Nur zwölf Pferde im Feld und alle Augen waren auf Enable gerichtet. Und da flog sie auch in Richtung Ziel. Bis da ein Roter Fleck auftauchte. Erst in einer Wand aus Pferden, als käme er nicht weiter. Um sich dann plötzlich Flügel wachsen zu lassen, die Enable an dem Tag fehlten: Waldgeist. Ich habe übrigens am Sonntagvormittag noch gesagt: Ich glaube an eine Sternstunde für Deutschland (immerhin ist Waldgeist ja doch auch Deutsch) und ihn gespielt. Warum auch nicht? Waldgeist hat andere Kandidaten (das Monster! unter anderem, der dann doch sehr überschätzt war) stehenlassen – auf Gruppe I Parkett. Wie kann man ihn da so wenig beachten?
Im Vorfeld des Arcs habe ich diverse Gespräche verfolgt, wo man Waldgeist die Klasse absprach. Der mag zwar nicht eine so beeindruckende Bilanz wie Enable haben – aber der Fünfjährige agiert mehr als nur souverän, seit seinem ersten Lebensstart auf Gruppe Parkett. Und er war bis Sonntag bereits zweifacher Gruppe I Sieger – Und das nicht in Deutschland oder Italien. Sondern in Frankreich. Sehe ich mir da zum Beispiel French King an, der in Deutschland (als Franzose) die Grupperennen runterreißt, dann ist das doch erst Mal schlechter zu bewerten als französische Rennen – jaja, ich weiß, hören die Deutschen nicht gern, aber: Isso.
Waldgeist stand am Toto auch höher als Japan. Der ebenfalls zweimaliger Gruppe I Sieger ist. Versteh ich nicht. Wenn man sich anguckt, mit wem Waldgeist sich schon duelliert hat, dann war er nie ein Pferd, dem die Klasse für dieses Feld fehlte. Ghaiyyath hingegen immer fragwürdig. Da nützt es nichts, dass der in Baden-Baden auf und davon eilte. Vielleicht messen wir unserem wichtigen Gruppe I Rennen auch nur eine zu hohe Bedeutung zu. Das mag Danedream gewonnen haben – aber ist nun mal keine klare Aussage über ein gutes Abschneiden auf internationalem Parkett im Arc.
Waldgeist hatte immer die Klasse den Arc gut zu laufen. Daher wundert das Abschneiden eigentlich nicht. Aber natürlich überstrahlt eine Enable alles. Das hätte es werden können. Der historische Moment. Ein Pferd, das dreimal den Arc hintereinander gewinnt. Etwas, das noch nie ein Pferd geschafft hat. Dabei ist ihr kein Zacken aus der Krone gebrochen. Sie ist seit 2017 unbesiegt. Und jetzt mal “nur” zweitplatziert. Das kratzt die amtierende Königin der Galopper sicher nicht – und es kratzt auch nicht an ihrem Mythos. Der wird weiter überdauern. Niemand war einer Trêve “böse” als sie ihren dritten Arc nicht holte (aber schön wäre es ebenfalls gewesen).
Und so gewinnt eben Waldgeist das wichtigste Rennen des Rennkalenders. Ein fünfjähriger Hengst, der eigentlich das verkörpert, was man von Galoppern haben will. Beständigkeit, Schnelligkeit und Härte. Ein Pferd, das über Jahre hinweg gute Leistung zeigt. Auch Enable steht (allerdings noch beeindruckender) für dieselben Attribute, beide Pferde sind nämlich gleich alt und machen damit den dreijährigen-Jahrgang ziemlich nass. Sottsass, als dritter ist dann auch der erste Dreijährige, der sich in die Platzierung schleicht.
Was mich aber tatsächlich beeindruckt hat, fernab von Waldgeist, war die Begeisterung der Menge für Enable. Das Etepetete Publikum hat gesungen, als Enable kam. Und sie waren sehr still, als sie geschlagen wurde. Das mag ich am Rennsport (auch wenn das für Waldgeist natürlich irgendwo schade war). Aber wenn da ein Pferd ist, das die Massen bewegt, dann sind Nationalitäten und Rivalitäten ganz egal. Jeder kann sich daran erfreuen. Und jeder kann sich dafür begeistern.