Fünf Wochen ist der sechsjährige Freizeit-Blüter Lord Lucas inzwischen bei mir in München. Der Ex-Galopper kam vor allem wegen einer Buckel-Thematik und eines akuten Anfalls von Pubertät sowie mit einem frischen Kissing Spines Befund im Gepäck. Während in den ersten Tagen noch Reha und Aufbauarbeit im Fokus stand, kamen Grunderziehung und Grundausbildung von Woche zu Woche stärker in den Trainingsplan. Denn letztendlich kann das Lördchen, wie ihn seine Besitzerin liebevoll nennt, nur gesund aufzuspielen, wenn er auch korrekt über den Rücken läuft. Und seine Besitzerin kann ihn nur dann gesund arbeiten, wenn er sie gerade nicht beißt, tritt oder über den Haufen rennt.
Vom Rennpferd zum Freizeitpferd: Dressurarbeit, Woche 5
Die ersten Ritte waren gelinde gesagt abenteuerlich: Lord hat dermaßen in der Lendenwirbelsäule blockiert, dass er immer wieder in Tölt, Pass oder komplett ausfiel. Dass er sich vor jedem Geräusch erschreckt, scheint in teilen auch an seinem hypersensiblen Maul zu liegen: Er hat wohl gelernt, dass lauten Geräuschen plötzliche Bewegungen im Maul folgen. Man merkt geradezu, wie sich die Halsmuskulatur erwartungsvoll zusammenzieht. Die ersten Folge-Bocksprünge wegen Kreuzschmerzen lassen nicht lange auf sich warten.
Der komplizierte Kreislauf aus unerfahrenem, schreckhaftem Pferd mit hypersensiblem Maul und empfindlichem Rücken ist im Tagesbetrieb eines Reitstalls garnicht leicht zu managen. Denn Reiter haben doch sehr unterschiedliche Vorstellungen, was ein schwieriges Pferd ist und wie viel Abstand man von einem Youngster halten sollte, der keinen Gegenverkehr kennt und schnell mal loshüpft.
Survival Training
Der einfachste, doch wichtigste Punkt bei der Bodenarbeit ist, was ich „Survival Training“ nenne. Lord reagierte auf ungewohntes entweder mit umdrehen und flüchten oder mit Augen zu und Vollgas. Ohne Rücksicht auf Mensch, Material oder die eigenen Knochen. Natürlich gar nicht gesund. Darum lernte er in der Longierhalle erst am Strick, dann an der Longe und später frei, an kleinen Aufgaben (Folien, Stangen, Pylone u.v.m.) zu bremsen, nachzudenken und die Aufgabe langsam und Bedacht zu lösen.
Grunderziehung
Pubertät ist die Zeit des Ausprobierens: Und die nutzt Lord zur Genüge. Kann ich beim. Gassi gehen Gras fressen, wo ich mag? Kann ich mich nach dem Reiten wälzen; auch wenn der Sattel noch drauf ist? Fragen über Fragen; und jedem Tag fallen ihm neue ein. Etwas schwieriger ist tatsächlich das Thema Verkehr in der Reitbahn. Lord kam von der Rennbahn (wo alle Abstand halten und in die selbe Richtung laufen) in einen Offenstall (wo man sich notfalls mit Zähnen und Hufen den Weg zur Heuraufe freikämpft). In der aktuellen Situation, wo in jeder Stressituation die Lendenmuskulatur blockiert, ist es etwas schwierig, in bei viel Betrieb in der Reithalle zu bewegen. Unentspannt. Und gerade das verträgt er ja gar nicht.
Dieses Wochenende kommt seine Besitzerin zum ersten Mal für ein Bodenarbeitstraining, zum Ende des Monats (und seines Aufenthalts bei mir) steht dann eine ganze Trainingswoche mit Pferd und Besitzerin auf der Agenda. Alltag. Bodenarbeit. Reiten.