Heute muss ich euch mal impfen. Denn es wird wieder Propaganda von sämtlichen Tierschützern geben, die zwar sich noch nie mit dem Grand National wirklich befasst haben, aber auf jeden Fall wissen, dass da immer 50 Pferde und 30 Jockeys sterben.
So viele Starter sind es dann aber doch nicht und es stirbt auch nicht jedes Jahr ein Pferd im Grand National. Gut finden muss dieses Rennen niemand, der das nicht möchte und dem sich dieser Sport nicht erschließt. Aber bevor ich nach abschaffen, oder sonstigen Dingen krähe, könnte man ja mal informierter schimpfen.
Für die, die das wollen, also hier heute eine Exkursion nach Aintree. Und ja, ich gucke mir das an. Aber ich habe auch schon tragische Momente beim Grand National gesehen… In jüngster Zeit war das zum Beispiel der großartige Synchronized 2012, der erst seinen Reiter absetzte, dann hinter dem Feld trotzdem über die Sprünge ging und sich unrettbar verletzte. In Aintree geschehen viele Dinge. Auch das.
Nicht ganz so militante Tierschützer brüllen gerne nach Entschärfung. Das denkt man sich immer so schön, kippt doch endlich den Becher’s Brook zu, doch die liegen damit sehr falsch.
Becher’s gehört zu den schwersten Sprüngen im Grand National, und jedes Jahr fällt eine Vielzahl Pferde dort. Becher’s ist der Sprung, vor dem sich alle kleinen Pferdemädchen (und auch ein paar von den großen) gruseln. Denn beim Becher’s springt man höher ab, als man aufkommt. Bedeutet, der Landepunkt liegt tiefer als der Absprungpunkt.
2011 entschärfte man ihn, 2012 war das Grand National NICHT schön. Warum?
Der entschärfte Kurs zieht schlechtere Pferde an. Natürlich nicht die Pferde, sondern Besitzer mit leidlichen Steeplern, die vielleicht, wenn ganz viele Pferde fallen, ja noch ins Geld laufen können. Immerhin ist das Grand National saugut dotiert. Was die Leute nicht bedenken (ja, manchmal sind Rennpferdebesitzer und Trainer auch nicht sonderlich helle): Genau diese Pferde verursachen Stürze. Da waren Pferde im Feld, die waren über ein Jahr nicht mehr auf der Hindernisbahn. Und die waren schon vorher keine Gruppe I Sieger. Was haben die da zu suchen? Wir reden jetzt nicht von den absoluten Graupen, denn eine gewisse Leistung muss da sein, um ins Feld zu kommen – aber besonders hoch sitzt die Latte nicht.
Dazu kommt außerdem: Das Grand National benachteiligt gute Pferde, denn es ist ein Handycap – bedeutet: Aufgewicht für gute Pferde. Das mag ja auf der Flachen spannend sein, aber nicht bei einem Monsterrennen über mehr als sieben Kilometer. Mit 30 Sprüngen!
Das ist nicht fair. Jedenfalls sehe ich es nicht als fair an. Das Startfeld ist riesig, jeder Hanswurst kann sein Pferd dort hineinbekommen. 40 Pferde. Davon sind aber nicht alle talentiert. Das geht dann ungefähr bis Becher’s Brook gut, da hört es dann auch auf. Ist der 6. Sprung im Rennen. Fällt nun so ein minder begabtes Pferd (oder verweigert, denn Becher’s ist imposant), löst es im schlimmsten Fall eine Kettenreaktion aus, die gut vorbereitete, talentierte Pferde das Leben kosten kann. Im besten Fall ist nichts passiert und es sind nur ein paar auf die Nase gefallen.
Allerdings muss man jetzt auch mal mein Gemecker ein wenig geraderücken – denn wir wollen ja vorbereitet sein. Ständig wird an einzelnen Hindernissen herumgekrittelt, so zum Beispiel an „The chair“: Das Hindernis hat einen Graben und ist damit recht tricky. Allerdings: Egal was ihr hört – auch dieser Sprung hat seit 1988 kein Leben mehr gekostet. Und auch wenn wir immer Fotos davon sehen – the chair wird nur einmal im Rennen gesprungen, genau wie der Water Jump. Und wenn ein Pferd fällt, bedeutet das nicht, dass es danach erschossen wird. Da lauern keine Scharfschützen, auch wenn uns die Tierschützer das gerne erklären wollen.
Hinterfragt in jedem Fall, was ihr da zu sehen bekommt. Meist sind es alte Bilder, denn entweder, PeTA und Co. schaffen es nie hin, oder es gibt einfach gar nicht so viel zu sehen, wie die immer behaupten.
Die Hindernishöhe mag zudem auch sehr imposant wirken, aber die Pferde sind nicht doof, die machen das seit Jahren: Das ist Tannengrün. Steepler springen durch, nicht drüber. Und diese Pferde (denn wir dürfen uns ja immer was anhören) sind alt. Voll ausgewachsen und gut trainiert. Ab 7 darf gestartet werden.
Ebenso kam 2013 dann eine sinnvolle Entschärfung, der Kern der Hindernisse ist nun ebenfalls weicher und nachgiebiger und 2014 wurde Aintree tatsächlich auch von Tierschutzorganisationen gelobt (natürlich nicht von PeTA, wo kämen wir da hin?).
Die Jockeys werden außerdem dazu aufgefordert, chancenlose Pferde anzuhalten, um keinen Sturz aus Müdigkeit zu provozieren. Wird dagegen verstoßen, wird der Jockey bestraft.
Das Grand National hat eine gewisse Faszination. Es selektiert knallhart, aber es zeigt uns auch das Hindernisrennen in Perfektion, wenn wir denn bereit sind, hinzuschauen. Macht euch ein eigenes Bild. Schaut es euch an.
Ich jedenfalls bin doch immer so ein bisschen hibbelig, wenn der Samstag im April näherrückt. Es ist schwer zu beschreiben, wenn man den Sport krampfhaft schlecht finden will. Wer das nicht tut, ist aber herzlich eingeladen, sich anstecken zu lassen.
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