Das Derby. Kaum ein Rennen hat so viele Geschichten zu bieten, wie eben das berühmte deutsche Derby, das hin und wieder auch mal anders hieß (Großer Deutschlandpreis der Dreijährigen – den Nazis war das Wort Derby zu “englisch”). Nachdem es 1945 pausierte, kehrte es 1948 nach Hamburg zurück und hat dort bis heute seinen Sitz. Aber wenn man durch die Sieglisten schaut, könnte man wahrscheinlich eine abendfüllende HBO Serie der Derbysieger machen – ihre Geschichten reichen über Drama, bis hin zu Intrigen und Krieg – also quasi Game of Thrones mit Derbysiegern.
Auch in der Neuzeit ist das Derby nicht arm an Stories, Sensationen aber auch Skandalen (jeder erinnert sich sicherlich an die unrühmliche 2016er Ausgabe, bei der plötzlich diverse Jockeys vergessen haben, wie der Graf in der Sesamstraße aussieht und vor allem zählt – Ein Peitschenhieb … ZWEI Peitschenhiebe … dreivierfünfsechssiebenacht …), was so gar nicht gut fürs Image war.
Die glanzvollen Zeiten liegen hinter uns und fanden in etwa mit Borgia ihr Ende, das ist so mein subjektiver Eindruck. Ja, sicher, da sind noch große Namen, die da kommen. Aber irgendwo da beginnt der Bruch mit der Öffentlichkeit, die sich plötzlich gegen den Rennsport wandte. Manche werden sicher behaupten, das begann einige Derbys früher oder später – aber darum wollen wir nicht streiten. Früher gewannen also Legenden das Derby. Warum sie zu Legenden wurden? Weil die Menschen sie kannten. Es kann nichts zur Legende werden, wenn niemand die passende Ballade dazu vorträgt und das ist natürlich in den letzten Jahren immer schlechter geworden.
Und auch wenn vermutlich kaum jemand, der das hier liest, Nereides Derby gesehen hat, weiß einfach JEDER was da passiert ist. Die ungeschlagene Wunderstute, die im Derby unfreiwillig durch Periander einen schlenderhaner Pacemaker erhielt, setzte die erste Rekordzeit im Derby und die wurde erst in den 90ern durch Belenus geknackt. Nereides Derby war 1936! Es weiß auch jeder, dass Nereides Jockey die Stute am Ende nicht mehr ausritt und die Hände runter nahm – theoretisch, wäre sie über die ganze Strecke gefordert worden, hätte sie vielleicht sogar immer noch die schnellste Derby Zeit halten können.
Schlenderhans legendäre Vierfachserie, die darin gipfelte, dass Allgäu plötzlich für das SS-Gestüt Schlenderhan gewann, ist vermutlich gleich eine eigene Serie wert. 18 Siege stehen für Schlenderhan zu Buche und niemand war je erfolgreicher im deutschen Derby. Wiener Walzer war der letzte Sieger in den schwarzblauroten Farben, und dieses Jahr sieht es eher nicht nach einem 19. Sieg aus, auch wenn derzeit noch Schlenderhaner im Feld verblieben sind, so ist es doch unwahrscheinlich, dass einer von ihnen den Weg aus Frankreich macht um am 12. Juli in Horn zu starten.
Ausländer hatten es stets im Derby schwer – Buzzword war der letzte ausländische Sieger, die Deutschen hielten stets eisern dagegen, wenn es ans Derby ging. Was nicht bedeutet, dass sie nicht auch andere Konkurrenz fürchteten. Zum Beispiel einst vom Hauptgestüt Graditz, deren Überlegenheit erdrückend für die privaten Besitzer waren und die anschließend stark reglementiert wurden, bevor sie am Ende dann ganz vergingen. Trotzdem ist es irgendwie schön, die Graditzer Farben hin und wieder zu sehen. Auch sie gehören zum Derby, auch wenn sie schon lange nicht mehr im Feld zu sehen sind.
Sicherlich ist dieses Jahr ein Krisenjahr. Für alle, aber auch für den Rennsport. Der hatte seine Krisen schon in grauer Vorzeit, als 1923 der Sport das Ende des Krieges erlebte und die Rennpreise kaum noch der Rede wert waren. Es kommt vermutlich alles wieder, wir sind nur 3 Jahre zu früh dran. Sonst hätten wir die 100 Jahre vollgemacht, bis wir dieselbe Diskussion erneut führen müssen.