Wie ist das denn so mit den Jährlingen?

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Viele Rennsportgegner kommen ja immer mit dem Argument: „Ach, nein, das ist alles schlimm, die reiten ja schon Zweijährige.“ Das ist so nicht richtig. Die werden schon Ende Jährlingsalter bespaßt. So etwa im Oktober kommen die Jährlinge im Rennstall an und es geht dann auch schon los für die. So, alle die jetzt in Ohnmacht gefallen sind, können den Artikel zumachen. Denn der ist eher für Leute, die sich informieren wollen, nicht die mit dem Finger. Sonst muss ich den Besen holen.
So ein Jährling, der kommt von der Weide. Nicht 8 Stunden, nicht 4 Stunden, ne, der stand dort permanent, auf einer sehr großen Weide, wo er den Tierarzt sieht und manchmal seine Besitzer, die da durchs Gestrüpp krauchen und mal schmusen möchten (ja, auch Galopperbesitzer kommen vorbei und schmusen mal ihr Pferd). Aber wild sind sie dann auch nicht, die werden ja ein bisschen auf den Ernst des Lebens vorbereitet. Ihr könnt euch also alle schon mal das Telefonat mit den Pferdeprofis sparen – die braucht hier keiner.
Ist also der Jährling jetzt im Rennstall hat er erst einmal Zeit sich umzusehen. Er muss vor allem eins lernen: Kleben ist jetzt blöd. Rennpferde sind echte Kletten und mögen einander schon recht gerne. Ganz egal, ob der ganze Stall voller Pferde ist, wenn der beste Freund fehlt wird geheult. Und Jährlinge schreien immer gerne. Vielleicht hört der mich nur nicht. Keine Antwort? Na, dann noch mal lauter! Am liebsten in das Ohr des Menschen, der den Jährling gerade herumführt. Denn das ist der erste Job: Alles zeigen. Da wird dann ein bisschen mit den kleinen Zotteln Gassi gegangen und das wars auch. Sonst ist ihr Job einfach: Rumstehen und gucken. Und nein, die stehen nicht in einer Mini-Wini-Box sondern durchaus auf dem Paddock.
Ist das alles ein alter Hut, wird der knapp Zweijährige mal an die Trense gewöhnt. Was in dem Alter so ziemlich gar kein Problem darstellt, die nehmen alles in den Mund: Putzzeug, Futter, Eimer, Gitter, Trainer – was eben gerade so rumsteht. Und nach der Trense kommt die Longe. Die dient primär dazu, das Pferd selbstständig im Trab herumzuschicken und es an den Sattel zu gewöhnen, nicht es auf engen Bahnen herumzuzirkeln, bis es einen Drehwurm hat. Das ist auch der einzige Moment im Leben eines Rennpferdes, wo es plötzlich auf enge Kreise geht.
Ab hier entscheidet das Pferd übrigens selbst, wie schnell das geht. Denn die werden nicht alle am gleichen Tag mit einem Sattel beworfen und es setzt sich auch nicht am gleichen Tag überall ein Reiter drauf. Es gibt Kandidaten, die haben überhaupt kein Problem mit dem Deckengurt, der Probeweise geschlossen wird, mit dem Arbeitssattel sowieso schon nicht und wenn da plötzlich ein Reiter aufsitzt, ist das auch egal. Andere Kandidaten finden das eher semi-gut und möchten bitte langsamer herangeführt werden. Da geht man dann auch mal drei Wochen zu Fuß mit dem Bauchgurt und macht den auf und zu. Während der Reiter schon auf dem anderen Pferd sitzt, obwohl sie gleich alt sind. Eins muss man ja sagen: Viele der Hengste sind absolut gutmütig und total neugierig. Hengste anreiten macht definitiv viel mehr Spaß als die kleinen Diven – die saugen das mit der Muttermilch auf: „Nein, mir gefällt deine Hose nicht, du darfst heute nicht!“
Die Hengste sind mehr so auf Abenteuer aus und sagen: „Juhu! Wohin gehen wir? Was machen wir? Super, das mag ich! Ich weiß nicht, was es ist, aber ich mag es bestimmt.“
Wenn so ein Hengst also sich nicht mehr wie ein rohes Ei anfühlt, dann darf der auch mal auf die Bahn. Mit einem erfahrenen Führpferd, das ein Tempo vorgibt. Und dahinter hoppeln dann die kleinen Hengste und gucken sich das mal an. Der Reiter ist hier natürlich immer im entlastenden Sitz und wird auch nicht an den Zügeln herumzerren. Ende des Jahres sieht man nämlich die Fahrleinen auf den Rennbahnen. Die Jungs sind ganz entspannt. „Das ist unser Job? Okay. Kann ich.“
Die Stuten lassen sich da nicht zwingend überzeugen und wenn ich so zurückdenke: Wenn jemand bei uns während des Anreitens runtergefallen ist, dann zu 99% von einer Stute. Ich bin einmal mit einer gefallen, aber das zählt nicht, es war vereist und das Stütchen super cool, obwohl ich auf dem Hals saß.
Sobald das neue Jahr anfängt, ist es für die meisten Zweijährigen schon ein alter Hut. Das wird gemacht, das können wir – Juchhu!
Das war dann auch schon das ganze Hexenwerk. Langsam rangehen, gucken was geht, sonst Schritt zurück. Immer auf großen Linien mit kleinen Gewichten. Tempo wird irgendwann gesteigert, wenn die Puste da ist.
Aber jetzt kommt natürlich die Quizfrage: „WIESO KÖNNT IHR BLÖDEN RENNSPORTLER DENN NICHT WARTEN, BIS DIE DREI SIND?“
Hier liegt natürlich der Hase im Pfeffer. Studien und Jahre der Evolution des englischen Vollbluts haben ergeben, dass es für diese Rasse wichtig ist, früh trainiert zu werden. Trainiert – sie müssen nicht früh am Rennen teilnehmen. Organe, Muskeln, Knochen, all das formt sich im Training, damit das Pferd später gesund laufen kann. Spät angerittene Galopper, die trotzdem in Rennen gehen… die haben nicht nur einen Nachteil, sondern auch ein höheres Verletzungsrisiko. Wir hatten so einen. Der japste nach seinem ersten Rennen, als würde er gleich umfallen. Aufholen konnte er das nie. Ist doch unfair dann. Lieber richtig trainieren, als halbherzig bis gar nicht, weil „spät“ ja für das Vollblut angeblich auch nicht schlecht sein kann – wo das doch bei allen Pferdemädels hip ist.

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Nika S. Daveron
Nika S. Daveronhttp://www.arschlochpferd.de
Achtung, dieser Post könnte Meinung enthalten. Meine Meinung. Gestatten, Nika S. Daveron. Autorin und Turfteufel in einer Person. Sie finden mich auf der Rennbahn, in einem meiner Bücher oder auf Arschlochpferd.de.

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