Die heutigen Rennen bei RaceBets
Neustadt an der Orla ist die neue Wahlheimat von Jochen Stargardt. Hier betreibt der erfolgreiche Züchter und Besitzer das El Sur Stud, ein neues Gestüt in der deutschen Galoppszene. Gründe genug für einen Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog mit Jochen Stargardt (48).
Sie haben sich mit dem El Sur Stud einen Traum erfüllt. Wann entstand die Idee eines eigenen Gestüts, und wie fiel die Wahl auf den Standort Orla?
Jochen Stargardt: Es war tatsächlich immer mein Lebenstraum von Kindesbeinen an, einmal ein eigenes Gestüt zu besitzen. Dass dieser Traum einmal wahr wird, damit hätte ich im Leben nicht gerechnet. 2017 habe ich die ökonomische Situation in Deutschland und im Euroraum bereits sehr kritisch gesehen. Deshalb war die Idee, ein bisschen Erspartes in landwirtschaftliche Fläche zu investieren. Damals hatte ich zwar schon ein paar Poloponies, aber mit Vollblütern und dem Rennsport noch gar nichts zu tun. Nach zwei Jahren bin ich dann eher zufällig in Neustadt an der Orla fündig geworden. In das Grundstück habe ich mich tatsächlich auf Anhieb verliebt.
Die Gebäude waren zwar sehr marode, aber dass man die erhalten kann, hatte ich seinerzeit noch gedacht. Ab dann ging alles seinen Lauf. Die Vorbesitzerin musste erstmal mit über 80 Pferden ausziehen, dann stellten wir fest, dass es, doch besser ist, alles abzureißen und neu zu bauen. Dann kam Corona, langwierige Genehmigungsverfahren, Ukrainekrise mit Rohstoffpreis-Explosion etc., wir haben tatsächlich alles mitgenommen. Weihnachten 2023 war es dann endlich soweit und unsere ersten tragenden Stuten sind im eigenen Gestüt eingezogen.
„Anzahl der Pferde in einem überschaubaren Rahmen halten“
Welche Prinzipien sind Ihnen bei der Aufzucht von Rennpferden besonders wichtig? Und welche Vorzüge hat Ihre Anlage?
Jochen Stargardt: Mir ist die individuelle und naturnahe Aufzucht der Pferde ganz wichtig, deshalb möchte ich die Anzahl der Pferde in einem überschaubaren Rahmen halten, mehr als 15 Stuten mit Nachzucht sollen es erstmal nicht werden.
Ausreichend Koppel, wetterunabhängige Bewegungsmöglichkeiten, einfach viel Luft, Licht und Liebe, bedarfsgerechte Fütterung und Pflege.
Neben Koppeln und Sandpaddocks, in ausreichender Größe, haben wir eine Führmaschine für 8 Pferde mit 25m Durchmesser und im Innenraum einen Roundpen mit 20m Durchmesser als Bewegungshalle. Diese kommen vor allem für Rekonvaleszenten oder Pferde, die eine Pause aus dem Rennstall machen zum Einsatz.
Welche Erfahrungen können Sie aus Ihrem früheren Bereich Polo bei der Vollblutzucht einbringen?
Jochen Stargardt: Pferde sind in aller erster Linie Pferde! Diese haben Grund- und Individualbedürfnisse, diese zu kennen, zu erkennen und zu befriedigen ist, so denke ich – unabhängig von der Sportart, die betrieben oder für die gezüchtet wird – das A&O.
Was ich als erstes eingeführt habe, ist, dass nicht alle Pferde einzeln geführt werden. Kennen sich die Pferde und ist die Rangordnung geklärt und wird diese entsprechend respektiert, lassen sich auch Vollblüter ganz wunderbar zu zweit oder zu dritt führen. Das spart nicht nur Zeit, sondern sorgt sogar für mehr Ruhe und Sicherheit.
