Er ist Trainer und Tierarzt in einer Person, und seit vielen Jahren hocherfolgreich mit seinem Rennstall in Lengerich. Auch die Saison 2024 startete Dr. Andreas Bolte fulminant mit zahlreichen Treffern in Deutschland und Frankreich. Gründe genug für ein Inside-Interview auf dem RaceBets-Blog mit dem 57-jährigen.
Die heutigen Rennen bei RaceBets
Mit 20 Erfolgen liegt erneut eine sehr ansprechende Saison 2023 hinter ihnen, und 2024 hat mit einer Reihe von Treffern noch besser für Sie begonnen. Wie ist die Struktur des Stalles aktuell und wie sehen Sie die Perspektiven für dieses Jahr?
Dr. Andreas Bolte: Die Perspektive liegt natürlich bei den jungen Pferden. Wir haben jetzt acht Zweijährige in Training, zwei Zweijährige sind eingeritten worden, haben das ABC gelernt und sind wieder auf der Koppel. Dort verbringen sie den Sommer, da sie sehr spätreif sind. Von den zehn Zweijährigen werden vielleicht zwei oder drei in diesem Jahr laufen.
Drei von ihnen haben auch eine Berechtigung in Auktionsrennen. Am weitesten ist zur Zeit Mademoiselle Rouge. Die größten Hoffnungen ruhen auf vier Dreijährigen, wobei sich immer noch im Laufe der Saison diese Pferde entwickeln können, die jetzt noch schlafen oder im Wachstum sind.
Ansonsten sind es die vielen Älteren, die durchweg im Handicap-Bereich an den Start kommen werden. Das wird hauptsächlich in Deutschland sein. Vier bis sieben Pferde gehen regelmäßig nach Frankreich. Sie sind im mittleren Sport dort angesiedelt. Die Handicaps gehen von 54 bis 80 Kilo hoch. Mit 37 Pferden in Training, inklusive den beiden auf der Koppel, sind wir ganz gut aufgestellt und können das mit unserem Personal bestens bewältigen. Zehn Boxen haben wir noch frei. Aber ansonsten sind wir sehr zufrieden, da das Jahr ja sehr gut begonnen hat.
„Manche Pferde können das Fünffache verdienen“
Auch in Frankreich sieht man ihre Pferde immer öfter im Einsatz. Welche Rolle spielen Starts im Nachbarland für Sie?
Dr. Andreas Bolte: Die Rolle der Starts in Frankreich ist natürlich von großer Bedeutung, einmal natürlich für Pferde wie Lucky Eye, die eine französische Inländergeltung haben. Denn das Prämiensystem dort ist dem deutschen System weit überlegen. Es geht nun einmal um die Finanzen. Und solch ein Pferd kann in Frankreich das Fünffache verdienen wie ein Deutschland. Sie hat in einem Sieglosenrennen mit Prämie 14.000 Euro verdient, in Deutschland wären es 3.000 Euro gewesen.
Pferde wie Sombrero hätten in Deutschland überhaupt keine Startberechtigung. Er hat eine Marke von um die 80 Kilo. Er ist ein Riesensteher, wobei 3.000 Meter schon s Minimum sind. Diese Rennen gibt es in Deutschland nicht. Listenrennen sind eventuell zu schwer oder auch das Oleander-Rennen, wo ich ihn ursprünglich einmal genannt hatte. Er hätte bei uns null Startmöglichkeiten. Ausgleich I gibt es nicht über die Distanz. Er hat gewonnen und war danach Vierter. Er wird in Frankreich weitermachen. So ein alter Hase wie Fuego Del Amor hat ein Handicap, mit dem er zurechtkommt und wird weiter seine Rennen in Frankreich bestreiten. Mit talentierten Pferden, die ein GAG von über 70 haben, macht es Sinn, ebenfalls in Frankreich zu starten, oder man bereitet ein Pferd von Anfang an vor. Man macht es einfach wegen des Geldes, weil dort die Verdienstmöglichkeiten lukrativer sind.
In den vergangenen Jahren haben Sie zahlreiche Seriensieger geformt. Was waren die besten Beispiele? Und wer könnte 2024 eine Serie schaffen?
