Ich liebe es auf der Rennbahn zu lauschen. Meine Lieblingsanekdote ist die mit dem lispelnden Kind: “Mami, Mami, wir müßßßßen die ßßßßieben auf ßßßßieg ßßßßspielen.”. Seitdem ist die “ßßßßieben” bei mir gerne der “ßßßßieger”. Und immer wieder ein Highlight, wenn wir auf der Rennbahn sind. Auch sonst gibt es da ja immer eine Menge zu hören. Wirklich kurios wird das vor allem dann, wenn die Leute keine Ahnung haben (siehe Familienrenntag). Aber auch sonst ist der Gang über die Bahn ein Gang durch die Seele der Menschen. Allerdings sind scheinbar die Seelen, die sich auf der Rennbahn herumtreiben, ein wenig bunt durcheinander gewürfelt.
Geht nämlich schon am Führring los. “Karl Heinz, wo is’n die Spochtwelt?”
„Wat?”
“Die SPOCHTWELT!”
“Weiß ich nich’”
“Aber du hattest die doch!”
“Ja, jetzt nimmer!”
Karl Heinz wird dafür nun zur Strafe mit einer Jammertirade überschüttet. Man kann aber genau sehen, dass er das Hörgerät ausmacht und seine Herzensdame quengeln lässt. Der guckt jetzt nämlich Pferde. Und beugt sich zu einer völlig Fremden rüber: “Die zwei, ne?” Die Frau hat keine Ahnung was er meint, die hat nur irgendwas von FC-Renntag gelesen und ist mit ihren zwei Kindern da, die sie lieber schnell wegschiebt, weil Opi irgendwelchen senilen Unsinn mit Zahlen daherquasselt.
Außerdem plärren die Kinder: “Mamaaaa, wann kommt Fußballspieler ABC?”
Typische Mütterantwort: “Bald.”
Nebendran unterhalten sich die Kenner: “Glaub mir, das iet von Monsun, natürlich kann der den Boden!”
“Ja, aber doch nicht mit dem Jockey. Der hat die letzten wichtigen Rennen völlig verknallt.”
“Ach, der wird uns noch überraschen.”
Ein bisschen weiter findet man die Aktiven. Die sich ganz sicher nicht nur über Rennen unterhalten. Schon mal gar nicht die beiden Führerinnen von Pferd DEF. “Und? Was habt ihr gestern so gemacht?”
“Och, nix, Netflix und gechillt.”
“Echt jetzt?”
Kichern: “Neeee.”
Dafür schimpft gerade der Futtermeister: “Die bei den Stadtwerken spinnen doch. Die Nachzahlung ist doch Betrug!”
Außerdem quatschen nebendran Trainer mit Besitzern: “Und? Wie war der Urlaub auf Barbados?” Wat interessiert das Pferd? Auf der Rennbahn darf man alles sagen.
Auch sämtlichen Unsinn, der einem so ungefiltert durch den Kopf geht. Wie die drei Herren neben mir beweisen:
“Ja, und? Ich finde halt, dass Doitschland(!) gar nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen muss. Was haben die denn schon für uns getan?”
“Ja, Recht haste. Und dann die Kopftücher. Eklig.”
“Na wenigstens sin’ ‘se nisch’ auf dä Rennbahn. Die essen ja Pääähd.”
Klaro. Die bösen Flüchtlinge essen die Rennpferde weg und dann nehmen sie uns auch noch die Rennbahn. Wird auf jeden Fall so passieren.
Gehen wir lieber weiter. Da sitzt nämlich die Damenriege, ein bisschen angeschickert und mit Hut. Während im Führring die Jockeys aufsteigen. Das Lachen der Ladys ist laut und schrill und geht einem in die Knochen. Allerdings sind die lustig. Ich glaub, hier bleib ich.
“Ach, Mensch. Häs do dat Leckerschen jesehn?”
Kurz glaube ich, dass es sich um ein Pferd dreht. Allerdings zeigt sie mit ihrem Prosecco in Richtung Jockey. “Haaach”, macht die andere. “Den nehm ich.”
Rudelkichern in die Gläser. Wusste gar nicht, dass Jockeys in deren Beuteschema fallen. Verstehe aber jetzt, warum die so gerne zugucken: Man sieht viel Hintern.
Ob das hier überhaupt noch mal um die Pferde geht? Ja, doch, da hinten. Da zanken sich die drei ewig in den 1930ern gebliebenen darüber, ob man wohl in Syrien Pferd isst.
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