Die letzten Tage beschäftigte uns alle natürlich die Sache mit Fair Friend, der in Bad Harzburg spontan das Weite suchte. Wie konnte denn das nur passieren, fragt man sich da? Wirklich erschreckend waren einige Kommentare hierzu, auch von alteingesessenen Galopperleuten, denen doch eigentlich klar sein muss, dass ein Pferd nicht automatisch ein Schmusetier ist, sondern immer noch ein Koloss mit mindestens 500 Kilo, der, wenn er will, einfach dem Menschen, der ihn festhält, davonlaufen kann.
Und wie das überhaupt sein kann, dass ein Pferd aus dem Führring entkommt? Von einem Laien würde ich jetzt die Frage erwarten … ja. Aber doch nicht von Rennsportlern. So ein Führring ist offen. Wie kommt man denn da sonst rein?
Dennoch wurde auf die Rennbahn geschimpft. Hm … Bad Harzburg stellt jetzt, ehrlich gesagt, keine besondere Ausnahme dar. In Krefeld wäre das Pferd auch weg. In Neuss auch. In Köln würde es zugegebenermaßen etwas schwieriger, aber die gehen auch dort verloren, wenn auch nicht direkt im Führring. Royal Fantasy ist damals ja schließlich auch nicht auf die Straße gebeamt worden, sondern selbst dahin gerannt.
Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Und wenn sie mit Tieren arbeiten, die einen eigenen Kopf haben – dann passieren diese selbst dann, wenn man sie vermeiden will. So ein Jockey SOLL ja auch nicht vom Pferd fallen, damit das zum grandiosen Sologalopp um die Bahn ansetzt und sich eventuell verletzt. Passiert aber nunmal, weil der Faktor Pferd niemals 100% kontrollierbar ist.
Genauso SOLL ein Führer seinen Schützling nicht loslassen. Leider ist das auch nicht so einfach, wenn knapp 600 Kilo sich plötzlich vorwärts auf zwei Beinen bewegen. Da sind Beine, die schlagen und strampeln und man hat halt auch nichts davon, wenn die einen anspringen. Dennoch halten alle Führer eisern fest, bis das Pferd irgendwann doch das Tauziehen gewinnt. Wie viele Leute sind denn schon mal einem Schützling hinterher gerannt? Na? Mal schnell nachzählen? Im Führring ist mir das auch noch nicht passiert. Da hatte ich Glück. Aber im Boxendorf musste ich auch schon mal einem Hengst hinterherrennen, der zum Glück in die geschlossene Stallgasse abbog.
Zuvor hatte der Kerl schreckliche Angst vor einem Heunetz bekommen, das da ganz unverschämt herumbaumelte.
Es ist ein Tier. Mit eigenem Willen. Und wenn dieses Tier, das so viel stärker als der Mensch ist, bestimmt: Ich mach die Biege – dann tut es das auch. Da können wir noch so sehr dutzidu machen, oder jammern, weil es passiert ist. Irgendwann passiert es eben. Das ist einfach ein Fakt.
Eigentlich sollte man doch annehmen, dass jeder Reiter das weiß. Leute, die vielleicht nicht so viel Bezug zu Pferden haben – die nehme ich mal außen vor. Aber im Rennsport tätig: Ja, doch. Dafür sollte Verständnis da sein. Nicht im Fall von Fair Friend, als ich da ganz schön wüste Dinge lesen musste, weil er seinen Führern weggerannt ist. Und gleich noch viel mehr, weil man das Pferd nicht sofort wiederfand, sondern es sich eine Nacht herumtrieb. Ist ja schon faszinierend. Nachdem einem das Pferd also weggelaufen ist, soll man bitte auch noch einen Röntgenblick entwickeln, der einem sagt, WO das Pferd auf einer völlig fremden Bahn, weitab der Heimat, hingelaufen sein könnte? Na, so einen Blick hätte ich ja gerne mal, dann könnte ich wohl auch noch Lotto spielen. Oder ein paar Pferdewetten tätigen. Denn wenn ich ein Pferderadar hätte, geht in die Zukunft sehen ja sicherlich auch. Oh, Moment … gehört das etwa ins Reich der Legenden? Findet ihr unlogisch?
Ach, Quark. Ist nur genauso unlogisch, wie zu denken, dass der Mensch ein Pferd halten kann, wenn es beschließt, dass es woanders sein möchte und losrennt. Genauso unlogisch, wie vom Menschen zu verlangen, dass er niemals Fehler machen darf. Genauso unlogisch, wie zu glauben, dass man ein Pferd immer zu 100% beherrschen könnte.
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