Dr. Andreas Bolte: Das fing an mit Pferden wie Los Campanos, Camberwell, Ricardo und als bestes Pferd im letzten Jahr das Mega-Pferd Fellow, der leider in Baden-Baden von uns gegangen ist. Er hat Ende dreijährig schon enormes Potenzial im Training gezeigt und sich über die Starts peu a peu nach oben gearbeitet. Man konnte anhand der Trainingsleistungen schon erahnen, dass er in die Grand Prix-Klasse aufsteigen würde. Er wäre sicher in diesem Jahr über 2.200-2400 Meter in Grupperennen etabliert.
Diese Saison weiß ich noch nicht genau, ob wir Seriensieger haben werden. Von diesen spricht man bei drei, vier Erfolgen. Es wird schwer, mit Solterio noch zweimal zu gewinnen. Vielleicht könnte North Fire einiges nachholen. Aber einen Fellow haben wir leider nicht.
„Magic Move Hoffnungsträger auf Steher-Distanzen“
Wer sind die Hoffnungsträger unter den jungen Pferden?
Dr. Andreas Bolte: Hoffnungsträger unter den jungen Pferden auf Steher-Distanzen ist ganz klar Magic Move. Er traf beim Debüt sehr starke Gegner und lief auf unpassendem Boden sehr gut. Enttäuschend war der vierte Platz gegen Gruppe-Pferde, aber nach Arbeitsleistungen ist er in der Lage, mitzuhalten. Wir hatten das Gefühl, dass er etwas müde war. Vielleicht hatte er das erste Rennen noch nicht richtig weggesteckt, was man im Training aber nicht sehen konnte, aber er ist ein Pferd, das ab 2.400 Meter bis 3.000 Meter sehr viel Potenzial hat.
Bei den Mitteldistanzpferden ist es ganz klar Klaudius, der zwar in der Arbeit nicht allzu viel zeigt, aber schon auf Gras oder im Rennen gute Leistungen geboten hat. Obrigado Furler ist auch ein Pferd, das im Laufe des Jahres sehr gute Leistungen über Sprintdistanzen bis zur Meile zeigen wird. Sie werden alle ihre Rennen gewinnen, auch Oak Lahoma oder Mister Chi.
„Besitzer bleiben nur, wenn du erfolgreich bist“
Etliche Besitzer sind schon seit langen bei Ihnen. Wie schwer ist es, Eigner von Rennpferden zu halten und zudem neue zu gewinnen?
Dr. Andreas Bolte: Die meisten Besitzer sind bei mir, weil wir uns von anderen Trainern unterscheiden, allein schon durch die Privatanlage. Alle Pferde kommen täglich auf die Koppel, auf die Paddocks, haben Ausgleich und soziale Kontakte mit anderen Pferden.
Trotzdem bleiben Besitzer nur, wenn du erfolgreich bist. Da kann das Tierwohl noch so sehr an erster Stelle stehen. Wenn auch aufgrund von erklärbaren, objektiven Sachen, die nicht fehl gelaufen sind, Misserfolge stattfinden oder Erfolge ausbleiben, wechseln die Leute auch zu anderen Trainern, was ja ganz normal ist. Wenn man darüber spricht und sich in die Augen sehen kann, ist das auch überhaupt kein Problem.
Wenn Du Erfolg hast, kommen auch neue Leute. Wir hatten das auch, es sind Besitzer gegangen und neue Besitzer gekommen. Man muss fair damit umgehen. Die regelmäßige Information zu den Pferden ist ganz wichtig und auch der persönliche Kontakt zu den Besitzern, dass sie involviert werden in Reiterfragen, Startmöglichkeiten. Im Endeffekt entscheiden Besitzer und Trainer immer zusammen bei uns.
Die Stoppuhr ist ein wichtiges Utensil im Training
Sie sind neben der Trainer-Tätigkeit auch Tierarzt. Was ist Ihre Philosophie bei der täglichen Arbeit? Und was machen Sie anders als andere Trainer?
Dr. Andreas Bolte: Meine Philosophie des Trainings beruht natürlich darauf, dass wir relativ viel individuell trainieren, zum Beispiel Camiro, der über Jahre immer wieder seine Leistung gezeigt hat, wird komplett individuell trainiert. Er kann nicht im Lot mitgehen, da würde er sich zu sehr aufreiben. Das würde sein Nervenkostüm nicht mitmachen. Pferde wie Nica sind immer komplett alleine trainiert worden. Wir haben natürlich mehrere Möglichkeiten, zwei Sandbahnen, eine Naturbahn im Wald gelegen und eine Sandbahn, ähnlich wie in Dortmund, nur nicht ganz so groß. Wir haben eine Reithalle und einen Reitplatz, wo die Pferde unterschiedlich warm gemacht und gearbeitet werden. Die meisten Pferde gehen natürlich im Lot zusammen.
