Das Palio di Siena ist wohl das berühmteste Pferderennen in Italien. Es wird in Form eines Reiterturniers mittelalterlichen Ursprungs ausgetragen. Und zwar zweimal im Jahr. Die normalen Termine sind der 2. Juli und der 16. August. Zu speziellen Ereignissen gibt es immer mal wieder einen „außerordentlichen Palio“ in Siena.
Tradition seit dem Mittelalter
Seit 1200 gibt es Belege für ein Pferderennen in Siena. An einer neu errichteten Kathedrale wurde in dieser Zeit das Zeichen der Stadt angebracht, um die Ankunft des Volkes der Barbaren zu markieren. Als Siena im Mittelalter zu einer der reichsten und kultiviertesten Städte Europas wurde, war der Palio ein Ereignis zur Bespaßung. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten war die Zeremonie der Kerzenopferung und der Volkszählung im Dom, ein Ritus, der sowohl religiös als auch politisch war. Und außerdem liefen die Pferde.
Die Organisation
Für die Organisation des Palio ernannte die Gemeinde jährlich die „Abgeordneten des Festes„, die in Dokumenten des 14. Jahrhunderts regelmäßig erwähnt werden, mit umfangreichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Der Palio wurde von Adeligen und Honoratioren auf ihren Pferden in einem Wettkampf entschieden, in einer Linie entlang einer Strecke, die von außerhalb der Mauern zum Dom führte, von außen nach innen. Der Preis war ein Pallium: ein langes Stück kostbaren Stoffes, manchmal in vertikalen Bändern genäht und mit Hunderten von Vaio-Fellen gefüttert. Diese ersten Palios waren bei den Adligen umstritten. Einige bevorzugten kriegerische Spiele, echte Kämpfe also.
Wie alles begann
Siena war unterteilt in so genannte Contrade, die gegeneinander kämpften. Man könnte von Bezirken sprechen. Sie waren viel zahlreicher als heute: Nach der Pest von 1347 war ihre Zahl auf 42 reduziert. Sie erhielten ihre Namen von Straßen, Toren oder Brunnen, Kirchen oder von illustren Familien, die in ihrem Gebiet residierten. Sie hatten Andachts-, Verwaltungs-, Militär- und Erholungsfunktionen. In der Zeit der Renaissance waren die Tage des Palio weltliche Anlässe, sie wurden zu einem Spektakel. Die Reiter in einem Palio kämpften für ein Contrade.
Ein immer größerer Wettbewerb
Ab dem Jahr 1659 wurden Reiter für ein Palio auch von außerhalb für die Rennen engagiert, bereits zwei Jahre zuvor begann man ohne Sattel zu reiten. Seit 1676 werden die Pferde per Losverfahren zugeteilt. Im 17. Jahrhundert wurde ein zweites Palio eingeführt und ab dem frühen 18. Jahrhundert unterlag die Organisation der Stadt. Wobei die gültigen Regeln aus dem Jahr 1721 stammen. Aus den Geschichtsbüchern lässt sich erkennen: Die Rivalität zwischen den Reitern wurde immer erbitterter und äußerte sich in Schlägereien, Übergriffen, Drohungen und Handgemengen.
Neunzehntes Jahrhundert
Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts wurden zwei wichtige Maßnahmen ergriffen. Bei der ersten wurde, um zu vermeiden, dass die Reiter im Vorfeld der Palio bereits gegeneinander kämpfen, dies unter Androhung von Gefängnisstrafen verboten. Entscheidung 2 betraf den Preis. Seitdem wurden 70 Taler (bzw. später die jeweilige Währung) in bar an den Sieger des Palio „alla lunga“ vergeben und 40 Taler an die Contrada, die den Palio „alla tonda“ gewann. Anders ausgedrückt den ersten und den zweiten Palio des Jahres.
Fahnenschwenken als Symbol
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erneuerten die Contrade und die Stadtverwaltung die Kostüme des Historischen Festzuges: 1904 wurde der Mittelalter-Renaissance-Stil der Teilnehmer endgültig angenommen und festgelegt. Im Jahr 1919 wurde das „Siegesfahnenschwenken“ von siebzehn Fahnenträgern, jeder mit einem Trommelwirbel, eingeführt, kurz bevor die Pferde die Entrone des Palazzo Pubblico verließen. Jedes Palio ist somit ein besonderes Ereignis.
Der Ablauf eines Palio
Nach der historischen Parade (im Juli um 19.30 Uhr, im August um 19.00 Uhr) kommen die Reiter zu Pferd aus dem Haupteingang des Palazzo Comunale, erhalten den Nerbo (getrocknete Ochsensehne zur Stimulierung des Pferdes) und gehen zum Startplatz, der „mossa“ genannt wird. Der Ausgangspunkt befindet sich auf der Höhe der Gasse der Costarella dei Barbieri. Zu diesem Zeitpunkt erhält der „mossiere“, quasi der Starter, der sich auf einer „verrocchio“ genannten Bühne befindet, einen Umschlag mit der Reihenfolge der Ausrichtung auf die Canapi. Gemeint ist die Startlinie, gekennzeichnet durch zwei Seile. Ab hier erinnert alles an ein normales Pferderennen.
Das Rennen
Die Reihenfolge der Starter ist bis zum letzten Moment geheim. Beim Start müssen die Reiter strategisch vorgehen. Manche treffen gemeinsame Vereinbarungen, sie halten die Gegner voneinander fern oder behindern mit Absicht. Sobald der Start als gültig angesehen wird, beginnt das Rennen. Es ist härter als normale Galopprennen, die Reiter können sich wirklich behindern, Stürze sind an der Tagesordnung. Der Palio wird von dem Pferd, mit oder ohne Jockey, gewonnen, welches als erstes drei Runden um den Platz im Uhrzeigersinn absolviert hat. Die Ziellinie, die durch eine Fahne markiert ist, befindet sich im gleichen Bereich wie der Start. Gefeiert wird der Sieger im Dom von Siena.