Eigentlich sollte man ja meinen, dass „wir“ vom Rennsport alle nur eins wollen: Gesunde Pferde und mehr Zuschauer. Wie bekommt man neue Zuschauer? Naja… das hatten wir schon. Brauchen wir also gar nicht mehr drüber reden. Aber irgendwann brauchen wir ja auch neue Aktive. Sonst laufen da eines Tages nur noch Omas mit Rollator im Führring rum. Ist ja auch nix. Was braucht man also? Frisches Blut! Frisches Blut bringt ja auch oft neue Aspekte, die es so vorher nicht gab. Und eines muss ich sagen: So wie wir mit unserem Nachwuchs umgehen – da haben wir das auch gar nicht verdient. Eigentlich haben wir es sogar verdient mit Pauken und Trompeten unterzugehen. Nicht jeder Rennstall – aber einige. Oh ja… ich kann mir da auch ruhig selber an die eigene Nase fassen.
Ich halte nämlich eh schon nix von der Generation Y, die immer hübsch getätschelt werden müssen, wenn die nur angezogen zur Arbeit kommen. Aber wie immer ist es ein Mittelweg den man finden sollte und den findet eigentlich kaum einer. Beginnt im Internet, hört bei Praktikanten und Stiften auf. Jaja, die muss man doch hart anpacken.
Im Internet ist es uns „Insidern“ also ständig zu blöd, auf Fragen zu antworten. Darüber sind wir erhaben, darüber machen wir uns auch gerne lustig, weil die Fragen für uns halt doof sind. Na, was meint ihr? Guckt sich jemand ein Rennen mal live vor Ort an und unterstützt damit den Rennverein, wenn vorher eine Horde Galopperdeppen aufgetaucht ist, um sich über seine Frage lustigzumachen? Nein? Aha… Ja, ich verstehe sogar, wenn manch einer keine Lust mehr hat, blöde PeTA Argumente zu entkräften. Doch manchmal ist ja Schweigen Gold. Dann sagt man halt nichts. Ich versuche es mittlerweile immer in freundlich. Wenn die dann doof werden, kann ich ja auch mal doof werden. Doofe Leute möchte man ja auch gar nicht überzeugen.
Aber dann geht es an die schlimmere Stelle: In den heimischen Stall. Ich bin ja so ein Mensch, der erstmal nett ist. Und ich kann wirklich eine Menge ab, auch an hartem Ton, ich teile aus, ich stecke ein, ich bin da total schmerzbefreit. Lasse ich aber mal meine Rennstallzeit Revue passieren, denke ich mir: Ne, also mein jetziger Arbeitgeber, der hätte mich zum letzten Mal gesehen, wenn ich da so behandelt werden würde. Um das mal zu illustrieren ein kleines Beispiel:
Ich hatte mit dem Trainer ausgemacht, ich komme Montag zum ersten Arbeitstag. Was nicht der Monatserste war. Ich war allerdings noch auf Reisen und konnte halt wirklich auch erst Montag kommen. War ja kein Problem. Oh Moment, doch… für den Futtermeister war es eins. Als ich also am Montag zum ersten Arbeitstag antrete, sage ich artig: Guten Morgen, mit welchen Boxen soll ich denn anfangen?
Nix. Keine Reaktion.
Ich gehe schon mal auf die Suche nach Werkzeug und dann steht er vor mir. Schon mit einer Fresse, die nur eins verrät: Wut. Warum auch immer. Hab ich seine Mistgabel genommen? Weiß ich nicht.
Ich bin aber immer noch fröhlich und höflich – sollte ich ja wohl auch sein, ist mein erster Arbeitstag: „Ich kann auch hier rechts direkt anfangen, mir ist das egal, sag mir einfach, was dir am Liebsten ist.“
Hui… „PASS MAL AUF! DAS IST ÜBERHAUPT NICHT SCHEIßEGAL! DU HÄTTEST AM SAMSTAG HIER SEIN SOLLEN! WAS BILDEST DU DIR EIN? SCHEIß WEIBER, EY! IM RENNSTALL ARBEITET MAN AUCH SAMSTAGS. WEIßT DU DAS ÜBERHAUPT?“
Ich versuche noch einzuwerfen, dass das mit dem Trainer so abgemacht war, aber nö. Hört er eh nicht.
Na? Ich wette, das kennt ihr. Ihr kennt solche Choleriker, die meinen, nur weil sie bisschen Pferde rumschubsen, sie könnten auch Leute herumschubsen. Ganz ehrlich, würde mir heute ein Arbeitgeber so kommen, ich würde lächelnd sagen: „Wissen Sie was? Ficken Sie sich doch einfach ins Knie!“ Und mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen die Gabel hinpfeffern und gehen. Das hat nämlich NIEMAND nötig. Ich wiederhole: Niemand.
Auch keine Stifte und Praktikanten. Ich habe wirklich fleißige Stifte und Praktikanten erlebt. Aber die kommen doch nicht wieder oder bleiben, wenn man die so behandelt. Wenn man die anschreit, nur weil die was noch nicht wissen. Die sind doch zum Lernen da. Natürlich soll man denen nicht den Hintern pudern. Und man darf die durchaus auch mal anmeckern, hier geht es immer noch um das Wohl des Pferdes, das an oberster Stelle steht und wenn die Mist bauen, dann hat man jedes Recht der Welt, die zusammenzufalten. Aber solche Szenen wie in meinem Beispiel… meint ihr, da arbeitet jemand gerne bei euch? Selbst wenn man als Stift oder Praktikant ganz unten in der Hackordnung steht – so muss man sich einfach nicht behandeln lassen. Oh und falls jetzt das Argument kommt: Ja, die weichen Mädels wieder… das gilt auch für Jungs. Talentierte Jungs, das will man doch im Rennstall, die Mädels möchte man doch eh nur fürs Training. Aber wenn man zu den Jungs grundlos scheiße ist… ja, die kommen auch nicht wieder. Habe ich schon live erlebt.
Wenn ihr Nachwuchs wollt… dann behandelt den doch einfach ganz normal. Lehrjahre sind keine Herrenjahre… wir lieben diesen Satz. Der scheint alles zu rechtfertigen. Lässt aber am Ende den Rennsport mit so viel weniger neuen Impulsen dastehen… Das ist eigentlich traurig.
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