Können Sie uns erklären, woher der Name El Sur kommt? Und wie ist eigentlich Ihre Leidenschaft für Pferde entstanden?
Jochen Stargardt: El Sur ist spanisch und heißt „Der Süden“, so hieß schon unser Poloteam, bevor ich überhaupt mit dem Rennsport in Berührung kam. Als dann Ende 2019 die ersten Vollblüter dazu kamen und Rennfarben her mussten, lag es nahe, den Rennstall auch so zu nennen und das jetzt konsequent auch auf das Gestüt zu übertragen. Wir liegen ja immerhin auch im Süden des Ostens. Die Leidenschaft zum Pferd habe ich von Kindesbeinen an, mein Vater, der mich immer lieber in Fußballschuhen als in Reitstiefeln gesehen hätte, hat das mit einem Augenzwinkern immer als Gendefekt bezeichnet.
„Ich habe alle Fohlen mit selbst zur Welt gebracht“
Was waren bisher Ihrer schönsten Momente als Züchter und Besitzer?
Jochen Stargardt: Als Züchter ganz klar die Fohlengeburten, ich habe gemeinsam mit meinem Gestütsleiter, Robert Tim, alle Fohlen selbst mit zur Welt gebracht und das ist das Faszinierendste und Froßartigste, was man erleben kann. Das ist mit Worten schwer zu beschrieben, aber die Natur hat das ganz schlau eingerichtet. Das ist ein Ereignis, dass sie mit allen Sinnen wahrnehmen. Das wirklich Besondere für mich ist der Geruch, die frisch „geschlüpften Fohlen“ und auch Ihre Kleidung, gerne voller Fruchtwasser, das riecht einfach unfassbar gut.
Als Besitzer hatten wir tatsächlich das Glück in der sehr kurzen Zeit im Rennstall schon einige schöne Momente erleben durften. Der ganz aktuelle ist natürlich der Sieg von Tanami Starlet im Auktionsrennen in Hannover. Ich kann mich aber auch über kleinere Siege oder Platzierungen freuen. Es ist einfach schön zu sehen, wenn die oft monatelange Aufbauarbeit in den Rennställen Früchte trägt und Leistungssteigerungen zu sehen sind.
Leider mussten Sie mit dem Tod Ihres Deckhengstes Wild Chief einen herben Verlust hinnehmen. Wie gehen Sie mit solch einem Schicksalsschlag um?
Jochen Stargardt: Das war natürlich ein echter Tiefschlag und das gleich im ersten Halbjahr. Das bei einem Betrieb dieser Größe der Tag X kommt und ein Pferd stirbt, das gehört zum Leben, damit muss man rechnen. Ich lebe lange genug mit Tieren und auch Menschen, das mir bewusst ist, dass der Tod zum Leben gehört. Wir sind glaube ich als Gesellschaft gut beraten, uns das im Bewusstsein zu halten. Als Tierhalter fühle ich mich verantwortlich bis zum letzten Atemzug.
Der Unfall war für mich und mein Team sehr tragisch, aber wir können leider Nichts daraus lernen, das wäre durch keine Maßnahme der Welt zu verhindern gewesen.
„Die Weiterbildung ist mein Steckenpferd“
Sie engagieren sich auch im Vorstand der Besitzervereinigung. Wie sieht dort Ihr Bereich aus? Und welche Ideen konnten Sie hier bereits umsetzen?
Jochen Stargardt: Mein Steckenpferd ist natürlich die Weiterbildung, deshalb liegt es nahe, dass ich mich im Schwerpunkt bei der Akademie Deutscher Galopp engagiere, die meine Assistentin, Nina Fuchs, auch administrativ stark unterstützt.
Darüber hinaus liegen mir die Themen wie Besitzer-/Züchtergewinnung, aber natürlich auch die Pflege und Wertschätzung der aktuellen Züchter und Besitzer am Herzen. Wir arbeiten da in unserem 18-köpfigen Gremium in kleinen Teams an diversen Themen. Was die Geschwindigkeit in der Umsetzung angeht, können wir mit Sicherheit noch deutlich an Fahrt gewinnen, und ich würde mich freuen, wenn wir uns trauen würden, dafür auch mal einen Fehler zu riskieren. So wie ich jetzt mit dieser öffentlichen Aussage.
