“
Was begeistert Sie ganz besonders an Pferderennen? Und wie hat Ihr Interesse an den Pferden begonnen?
Andrea Höngesberg: Ich bin schon als Kind auf die Rennbahn, aber auch auf andere Pferde(sport)veranstaltungen gegangen und war schon immer von Pferden aller Rassen fasziniert. Der Virus Pferd hat mich sehr früh infiziert, und ich habe auch ein eigenes Pferd. Allerdings war mir schnell klar, dass ich mit meinem Reit-Talent kein Geld verdienen kann. Daher ist der Job auf der Rennbahn die perfekte Kombination meiner Fachkompetenz Marketing und Management mit meiner Leidenschaft Pferd – ein echter Traumjob!
Am Pferderennen liebe ich die Energie, die ein Feld galoppierender Pferde vermittelt. Dieses Donnern der Hufe sorgt bei mir einfach für Gänsehaut.
Wie steht es um einen eigenen Galopper? Und welche Rennbahnen möchten Sie in nächster Zeit besuchen?
Andrea Höngesberg: Ich bin mit einem kleinen Anteil an der Besitzergemeinschaft ROM und dem Pferd Zerostress beteiligt, der uns sehr viel Freude macht. Wir peilen den Start im Gruppe-III-Rennen am 10. April bei uns in Düsseldorf an. Eine Bahn, die ich leider bislang nur außerhalb von Renntagen erlebt habe, ist Hoppegarten. Ich freue mich sehr auf die Jubiläumsfeierlichkeiten im August dort. Zudem stehen natürlich Besuche in Köln, Hamburg und Baden-Baden auf dem Programm. Und ich würde mich sehr freuen, dieses Jahr auch mal international unterwegs zu sein, z.B. in Rom.
Ihre Wünsche für die Rennbahn Düsseldorf und den deutschen Galoppsport für 2022?
Andrea Höngesberg: Ich wünsche mir wirklich sehr, dass die Besucher wieder auf die Rennbahnen strömen und tolle Tage erleben. Ich hoffe, dass die Menschen wieder Lust auf Großveranstaltungen haben und diese ohne Angst vor Corona besuchen können. Wenn die Menschen wieder vor Ort sind, können wir sie wieder von unserem wunderbaren Sport begeistern – der ganze Rest kommt dann von alleine.