Die Weihnachtstage sind vorbei, Schnee scheint es dieses Jahr ja nicht mehr zu geben und die ersten Prüfungen kommen immer näher. Damit Duke zum Frühjahr und Saisonstart auch wirklich 100-prozentig fit ist, sprach ich mit den Münchner Tierärztinnen Dr. Med. Vet. Zrinjka Hardenberg (Chiropraxis Hardenberg) und Dr. Carolin Fritz (Equistro) über den gezielten Ausbau von Muskulatur: Wie muss ich füttern? Wie muss ich mit meinem Pferd arbeiten? Und wie sollte der langfristige Trainingsplan aussehen.
Muskeln aus der Futterschüssel?
Wenn Pferde gezielt Muskulatur aufbauen sollen, empfiehlt Expertin Dr. Carolin Fritz die Fütterung von ausreichend qualitativ hochwertigen Proteinen. “Am besten eignen sich hier natürlich Produkte, die kurzkettige, leichtverdauliche Peptidverbindungen enthalten”, so Fritz. Das sind kleine Moleküle, die aus wenigen Aminosäuren bestehen und daher für die Enzyme im Dünndarm des Pferdes (hier besonders Peptidase) leicht und schnell zu spalten sind, sodass die einzelnen Aminosäuren während ihrer Passagezeit durch den Dünndarm über dessen Schleimhaut auch vollumfänglich resorbiert werden und somit in anderen Zellen (Leber, Muskulatur) zu benötigten, großen Proteinmolekülen zusammengesetzt werden können.
Es gilt also nicht, dem Pferd möglichst viel proteinreiches Futter zu verabreichen, sondern viel mehr, möglichst hochwertige Proteine zu füttern. “Dieser Aspekt ist nicht nur für die gezielte Unterstützung des Muskelaufbaus entscheidend, sondern spielt auch in anderen physiologischen Bereichen eine nicht ganz unwichtige Rolle.”
So kann eine Fütterung mit sehr viel Protein natürlich auf Dauer auch den Muskelaufbau fördern, jedoch parallel dazu die Darmflora ungünstig beeinflussen und „gute Bakterien“, die u. a. durch die Zelluloseverdauung wichtige Vitamine produzieren, verdrängen. Zudem kann eine übermäßige Aufnahme von Protein über den Darm zu einer Überbelastung von Leber und Niere führen, da durch den Ab- und Umbau vieler großer Proteinmoleküle unweigerlich sehr viel Stickstoff anfällt, welcher als Harnstoff über die Niere ausgeschieden wird und diese bei übermäßigem Anfall auch schädigen kann.
Das A und O: Der Trainingsplan
Wenn ein Pferd gezielt Muskulatur aufbauen soll, empfiehlt Chiropraktikerin Dr. Med. Vet. Zrinjka Hardenberg einen Blick auf den aktuellen Status: “Zunächst muss geklärt werden, warum ein Pferd schlecht bemuskelt ist bzw. Muskulatur verliert. Das kann sehr vielfältige Ursachen haben: lange Trainingspause nach Verletzungen, Erkrankung, Stress, schlechte Haltung, falsche Fütterung, schlechtes Equipment u.v.m.”
Erst wenn die Ursache erkannt und behoben ist, kann die gezielte Arbeit zum Muskelaufbau beginnen.
“Generell sollte beim Muskelaufbau auch immer an ein Konditionstraining gedacht werden”, so Hardenberg. “Nur, wenn Herz und Lunge in der Lage sind, ausreichend Sauerstoff in den Körper zu bringen, kann auch Muskulatur aufgebaut werden.” Auch sei darauf zu achten, dass man das Training langsam steigert. Erhöht man die Belastung zu schnell, ist die Energiegewinnung aus dem aeroben Stoffwechsel schnell erschöpft und wechselt in den anaeroben. Dabei entsteht Laktat und die Muskulatur übersäuert (im schlimmsten Fall bis zum Kreuzverschlag). Um also effektiv trainiert werden zu können, benötigt das Pferd eine Grundkondition (ebenso wie der Reiter).
“Jede Trainingseinheit beginnt mit einer ausreichend langen Schrittphase von mindestens 15 Minuten. Bei Pferden in der Rehabilitation kann diese Aufwärmphase im Schritt auch deutlich verlängert sein.
Allerdings beginnt auch im Schritt schon die Arbeit: nach ein paar Minuten am langen Zügel sollte das Pferd langsam aufgenommen werden und bereits im Schritt auf großen Linien gebogen werden. Auch Übungen, bei denen das Pferd seitwärts treten muss, sind hilfreich zum Lösen und Aufwärmen. Unabhängig davon, ob ein Pferd an der Longe oder unter dem Reiter gearbeitet wird, sollten ausreichend „Verschnaufpausen“ ins Training eingebaut werden. “
“Kann ein verkrampftes Pferd korrekt aufmuskeln?“
Meine letzte Frage muss Hardenberg klar verneinen: „Hat das Pferd Schmerzen, wird es versuchen den Schmerzen auszuweichen und eine Schonhaltung einzunehmen. Im schlimmsten Fall werden also falsche Muskeln aufgebaut. Bei weggedrücktem Rücken wird z. B. der Unterhals stärker zum Stabilisieren genutzt und damit auch stärker bemuskelt.
