Zum ersten Mal in meinem Leben zogen bei mir kurz nacheinander ein 4-jähriger, angerittener Warmblüter (Dark Diamond) und ein 4-jähriger Vollblüter (Be my Shadow) ein. Auch Ex-Galopper werden oft als „angeritten“ angeboten, weil sie aus Reitpferdesicht noch nicht viel können. Aber ist dem wirklich so?
Ein 4-jähriger Vollblüter ist i.d.R. seit 3-Jahren im Training. Shadow (Rennname: Saoirse’s Gift) wurde in Irland geboren, in England trainiert und ging über eine Auktion nach Deutschland. Er war 25 x am Start und bringt einiges an Lebenserfahrung mit. Der 4-jährige Holsteiner Dark Diamond wurde 3-jährig „schonend“ angeritten (bedeutet meist: 2-4 Wochen. Halle und ggf. mal auf den Reitplatz) und hatte 4-jährig noch gar nicht gearbeitet.
Alltägliches und Grundgehorsam
Sowohl Shadow als auch Dark Diamond waren tagsüber Freigang in der Herde und nachts Box gewöhnt: Damit lief Schritt 1 der Umgewöhnung schonmal unproblematisch. Shadow drehte erstmal quietschend und bockend ein paar schnelle Runden um die Herde, während Dark Diamond sich einfach dazustellte und mit fraß.
Beim Führen am Halfter und beim Putzen merkt man schon die Unterschiede: Shadow wurde jahrelang von Profi-Bereitern gehändelt, während Dark Diamond schlicht und einfach nichts kannte. Den Putzplatz mussten beide erst kennenlernen (im Rennstall wird ja in der Box geputzt und gesattelt), der Waschplatz war mit Diamant eine größere Baustelle. Viel Geduld und Müsli konnten ihn nicht von diesem Ort überzeugen. Beim ersten Kratzer musste ich schlicht und einfach mit Wasser an seine Beine und so rahmten ihn 2 Stallkolleginnen mit Longiergerten ein (eine optische Barriere vorne und hinten). Dieses Prozedere haben wir noch ein paarmal wiederholt; inzwischen steht er auch alleine artig. Bei den ersten Spaziergängen an der Hand – aus Sicherheits- und Versicherungs-Gründen führe ich (Rennstall-Style) stets mit Steiggebiss – war Diamant ziemlich aufgeregt, während sich Shadow nur neugierig umsah.
Reiten: Remonte bleibt Remonte
Dark Diamond hatte 4-jährig noch keinen Sattel auf dem Rücken – entsprechend begann die Arbeit bei Null. Sattel auflegen, führen, longieren, vorsichtig aufsitzen und ganz viel loben. Mit 175 cm und langen Beinen ist er alles andere als klein. An den Ohren konnte man stets sehen, wie konzentriert er war: Das fremde Gewicht auf dem Rücken, einen Fuß vor den anderen und bloß nicht stolpern. Bei der Ausbildung junger Reitpferde zitieren Reitlehrer gerne Gustav von Steinbrecht (Gymnasium des Pferdes): „Reite das Pferd vorwärts und richte es gerade“. In diesem Sinne reite ich Diamant locker vorwärts auf großen Linien. Viel draußen, wenig drinnen und ein bisschen an der Longe (= sehr enge Linien).
Wenn ein Ex-Galopper eines kann, dann ist es vorwärts und geradeaus. Shadow läuft drinnen und draußen artig. Im Gelände ist er gut händelbar und bleibt sogar artig, wenn Pferde vorbeigaloppieren. Er kennt aus dem Rennstall Hangbahn und kleine Hindernisse. Der Longierzirkel erinnert an eine Führmaschine (sehr viele Rennställe haben eine, entsprechend kennen sehr viele Rennpferd das Format). Dass man auf so engen Linien auch cantern kann, finden viele Rennpferde allerdings schwer (hier braucht man keine Schub-, sondern Tragkraft). Selbst Gruppe-Rennpferd Sibelius schaffte anfangs kaum eine Runde, auch Shadow tat sich hier sehr schwer. Anfangs habe ich ihn komplett frei im Longierzirkel laufen lassen, damit er sich auf die Balance konzentrieren konnte. Als Schritt 2 kam der Kappzaum ins Spiel. Schritt 3 wird: Zirkel verkleinern und vergrößern. Wenn er das kraft- und balancemäßig schafft, kommt die Doppellonge ins Spiel.
Holsteiner Dark Diamond (4) vs. Vollblüter Be my Shadow (4) vs. Vollblüter Mabou (5)
Ziel: Der Weg in die Vielseitigkeit
Für beide Pferde habe ich ähnliche Ausbildungsziele: Den Weg in die Vielseitigkeit. Diamant ist von der Ausbildung her deutlich grüner als Shadow, aber körperlich deutlich reifer als der schlacksige Blüter. Nun bin ich sehr gespannt, wie sich die Jungs weiter entwickeln.