Nein, Spaß bei Seite, Verbandsarbeit hat viel mit Politik zu tun, da brauchen sie demokratische Mehrheiten und müssen erstmal Mehrheiten für Themen finden und ihre Kollegen überzeugen oder noch besser begeistern. Das kostet Zeit. Das ist anders als im Gestüt oder Unternehmen.
Das Team, das Gregor Baum hier aufgestellt hat, hat viele Stärken. Allen, denen es zu langsam geht oder die auch zu wenig Sichtbarkeit beklagen, kann ich attestieren, dass hier wirklich sehr fleißig und hochwertig gearbeitet wird.
Gerade in Zeiten der Sozialen Medien ist Neid und Missgunst auch im Turf nicht selten. Auch Sie mussten diese Erfahrung machen. Wie reagieren Sie in solchen Situationen?
Jochen Stargardt: Offen gesprochen, je nach Tagesform mal mehr und mal weniger gelassen, manchmal auch impulsiv. Ich lerne aber weiter dazu und bin stets um Gelassenheit bemüht. Social Media ist ein Instrument, ein Werkzeug und die sind immer so gut, wie der, der sie bedient. Ich scheue mich nicht davor, Fehler zu machen, ich bin aber bestrebt diese nicht zu wiederholen und beim nächsten Mal besser zu sein.
Welche Ziele haben Sie als Besitzer und Züchter mittel- wie langfristig? Und wie ist Ihr Rennstall derzeit aufgestellt?
Jochen Stargardt: Als Züchter möchte ich klar für den nationalen und internationalen Markt Vollblüter züchten, die Ihre Härte und Leistungsfähigkeit zur Freude ihrer zukünftigen Besitzer unter Beweis stellen. Den jungen Pferden, die in unserem Gestüt aufwachsen, möchte ich eine Aufzucht und Kinderstube mitgeben, die sie optimal auf ihr späteres „Berufsleben“ vorbereitet und den Übergang und die Zusammenarbeit mit dem Menschen so leicht und angenehm wie möglich macht.
Für unsere Kunden verstehe ich mich als Dienstleister, der neben der optimalen Versorgung eine transparente und regelmäßige Kommunikation pflegt und die Besitzer auch über die Distanz am Leben ihrer Pferde und Fohlen teil haben lässt.
Im Rennstall habe ich derzeit vier Stuten im Training, die in Iffezheim, bei Gerald Geisler und in München, bei Karoly Kerekes trainiert werden.
Wie sieht für Sie der perfekte Tag im Gestüt aus? Und wie ist aktuell Ihre Mutterstutenherde aufgebaut?
Jochen Stargardt: Im Gestüt sind eigentlich alle Tage perfekt, an denen alle Pferde gesund sind und mir meine Firmen genügend Zeit lassen, bei der Gestütsarbeit eine aktive Rolle zu spielen.
Ich bin in der Regel bei der Morgenarbeit von 6:30 Uhr bis 8:30 Uhr und abends ab 17 Uhr live dabei. Ich kann vom Büro aus 80% der Koppeln übersehen, was tatsächlich manchmal so (positiv) ablenkt, dass ich die Jalousien runter mache, um effizienter meine Büroarbeit zu erledigen.
Der Stutenbestand umfasst derzeit sechs Stuten mit Fohlen bei Fuß, davon fünf eigene, die auch alle wieder tragend sind. Dazu kommen sechs Maidenstuten, die erstmalig gedeckt wurden, davon sind vier Kundenpferde. Kürzlich haben uns unsere beiden REHA-Pferde verlassen, die nun nach erfolgreicher Kur wieder das Training im Rennstall aufnehmen können.