Sie kommen aus dem Polo-Bereich. Wie ist Ihre Liebe zu den Pferden und später der Kontakt zum Galopprennsport entstanden? Welche Erfahrungen aus dem Polo-Bereich lassen sich auf den Turf übertragen?
Jochen Stargardt: „Mein Vater würde sagen, dass es sich vermutlich um einen Gendefekt handelt. Ich bin der einzige Pferdeverrückte in unserer Familie gewesen. Mit 11 Jahren habe ich begonnen, klassischen Reitunterricht zu nehmen. Danach war ich in allen Disziplinen aktiv, Springen, Dressur, Jagdreiten. Nach dem Studium stand dann erstmal das berufliche Vorankommen im Mittelpunkt, da musste die Reiterei zurückstehen. 2012 habe ich dann einmal Polo ausprobiert und wurde vom Virus infiziert. Auf einem Polopony zu sitzen ist, wie wenn man von einem Auto ohne Servolenkung in ein Auto mit Servolenkung umsteigt, es ist der Wahnsinn, wie feinabgestimmt die Ponys auf die Hilfen reagieren.
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Als „Rivalen der Rennbahn“ im Fernsehen lief
Da mich alles rund ums Pferd fasziniert hat, habe ich als Jugendlicher natürlich auch den Galoppsport verfolgt. Damals gab‘s im Samstagsvorabendprogramm „Rivalen der Rennbahn“, und der Galoppsport war auch noch fester Bestandteil der Sportschau, die selbstverständlich bei uns zu Hause lief. Ansonsten war diese Welt, bis auf einige Rennbahnbesuche als Jugendlicher weit weg.
Vor 2,5 Jahren hat mich dann Florian Figge, dessen Lebensgefährtin meine Leidenschaft fürs Polo teilt, zum Tag der Rennställe bei seinem Bruder eingeladen. Bis dahin war ich fest des Glaubens, dass der Galoppsport in Deutschland bis auf wenige Renntage in Deutschland ausgestorben sei.
6 Monate später ging es dann zum ersten Mal zur BBAG, der Rest ist Geschichte.
Mit El Sur Racing betreiben Sie einen erfolgreichen Rennstall bei Michael Figge in München. Wie kam es zu dem Namen? Wie fällt Ihre Saisonbilanz aus?
Jochen Stargardt: „El Sur“ ist spanisch „Der Süden“, da wir in Süddeutschland wohnen, hier unsere Pferde trainiert werden, und wir auch im Süden von Thüringen ein Anwesen für unsere zukünftigen Zuchtaktivitäten erworben haben, fanden wir das ganz passend. Unsere Poloaktivitäten betreiben wir auch schon seit ein paar Jahren unter dem „Label El Sur“.
Eine Saisonbilanz im Galoppsport hat mit Sicherheit immer zwei Seiten, da gab es wunderbare Erfolge, an die wir uns sehr gerne erinnern, von denen wir zehren. Es gab aber auch herbe Enttäuschungen, Niederlagen und Verletzungen, die es zu verkraften gilt.
Hoffnungen in La Estrellita
Auf welche Pferde freuen Sie sich für 2022 am meisten?
Jochen Stargardt: La Estrellita haben wir hauptsächlich den Erfolg in diesem Jahr zu verdanken, und es gibt berechtigt die Hoffnung, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Aber wir haben auch noch ein paar Hoffnungsträgerinnen im Stall, die dieses Jahr noch etwas Zeit brauchten, z.B. die Halbschwester von Qujan.
Auf Ihrer Website sprechen Sie von Ihrer „Vision 2025“, ein Vollblutgestüt zu gründen. Wie weit sind Ihre Pläne fortgeschritten?
Jochen Stargardt: Die Pläne sind schon sehr konkret, die Baugenehmigung für das Wohn- und Verwaltungsgebäude ist dieser Tage eingegangen, und bei den Stallgebäuden feilt der Architekt noch an den letzten Details. Wir werden also nächstes Jahr mit den Bauarbeiten beginnen. Dankenswerterweise steht der Bürgermeister ebenso wie die Gemeinde voll hinter unserem Projekt – ansonsten wären wir wohl an der Bürokratie gescheitert.
„Ich mag klassische Tugenden“
Was ist Ihre Erfolgs-Philosophie?
Jochen Stargardt: Als Philosophie würde ich das nicht bezeichnen, aber ich mag klassische Tugenden wie Fleiß und Disziplin. Am wichtigsten ist Konsequenz, wenn man konsequent seine Entscheidungen trifft, dann hat man Erfolg oder man scheitert, was dazu führt, dass man was gelernt hat. Menschen, die sich nicht gerne festlegen, haben es nicht leicht mit mir.
Welche Rennen würden Sie besonders gerne einmal gewinnen?
Jochen Stargardt: Oh, da gibt es viele. Grundsätzlich freuen wir uns über jeden Sieger, ist es doch ein Zeichen, dass wir mit dem Trainer die richtige Aufgabe zum richtigen Zeitpunkt für das entsprechende Pferd gefunden haben.
331 Teilnehmer bei der Akademie
Sie leiten auch die Akademie von Deutscher Galopp. Wie verlief der Auftakt 2021? Was sind Ihre Ziele bei diesem Projekt?
Jochen
Stargardt: Der Auftakt verlief gemischt, mitten in der
Pandemie mit so einem Projekt loszulaufen macht die Sache natürlich nicht
gerade einfach. So konnten wir die meisten Formate nur online anbieten, was bei
der Materie “Pferd“, die vom Erleben mit allen Sinnen lebt, natürlich nicht
ganz optimal ist.
Nichtsdestotrotz haben wir im ersten Jahr, 27
Seminarveranstaltungen mit insgesamt 331
Teilnehmern durchgeführt.
Welche Schwerpunkte setzen Sie hier im kommenden Jahr? Was sind Ihre weitere beruflichen Ambitionen?
Jochen
Stargardt: Wir würden gerne ein noch viel breiteres
Angebot erstellen, von Fotokursen, über Startmaschinentraining, der Fantasie
sind da keine Grenzen gesetzt. Für Ideen und vor allem Referentenvorschläge
sind wir hier sehr dankbar. Momentan liegt da aber aufgrund der sich
zuspitzenden Pandemielage wieder einiges auf Eis. Wir sind sehr happy, dass es
uns in der vergangenen Woche noch gelungen ist, die Prüfung für den diesjährigen Besitzertrainerlehrgang unter
Einhaltung aller geltenden Corona-Verordnungen über die Bühne zu bringen. Hier
gilt mein besonderer Dank dem Prüfungsausschuss, der stets lösungsorientiert
und pragmatisch zur Tat schreitet.
Die Akademie Deutscher Galopp ist ja ein rein ehrenamtliches Engagement,
ansonsten betreibe ich mit meiner Frau drei Akademie Standorte in Mannheim,
Würzburg und Stuttgart für berufliche
Weiterbildung, im Firmenkundenbereich entwickeln wir mit unserem Team je
nach Kundenwunsch, Mitarbeiterentwicklungsprogramme vom Auszubildenden bis zu
den Führungskräften, das wollen wir auch die nächsten Jahre machen.
Sitzen Sie noch regelmäßig im Sattel?
Jochen Stargardt: Ja, 3-4-mal die Woche in der Saison, in der Winterpause nur 1-2 mal.
Was wünschen Sie dem deutschen Rennsport für 2022?
Jochen Stargardt: Viele schöne Renntage, mit seinen Emotionen zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, und dass möglichst viele Menschen LIVE an diesem wunderbaren Wechselbad der Gefühle teilhaben.