Turfteufel: Die schönen Geschichten

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Der Rennsport produziert zuweilen wirklich schöne Geschichten. Die sind nicht immer hollywoodreif, doch das müssen sie auch gar nicht sein. Manchmal reicht es nur, dass sie schön sind. Und in einer stecken wir derzeit noch drin. Das ist die Geschichte von Cody’s Wish. Man mag vom amerikanischen Rennsport natürlich halten, was man will, doch die Geschichte von Cody’s Wish kann man auch so genießen. Sie beginnt mit einem Wunsch. Cody Dorman, der mit dem Wolf-Hirschhorn-Syndrom geboren wurde, kommuniziert ausschließlich über ein Tablet und kann sich außerhalb seines Rollstuhls nicht bewegen. Bei einem Besuch auf der Gainsborough Farm in Versailles im Jahr 2018, der von der Make-A-Wish Foundation und Keeneland gesponsert wurde, traf Cody auf ein Fohlen von Curlin, das im Gegensatz zu anderen Pferden sofort neugierig auf den Jungen im Rollstuhl wurde. Das Fohlen hatte keine Scheu und suchte immer wieder Codys Nähe. Man nannte ihn also Cody’s Wish, denn die Begegnung war richtungsweisend.

Cody ging es nach der Begegnung nicht gut, seine Eltern waren in Sorge um ihn. Nachdem sie beobachtet hatten, wie ihr Sohn zusätzlich mit schweren Depressionen zu kämpfen hatte, kamen Codys Eltern im Jahr 2020 auf die Idee, das Pferd zu besuchen, das sie zwei Jahre zuvor kennengelernt hatten, um Cody aufzumuntern. Und Cody’s Wish erkannte seinen Namensgeber sofort. Mittlerweile im Rennstall beheimatet, wehrte er sich so lange gegen seinen Groom, bis er wieder vor Cody stand und sich streicheln lassen konnte. Trainer und Betreuer sagten einhellig, dass Cody’s Wish seinen Namensgeber ganz genau erkannte und ihm nahe sein wollte. Cody selbst sagte dazu: „Er fand mich und hat mich nicht vergessen.” 

Und so wuchs das Band zwischen den beiden. Cody’s Wish hat noch nie verloren, wenn Cody zu den Rennen kam, einschließlich seines märchenhaften Sieges in der Breeders‘ Cup Dirt Mile im November in Keeneland. Im Beisein der gesamten Dorman-Familie und vor einem weltweiten Fernsehpublikum kämpfte der Hengst Cyberknife nieder und gewann mit einem Kopf Vorsprung, bevor er seinen Namensvetter in der Winners Enclosure traf – ein emotionales Ergebnis, das sowohl die Beteiligten als auch die Fans berührte. Als Cody’s Wish sich im Breeders‘ Cup nach vorne schob, ging es nicht nur um das Prestige und Dollar. Sondern auch um ein Märchen, welches sogar den hartgesottenen, abgeklärten Rennsportfans ein paar Tränchen in die Augen zauberte. 

Auch am letzten Wochenende holte sich Cody’s Wish den Sieg im Hill ‚N‘ Dale Handicap – Gruppe 1. Es war das erste Mal, dass sich Cody und Cody’s Wish seit dem Breeders‘ Cup trafen, doch in Kontakt blieben sie sehr wohl. Godolphin schickte der Familie Fotos und Videos von den Trainingseinheiten des mehrfachen G1-Siegers aus dem Frühjahr, sodass Cody immer informiert blieb. Cody’s Wish hat damit bereits einen Startplatz im Breeders’ Cup Classic sicher. Es war sein sechster Sieg in Folge und ein weiteres Kapitel in einer wunderschönen Geschichte. Wollen wir hoffen, dass sie so weiter geht – vor allem mit einem Happy End. Schließlich sind das sonst die Geschichten, die sich ein Drehbuchschreiber in Hollywood ausdenkt, um einen schönen Schmachtfetzen zu schreiben, der das Publikum zu Tränen rührt. Aber wenn so etwas in der Wirklichkeit passiert – dann ist das noch einmal ganz was anderes …

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Nika S. Daveron
Nika S. Daveronhttp://www.arschlochpferd.de
Achtung, dieser Post könnte Meinung enthalten. Meine Meinung. Gestatten, Nika S. Daveron. Autorin und Turfteufel in einer Person. Sie finden mich auf der Rennbahn, in einem meiner Bücher oder auf Arschlochpferd.de.

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