Es mag komisch anmuten, diese Variante wirklich als Trainingsmethode zu nutzen, aber ja, in Deutschland ist das tatsächlich normal, sein Hindernispferd danach auszuwählen. Wenn’s auf der Flachen gar nicht geht, kann man es ja immer noch einspringen. Und mit dem Blick auf’s Geld – eingesprungen verkauft sich ja auch besser. Wirklich bestätigt hat mir das zwar nie ein Trainer, aber ich glaube, ich bin da was ganz Heißem auf der Spur.
Da hat man also dieses Pferd. Und leider auch ein Reitabzeichen, das beweist, dass man springen kann, das hat man dummerweise mit der Bewerbung abgegeben. Dazu noch ein paar Hindernisse auf eine Grasbahn und der Trainer steht plötzlich neben einem, ein bisschen verschämt, wie ein kleiner Junge beim Liebesgeständnis: „Duuuu?“
„Ja?“
„Du kannst doch springen, ‘ne?“
Sagt man jetzt lieber schnell: Nein? Oder … hab ich lange nicht mehr gemacht? Eigentlich auch egal, denn plötzlich bekommt man ein paar Gamaschen in die Hand gedrückt (die man vorher noch nie in seinem Leben gesehen hat – müssen an einem geheimen Ort lagern!) und ein paar Stangen und dann geht’s auch schon auf zum Hallenhalma. Mit einem Pferd, das schon alles auf der Bahn total suspekt findet. Falls der Trainer dann mit den Scheuklappen winkt – lieber abhauen. Das kann nicht gutgehen.
Ist man dann in der Halle angekommen, darf man mit dem Pferd erst mal diskutieren: Mikado ist nichts Schlechtes. Aber die Stangen beißen eben doch. Man rauft sich zusammen, schafft vielleicht auch eine Stange und der Trainer ist quasi schon am Telefon. Springt doch. Pferd ja, ich beim nächsten Sprung nicht mehr, ich habe vergessen, dass ich jetzt ein Hindernispferd reite und das Pferd, dass es sich hier um eine Stange handelt. Sturz 1 nach knapp 10 Minuten ist schon eine Kunst.
Sturz 2 lässt nicht lang auf sich warten, denn jetzt haben wir ein Kreuz. Und ähnlich wie Jesus gucke ich jetzt auch, denn ich hab auch schon keine Lust mehr. Und das Pferd auch nicht. Man erhört uns, wir dürfen aufhören. Pferd guckt leidend – müssen wir das etwa nochmal machen?
Ein paar Tage später klappt es besser, Pferd hat sich an seine neue Aufgabe gewöhnt. Zumindest beim Hallenhalma mit Anfassen. Draußen sieht die Sache aber anders aus. Erst wird sich vor den Grashalmen auf der Bahn gefürchtet, dann vor den Mitreitern, die nicht auf Gras gehen. Und ich fürchte mich vor den Minihindernissen, denn hoch sind die ja wahrlich nicht. Aber das ist alles so ungewohnt. Pferd und ich schauen sehnsüchtig gen Sandbahn oder freier Grasbahn.
Knapp drei Wochen später schaffen wir auch ein paar Hindernisse im Galopp. Nicht schön, aber selten, nicht schnell, aber … ja … Dafür stehen die Besitzer auf der Matte und möchten gerne gucken, was ihr neuer Steepler so treibt. Der treibt’s heute ausgesprochen wild, sodass der Trainer sich zwanzig Mal dafür entschuldigen muss, dass das nette Hindernispferd ständig versucht, seine Besitzer anzuspringen. Der ist aber auch schlecht gelaunt heute.
Leider haben wir keinen Kumpel für ihn, der auch ein bisschen springen darf und so geht es mal wieder im grandiosen Sologalopp über die Hindernisse. Sieht auch ein bisschen aus wie bei den Gazellen in der Steppe, wie ich auf dem Video erkenne, das die verzückten Besitzer machen.
Nun gut, haben die jetzt einen Steepler. Eine ganze Weile später wird das auch ausprobiert. Wird dritter. Von fünf. Alles freut sich. Na bitte, das ist doch in Ordnung. Bis zum nächsten Mal, wo sich das Pferd dann doch dazu entscheidet, sein Streikrecht wahrzunehmen und vor dem ersten Hindernis sehr zuverlässig parkt.
Auch beim dritten Auftritt beschließt das Pferd ab der Hälfte, dass ihm das jetzt viel zu blöd ist.
Und Trainer und Besitzer beschließen, dass Hindernisrennen eh schon tot, nur noch nicht beerdigt sind und verkaufen. Ein bisschen teurer, schließlich ist das jetzt einer für den Busch. Tatsächlich, der springt jetzt. Nur nicht mehr so schnell. Die neue Besitzerin ist nämlich nicht windschnittig genug. Ob das mit dem Einspringen so die richtigen Käufer anzieht?
Na, lassen wir das. Bis zum nächsten Mal, wenn sich wieder jemand überlegt, was er mit seinem unterdurchschnittlich laufenden Pferd so alles anstellen kann.