Bis vor wenigen Monaten war er hierzulande noch völlig unbekannt, doch inzwischen hat sich Shuichi Terachi schon einen Namen unter den besonders gefragten jungen Reitern in Deutschland gemacht. Der 25-jährige Japaner bereichert die Szene hierzulande und ist bei Michael Figge in München beschäftigt. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet er über seinen Werdegang und seine Ambitionen.
Wie sind Sie zum Beruf Jockey gekommen? Hatten Sie diesen Wunsch bereits in der Kindheit? Welche Rolle spielte dabei Ihre Familie?
Shuichi Terachi: Den ersten Kontakt zu Pferden hatte ich mit sechs Jahren in einem Dressurstall in Japan. Meine Familie hat vorher keinen Bezug zum Pferdesport. In diesem Dressurstall wurde mein Wunsch, Jockey zu werden, durch eine Werbung für die japanische Jockeyschule geweckt. Meine Familie hat mich dabei von Beginn an unterstützt.
„Die Top-Jockeys in Japan sind echte Stars“
In Japan hat der Galopprennsport eine ganz andere Bedeutung als hierzulande. Können Sie das genauer erläutert? Wird man da als Reiter auch auf der Straße erkannt?
Shuichi Terachi: Das stimmt, der Galopprennsport in Japan ist natürlich sehr präsent. Die Top-Jockeys wie z.B. Yutaka Take, Christophe Lemaire oder auch Mirco Demuro sind in der Szene regelrechte Stars.
Was hat Sie zum Wechsel nach Deutschland bewegt? Wer hat Sie dabei entscheidend unterstützt?
Shuichi Terachi: Zuhause in Okayama (das liegt zwischen Hiroshima und Kobe) hatte ich nach meinem Schulabschluss den Wunsch, Jockey zu werden und fremde Sprachen und Kulturen zu lernen. Eine japanische Mitarbeiterin der British Racing School in Newmarket hat mir dabei geholfen, dort einen Kurs belegen zu können. Anschließend habe ich erste praktische Erfahrungen sammeln können bei den Trainern Sir Mark Prescott und Roger Varian.
Nachdem ich in England keine Chance bekommen habe, eine Ausbildung zum Rennreiter zu beginnen, entschied ich mich, Zuhause in Japan einen neuen Anlauf in Amerika zu wagen: Bei der Ankunft in North Carolina suchte ich mit Google Maps die nächsten Galopprennbahnen. Leider war die nächste Rennbahn in Ohio durch die Wintermonate bereits geschlossen und freundliche Mitarbeiter am Flughafen haben mir daraufhin Florida empfohlen. So bin ich auf der Rennbahn Gulfstream Park gelandet. Dort klapperte ich die Rennställe ab, und Trainer Angel M. Rodriguez gab mir die Chance, einige Tage in der Morgenarbeit mitzureiten. Ich hatte immer nur ein Touristen-Visum und musste nach drei Monaten wieder zurück nach Japan.
Chance bei Michael Figge bekommen
Neben meinen Englisch-Kenntnissen wollte ich auch Deutsch lernen und bin dafür nach München gereist. Dort habe ich einen Deutsch-Sprachkurs absolviert. Auf der Suche nach Ausrittmöglichkeiten habe ich im Wettbüro auf der Galopprennbahn in München einen Engländer kennengelernt und wurde zum Rennstall von Michael Figge vermittelt. Dort ritt ich zweimal pro Woche aus. Am Ende des dreimonatigen Aufenthaltes in München sagte mir Michael Figge, dass er mich als Jockey ausbilden könne, wenn die erforderlichen Zulassungen und Aufenthaltsgenehmigungen erteilt werden. Dies war im November 2019 der Fall, sodass wir ab 1.12. die Ausbildung zum Pferdewirt starten konnten.
Haben Sie Ihre Entscheidung schon einmal bereut? Wie ist das Leben und Arbeiten in München?
Shuichi Terachi: Ich habe die Entscheidung nach München zu gehen nie bereut. Ich fühle mich hier sehr wohl und bekomme viel Unterstützung.