Der Erhaltungsbedarf: Was ein gut bemuskeltes Pferd (noch) braucht
Nehmen wir mal den Idealfall: Training und Fütterung haben gut angeschlagen und das Pferd ist korrekt bemuskelt. Wann und wie muss/sollte man die Fütterung “normalisieren?
Hier empfiehlt Dr. Fritz eine Kombination aus proteinreicher und antioxidativer Fütterung sowie körperlichem Training. “Wie bei nahezu allen Zellen des Körpers findet auch bei den Muskelzellen ein ständiger Auf- und Abbauprozess statt. Um Muskelmasse zu erhalten, sollten Anabolismus (Aufbau von Muskelmasse) und Katabolismus (Abbau von Muskelmasse) daher immer im Gleichgewicht sein.
Dieses Gleichgewicht erreicht man auf der einen Seite dadurch, dass der Muskelzelle ausreichend Substanz für den Aufbau von Muskelprotein (Aminosäuren als kleineste funktionelle Bestandteile von Proteinen) zur Verfügung stehen und andererseits indem man die Muskelzellen natürlich auch quasi dazu animiert, sich immer wieder zu erneuern, was durch Bewegung bzw. gezieltes Training passiert.”
Muskeln ohne Training?
Leider muss Fritz einen weit verbreiteten Traum unter den Freizeitreitern verneinen: Muskulatur kommt nicht nur über Fütterung, sondern ausschließlich, wenn das analoge Training passt. “Wenn die Muskulatur nicht ausreichend trainiert wird, bewirkt die zusätzliche Mehrfütterung von Aminosäuren nur bedingt einen muskelerhaltenden Effekt. Der Körper nutzt das durch den Muskelabbau freiwerdende Protein dann vermehrt zur Energiegewinnung (Glucosesynthese) und die durch den Muskelabbau freiwerdenden Gewebshormone befördern diesen Prozess. Die nicht benötigte oder nicht benutzte Muskelmasse wird abgebaut, da die Aminosäuren für den Körper viel zu wertvoll sind, als dass er sie einfach ungenutzt in nicht benötigter Muskulatur „verkommen“ lässt.
Zudem stellt Protein keine Langzeitspeicherform von Energie dar – Fettgewebe daher schon. So kann es passieren, dass nicht benötigte Muskelmasse abgebaut wird, aus den freiwerdenden Aminosäuren wird in der Leber Glucose gebildet, die wiederum durch Umbauprozesse in Fett umgewandelt wird, welches der Körper als Energiedepot für schlechte Zeiten dann an verschiedenen Stellen des Körpers einlagert. “
Muskelaufbau bei Duke: Viele kleine Stellschrauben
Während sich mein vierjähriger Duke in den ersten Reitpferde Monaten schnell und positiv entwickelt hat, ging es ab Dezember plötzlich rückwärts. Und das sehr schnell. Mein klassischer Dreiklang, wenn sich das Pferd nicht (mehr) positiv entwickelt, ist Chiro, Zahnarzt, Sattler. Zrinjka Hardenberg hatte bei ihm einiges zu tun: Der dürre Hals & der fröhlich ausfeuernde Hintern sind sehr affin für Blockaden, die sich gleich aufs ganze Pferd auswirken. Auch der Sattler hatte einiges zu tun: Bisher hatte ich mir mit einem Correction Lammfell Pad der Firma Matthes beholfen, um Dukes sich stetig verändernden Rücken mitgehen zu können (Quasi ein “Baukasten” aus Lammfell und Filzscheiben, um den Sattel ohne Sattlerbesuch bestmöglich aufs Pferd anzupassen). Doch nun hat der Produktionsleiter der Traditionssattlerei Kiffer meinen Springsattel genau so umgepolstert, dass Duke optimal darunter aufbauen kann. Besten Dank dafür!
An der Fütterungsfront gab es eine Kur für den Magen und seither mehr hochwertige Proteine in der Futterschüssel.
Nur für das Thema “locker” (s.o.) habe ich aktuell keine optimale Lösung parat. Duke macht die Winterarbeit im Longierzirkel und auch die abendliche Arbeit in der gut gefüllten 20 x 40 Meter Reithalle (5 Reiterkollegen sind keine Seltenheit) wirklich brav und immer besser mit. Doch letztendlich ist das konzentrierte Kringeln für den schlacksigen Youngster Schwerstarbeit. Anders im Gelände, wenn seine Hufe (wir hatten ein paar Wochen Ausreiteverbote, siehe Blogbeitrag “Ohne Huf kein Pferd”), die Bodenverhältnisse und die Quote an Gassi gehenden Muttis mit Kinderwagen (die finden es nicht so lustig, wenn ein Buschpferd geflogen kommt) eine ordentlichen Canter erlauben. Dann läuft er, wie ein Uhrwerk. Locker. Lässig. Und unbeschwert.
Es wird Zeit, dass der Frühling kommt …