Ob Pferderennen Tierquälerei sind, kommt halt ganz darauf an, welchen Standpunkt man vertritt. Findet man es generell böse, dass ein Mensch auf einem Pferd sitzt, weil Pferde doch bitte frei in der Natur herumstreunen sollen, ohne den Leuten etwas schuldig zu sein – ja, dann empfindet man Pferderennen als Tierquälerei. Wenn man zwar Reiten in Ordnung findet, aber absolut und generell jeden Sport mit Pferden ablehnt, dann wird man auch zu dem Schluss kommen, dass Pferderennen Tierquälerei sind. Aber zum Glück ist es dann so doch nicht ganz und es gibt nicht nur Schwarz und Weiß und eine Deutungshoheit liegt auch nicht alleinig bei denen, die sämtliche Tierhaltung ablehnen, da nur die Freiheit artgerecht sei.
Pferderennen sind zunächst einmal wichtig. Nicht für unsere Unterhaltung. Sie schützen das Kulturgut, das menschgemachte Vollblut und dienen seiner Zuchtauslese. Wir möchten mit gesunden, schnellen und harten Pferden züchten, die über mehrere Jahre erprobt sind. Klar, das gelingt nicht immer und gerade bei den Stuten ist das noch mal eine Sache für sich, aber per se ist der Sport für die kleine aber feine Vollblutzucht da und nicht für ein Wettpublikum, für eine Unterhaltung am Sonntag oder zur Belustigung der Fernsehzuschauer. Dessen müssen wir uns bewusst sein und wir haben erst einmal nur das Glück, dass wir uns dazu noch daran erfreuen können, weil diese Zuchtauslese öffentlich stattfindet.
Häufig hört man, dass Pferderennen Tierquälerei sein sollen, weil die Pferde jung sind. Jung sind sie, das ist richtig. Doch, wie bei menschlichen Sportlern ist das frühe Training für Top-Athleten wichtig. Keiner fängt mit Ende zwanzig an für Wimbledon zu trainieren und beim Eiskunstlaufen ist es normal, dass die Hälfte der Sportler noch nicht die Volljährigkeit erreicht hat. Das Problem hierbei ist jedoch, dass viele Leute nicht verstehen, dass es einen großen Unterschied zum hauseigenen Gebrauchspferd, einem Kaltblut oder einem Isländer gibt – die sogenannte Frühreife. Die ist kein Mythos und hat auch nichts damit zu tun, ob ein Pferd schon auf der Bahn laufen könnte, sondern mit der Entwicklung des Körpers. Das Kaltblut braucht viel länger als das englische Vollblut in seiner Entwicklung. Ein Pferd wächst zwar in der Regel, bis es sieben ist, aber das Vollblut steht ganz anders im selben Alter da. Und es braucht dieses frühe Training, damit es gesund und munter bleibt (habe ich mir nicht ausgedacht, dazu gibt es Studien).
Es wächst anders, seine Knochenstruktur entwickelt sich anders (schneller) und so kommt es, dass das Vollblut schon früh Leistung zeigen kann – manchmal steht ihm allerdings das generelle Wachstum trotzdem im Weg, da Pferde nicht gleichmäßig wachsen. Da ist es an uns, das zu erkennen und nur schonende Arbeit zu verordnen, damit der Körper gesund bleibt. Denn einseitige Belastungen können zu vielen unschönen Schmerzen und Verletzungen führen. Und so hört man häufiger, wenn ein Pferd von einem Rennen dann doch abgemeldet wird: “Ist im Wachstum”. Wir arbeiten ja im Rennsport mit jungen Sportlern.
Dann hört man häufig, dass die Haltung beim Pferderennen Tierquälerei sein soll. Die Pferde würden nie rauskommen, das äußere sich in wilder Rennerei und nervösem Gehabe. Viele Rennställe haben mittlerweile (und hatten teilweise auch schon Jahre vorher) Koppelhaltung, manche haben Paddocks für die Pferde, die nächsten eine Hangweide und gesunderhaltenes Reiten ist weiterhin auf dem Vormarsch. Manch ein Trainer setzt auf Dressurarbeit, andere gehen raus in die Natur, damit die Pferde unterschiedliche Eindrücke bekommen. Das ist keine Seltenheit mehr. Der Rennsport hat in der Vergangenheit, genau wie jede andere Pferdehaltung zu der Zeit, leider viele Aspekte des Fluchttiers Pferd ignoriert, dazu gehörte auch ein adäquater Auslauf. Da ist man nicht alleine mit – aber hier geht es nun mal um den Rennsport und davon muss er weg.
Und von den Rennen selbst haben wir noch gar nicht gesprochen. Auch die muten für manche als Tierquälerei an. Weil die Pferde schnell atmen, weil sie schwitzen und weil dort eine Peitsche verwendet wird. Wir sind jetzt (nach neuem Reglement) bei drei Schlägen mit der Peitsche. In keiner anderen Sportart ist das überhaupt so reglementiert. Und dass Pferde schwitzen, ist normal bei Anstrengung, Wärme oder Nervosität. Klar sehen die nach dem Rennen nicht aus, wie frisch aus dem Ei gepellt. Aber welcher Jogger sieht denn nach seiner Session fotoreif aus?
Es ist immens wichtig, dass die Leute diese Dinge verstehen. Dass es eben nicht so ist, wie die Tierschützer behaupten (die sich ja teilweise anhand von Videoschnipseln ganze Geschichten ausdenken). Aber wir müssen auch mit Missständen offen umgehen und sie so schnell wie möglich abschaffen, wenn wir in die Neuzeit wollen. Denn man kann mit anderen Sportarten konkurrieren, wenn man es richtig macht. Und auch mal erklärt. Und nicht den militanten Tierschützern die Deutungshoheit überlässt. Warum sollten die denn bestimmen dürfen, was Tierquälerei ist?