Eine Ankaufsuntersuchung – gemeinhin TÜV genannt – ist beim Pferdekauf seit jeher üblich. Wie gründlich untersucht wird, hängt jedoch von der Sorgfalt und auch von der Börse der beteiligten Parteien ab. Denn ein TÜV kann bis zu 1500€ und mehr kosten. In der Praxis wird bisher gerade bei günstigen Pferden gerne auf eine Ankaufsuntersuchung verzichtet: Wer zahlt bei einem 2.000€ Pferd schon zusätzliche 1.000€ für TÜV? Doch das neue Warenkaufrecht scheint den Pferde(ver)kauf deutlich komplizierter zu machen … und eine gründliche Bestandsaufnahme umso notwendiger.
Pferd = Ware = 2 Jahre Haftung
Das neue Warenkaufrecht gilt auch für Pferde. Das bedeutet, gewerbliche Verkäufer haften, ganz wie bei einem Kühlschrank, 2 Jahre für den Zustand der verkauften Ware. Laut der Süddeutschen Zeitung geht die Deutsche Reiterliche Vereinigung derzeit rechtlich gegen dieses wenig sinnvolle Gesetz vor – zum ganzen Artikel “Wenn der Streit ums Pferd absehbar ist” geht es HIER lang. Denn ein Pferd ist eben kein Kühlschrank und verändert sich mit der Zeit. Bei veränderten Haltungs- oder Trainings-Bedingungen können Probleme aufkommen, die beim Kauf noch nicht absehbar waren. Entsprechend rät die FN, den “Zustand” des Pferdes beim Kauf bestmöglich zu protokollieren, den Trainingszustand sowie auch mögliche Probleme festzuhalten.
Bis 2002 galt beim Pferdekauf die “Kaiserliche Verordnung betreffend die Hauptmängel und gewährsfristen beim Viehhandel”. Die Gewährsmängel beim Pferdekauf waren Dummkoller, Periodische Augenentzündung, Rotz, Kehlkopfpfeifen, Koppen und Dämpfigkeit. Beim Auftreten nur einer dieser Mängel konnte man das Pferd innerhalb von 6 Wochen zurückgeben.
“Seit einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2002 muss der Händler, also ein Unternehmer, keine Privatperson, nachweisen, dass ein Mangel, meist gesundheitlicher Art, bei der Übergabe des Pferdes noch nicht bestand. Die Umkehr der Beweislast gilt für sechs Monate, danach muss der Käufer beweisen, dass der Mangel bereits vorhanden war. Kann er das, darf er das Pferd bis zu einer Frist von zwei Jahren zurückgeben. Die Beweislast für den Verkäufer soll nun verlängert werden, auf ein Jahr, unter Umständen auf zwei Jahre. Das sieht die neue EU-Warenkaufrichtlinie vor. Sie muss bis Anfang Juli von den Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Das dazu gehörige deutsche Gesetz muss am 1. Januar 2022 in Kraft treten, da die alte Richtlinie dann ausläuft.”
(Süddeutsche Zeitung.)
Der “Kleine TÜV” und der “Große TÜV”
Der kleine TÜV protokolliert den Gesundheitszustand des Pferdes zum Kaufzeitpunkt. In der Regel gehören zum TÜV die folgenden Untersuchungen (Quelle: Allianz):
- Abhören von Herz und Lunge
- Kontrolle von Haut und Fell
- Messung der Körpertemperatur
- Check von Atemfrequenz und Puls
- Untersuchung von Atmungssystem, Nervensystem, Augen und Kot
- Abtasten von Rücken und Beinen
- Beurteilung des Bewegungsapparats im Trab
- Belastungsprobe
Der “Große TÜV” ergänzt die oben genannten Punkte um:
- 18 Röntgenaufnahmen im Bereich der Hufe, Fesseln und Sprunggelenke
- Ultraschall
- Endoskopische Untersuchungen
- Blutuntersuchungen
Der „große Pferde-TÜV“ sichert Sie als Käufer umfassender ab, da sich durch den Rundum-Check beginnende Gelenkprobleme und weitere gesundheitliche Beschwerden aufdecken lassen, die im Anfangsstadium nur auf Röntgenbildern erkennbar sind.
Mängel bei der “Ware” Pferd
“Treten Mängel in der gesetzlich definierten Frist auf, geht es um Schadensersatz, Rückgabe, Nachbesserung oder Kaufpreisminderung. Bei Pferden kann der Käufer auch noch eine Rechnung aufmachen über die Unkosten, die ihm durch das mit Mängeln behaftete Pferd entstanden sind, wie Futter, Pension, Ausbildung und Tierarzt” (SZ). Und genau hier wird es schwierig: Denn kaum ein Lebewesen ist frei von Mängeln.
Eben darum gilt es, den Zustand der “Ware” Pferd beim Verkauf bestmöglich zu protokollieren. Die FN rät, beim Verkauf von Sportpferden vor allem sportliche Leistungen festzuhalten. Die schriftliche Zusicherung von bestimmten Charaktereigenschaften sei heikel – immerhin reicht nur eine schlechte Erfahrung, um aus einem “verladefrommen” Pferd einen Problemkandidaten zu machen. Hier kann es für Verkäufer Sinn machen, auch “Videobeweise” zum Verhalten eines Verkaufspferdes im Alltag anzufertigen und zu archivieren. Nur für den Fall …