Als Tierarzt trete ich dann auf den Plan, wenn die Pferde krank sind. Die Philosophie ist, dass man den Pferden individuell gerecht wird. Wir trainieren nach Stoppuhr. Ich gebe den Reitern immer eine Zeit vor, die sie einhalten müssen, was dann kontrolliert wird mit der Stoppuhr. Durch visuelle Zeichen auf meiner Bahn kann ich mit den Reitern kommunizieren. Das ist vielleicht auch eine Philosophie, die nicht überall anzutreffen ist. Außerdem machen wir vor jedem Galopp einen Galop Chasse, die Pferde traben und machen dann 1.500 bis 1.600 Meter einen langsamen Galopp, bevor sie dann wiederum fünf Minuten Schritt gehen und die eigentliche Galopp-Arbeit absolvieren.
Ein großes Familien-Unternehmen
Ihre Frau und Ihr Vater tauchen auch als Besitzer am Stall auf. Wie stark ist Ihre Familie in das Unternehmen involviert? Und welche besonderen Vorzüge hat Ihr Quartier in Lengerich?
Dr. Andreas Bolte: Meine Familie ist schon seit langem im Rennstall integriert. Mein Vater ist der Futtermeister. Mit ihm bespreche ich anhand der Arbeitsleistungen, wie viel und welche Art von Futtermittel die Pferde bekommen. Er macht das schon so lange, wie wir die Anlage hier haben. Das sind knapp 27 Jahre. Mein Vater ist selbst auch Besitzertrainer. Meine Mutter kümmert sich um die Verwaltung des Rennstalles. Meine Tochter reitet neben der Schule selbst in der Arbeit mit und begleitet die Pferde oft zum Rennen. Sie macht im nächsten Jahr ihr Abi. Unsere beiden Jungs können zwar Reiten, haben aber gerade eher andere Interessen. Meine Frau reitet teilweise auch mit, wenn es ihr Beruf als Lehrerin zeitlich zulässt. Sie kümmert sich außerdem um die Verwaltung und Abrechnung meiner Tierarzt-Tätigkeit Es handelt sich um ein Familien-Unternehmen. Wir wohnen 500 Meter vom Stall entfernt auf dem Nachbarhof, meine Eltern wohnen direkt am Rennstall.
Sie gelten auch als Top-Spezialist für die Meetings in Baden-Baden und Hamburg. Welche Rolle spielen diese Renntage für Sie in der Planung und weshalb?
Dr. Andreas Bolte: Die Meetings sind für jeden Trainer wichtig. Zum einen weil sehr viel Spaß macht, dort zu gewinnen. Es ist einfach ein anderes Flair. Du reist nicht am selben Tag nach Hause. Du wohnst im Hotel, gehst mit den Besitzern essen. Es sind viele Zuschauer auf den Bahnen. Die Emotionen sind hoch. Baden-Baden ist immer etwas Besonderes. Es ist aber nicht geplant. Wenn eine Woche vor Baden-Baden das passende Rennen für ein Pferd ist, wird er dort laufen und nicht in Baden-Baden. Letztes Jahr haben wir dort schöne Rennen gewonnen. Natürlich sind die Preisgelder in Baden-Baden und Hamburg höher. Deswegen versucht man auch dort gerne zu gewinnen. Aber das ist jedem Rennstall Dasselbe.
Welches Rennen würden Sie gerne einmal gewinnen?
Dr. Andreas Bolte: Es muss natürlich realistisch sein. Wir brauchen nicht über den Melbourne Cup oder über den Arc zu reden. Wenn es sich anbietet und man die Pferde in Grupperennen laufen lassen kann, bringt das sehr viel Freude. Grupperennen sind nach wie vor etwas Besonderes.
Für welche Hobbies oder Reisen bleibt Ihnen Zeit? Gibt es auch ein Leben neben dem Rennsport?
Dr. Andreas Bolte: Neben den Rennen steht die Familie im Vordergrund, Ausflüge mit den Kindern, Restaurantbesuche, Theater, Kino, Konzerte. Das bietet sich in Münster ganz gut an.