„Toller Rückhalt unter den Besitzern“
Wie ist das Verhältnis zu Ihrem Trainer Michael Figge? Wie sind die Perspektiven für Sie?
Shuichi Terachi: Wir haben am Stall ein sehr gutes und freundschaftliches Verhältnis. Das Leben hier ist sehr angenehm – die Trainingsanlage und Rennbahn ist sehr groß und bietet viele Möglichkeiten für Pferd und Reiter. Die Mitarbeiter haben alle eine neue Wohnung im Mitarbeiterhaus direkt auf dem Gelände. Ich bekomme sehr viele Ritte und Möglichkeiten, an meiner Performance als Reiter zu feilen. Der Rückhalt unter den Besitzern ist wirklich toll!
Wer kümmert sich um Ihre Ritte? Ist es schwer, aus München an Engagements auf anderen Bahnen zu kommen?
Shuichi Terachi: Um die Ritte kümmert sich mein Trainer. Ich bin mit der bisherigen Bilanz sehr zufrieden. Durch die zehn Siege 2021 ist die Nachfrage erfreulicherweise gestiegen.
Vorbild Yutaka Take
Was sind Ihre Stärken? Was gilt es zu verbessern? Wie steht es um Ihr Gewicht?
Shuichi Terachi: Seit vielen Jahren arbeite ich an meiner Fitness, so war ich sowohl in England als auch regelmäßig in Amerika in Fitness-Studios. Dank meiner Körpergröße konnte ich dennoch mein leichtes Gewicht von 50 Kilo halten. Meine Stärke ist meine Disziplin, mein Wille und mein Endkampf. Arbeiten möchte ich noch an meinem Stil und an meiner Taktik. Mein großes Vorbild ist Yutaka Take, der nicht nur viermal den Japan Cup gewinnen konnte, sondern auch in weiteren internationale Gruppe I-Rennen siegen konnte.
Wie sind aktuell Ihre Sprachkenntnisse in Deutsch? Haben Sie sich schon an die bayerische Küche gewöhnt?
Shuichi Terachi: Ich bin jetzt seit ca. 1,5 Jahren in München und schaue regelmäßig deutsches Fernsehen, um mein Deutsch zu verbessern. Im Stall wird natürlich auch nur deutsch gesprochen. Die bayerische Küche konnte ich erfreulicherweise schon öfter kennenlernen: Der ein oder andere Ausflug mit dem Stallteam ins Wirtshaus hat mir gut gefallen und geschmeckt. Zuhause koche ich sehr gerne Rindfleisch, Gemüse oder Salat und japanische Suppen. Ich kaufe frische Zutaten und habe auch für das Stallteam zweimal originales Sushi zubereitet.
Welche Ziele haben Sie für dieses Jahr?
Shuichi Terachi: Viele Siege, viel Erfahrung sammeln und gesund bleiben.
„Fast Ruhestörung in der Nacht“
Wie halten Sie den Kontakt zu Ihrer Familie? Was sagt die Familie über Ihre Entwicklung als Jockey?
Shuichi Terachi: Ich halte zweimal pro Woche Kontakt mit meiner Familie über die App Line (japanisches Whatsapp) – dort können wir Videoanrufe machen und uns austauschen. Meine Mutter und auch mein Vater schauen alle Ritte von mir im YouTube Livestream von Deutscher Galopp und feuern mich lautstark an. Manchmal ist das fast Ruhestörung in der Nacht wegen der Zeitverschiebung. Sie freuen sich sehr über jede Platzierung und über jeden Sieg.
Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?
Shuichi Terachi: Wie schon angesprochen hauptsächlich mit Kochen, Fitness und Jogging auf der Trainingsbahn. Ansonsten haben es mir noch die asiatischen Kampfsportarten angetan: Mein Vater war in seiner Jugend ein guter Kämpfer in den Disziplinen Kendo, Judo und Karate. Diese Passion teilen wir seitdem.